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5 Die These einer ‚weiblichen Tradition‘ des Fremdsprachenerwerbs durch Konversation im 19. Jahrhundert

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Bei genauerem Lesen der Aussagen des englischen Philosophen zum Fremdsprachenlernen fällt auf, wie Locke tendenziell Geschlechterunterschiede bei den Inhalten sowie der Methode markiert (vgl. Locke 1963, §168). Die Arbeit mit den altsprachlichen Klassikern empfiehlt er zur Schärfung des Geistes und zur Bildung nach wie vor seinen männlichen Lernern, preist aber zugleich das Erlernen der modernen Fremdsprachen mit der für ihn eher weiblich konnotierten Methode der Konversation. Er drückt damit stellvertretend ein Verständnis des Fremdsprachenlernens aus, welches beispielsweise in der Studie von Sabine Doff zum Fremdsprachenerwerb im Deutschland des 19. Jahrhunderts anhand von Dokumenten des wilhelminischen Zeitalters eingehend diskutiert wird (Doff 2002).

Doff beschreibt detailliert, wie sich in dieser Epoche Gendervorstellungen mit Bezug auf das Fremdsprachenlernen verhärteten. Paradigmatische Bedeutung erhält hier ein Originalzitat, demzufolge sich die logisch und analytisch strukturierten alten Sprachen „mehr für den männlichen Geist [eignen], die neueren entsprechen mehr der Eigenart des weiblichen Geistes“ (ebd., 359). Für Doff entwickelte die weiblich beeinflusste Neusprachendidaktik früh ‚alternative‘, auf Gleichwertigkeit drängende Lehr- und Lernformen sowie Inhalte, welche als „durch die Lehrerinnen geprägte Konstante“ (ebd., 339) bis in die Jetztzeit hinein kontinuierlich wirken. Dies zeigt sich etwa in der Betonung des Mündlichen oder der Kommunikationsfähigkeit, welche früher mit dem Terminus der weiblichen ‚Parlierfähigkeit‘ versehen oder von männlicher Arroganz als ‚Plappermethode‘ abgekanzelt wurde (ebd., 398). Eingeübt wurde sie traditionell in sogenannten Konversationsstunden, in denen Mädchen sich während leichter Handarbeiten in der Fremdsprache unterhielten, wobei sie häufig ein ‚Sprachmeister‘ bzw. eine Gouvernante anleitete. In diesem Zusammenhang formuliert Doff die These einer „eigenständigen weiblichen Didaktik des Unterrichts in den neueren Fremdsprachen“ (ebd., 377), wie sie von Gouvernanten, Hauslehrerinnen und schließlich „Oberlehrerinnen“ entwickelt und tradiert wurde. Diese alternativen Traditionen haben frühe Methoden der Reformer des Englischunterrichts am Ende des 19. Jahrhunderts entscheidend geprägt. Es gab starke konzeptuelle Ähnlichkeiten mit und Einflüsse auf Formen des Fremdsprachenunterrichts, wie er „an den höheren Mädchenschulen schon seit Jahren, zum Teil seit Jahrzehnten erprobt und optimiert worden war“ (ebd., 385).

Fremdsprachenunterricht in Geschichte und Gegenwart

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