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Оглавление8 Linguistic Landscapes
8.1 Die Minderheitensprache in der Mehrheitsgesellschaft
Trotz Minderheitenorganisationen, Schulen, Kindergärten, Bibliotheken und der örtlichen Redaktionen von Der Nordschleswiger war die Minderheit in der Nachkriegszeit im öffentlichen Leben fast unsichtbar. Es gab kaum Schilder der deutschen Institutionen, und deutsche Straßenschilder, die aus der Zeit der preußischen Herrschaft vor 1920 übriggeblieben waren, wurden entfernt.
Unter sich verwendet die Minderheit die deutschen Namen von Straßen und Städten. Um diese Namen in der Minderheitenpresse und in deutschen Organisationen zu vereinheitlichen, veröffentlichte die Zeitung Der Nordschleswiger 1969 eine Liste von Ortsnamen in dänischer und deutscher Sprache. 1982 erschien diese in einem Buch (Kardel 1982), 1994 wurde sie im Deutschen Volkskalender Nordschleswig nachgedruckt. Diese Liste war in erster Linie ein Element der internen Minderheitensprachenplanung.
Erst in den späten 1980er Jahren begann die Minderheit, den Anspruch zu erheben, als Minderheit sichtbar zu sein, etwa durch deutsche oder zweisprachig dänisch-deutsche Schilder und die Verwendung der deutschen Sprache bei Behörden und in den öffentlichen Medien. Vor allem Kindergärten und Schulen brachten sichtbare Schilder an, und in mehreren Städten wurden einige öffentliche Schilder für deutsche Einrichtungen aufgestellt. Davon waren jedoch einige auf Dänisch, andere auf Deutsch und einige in einer Art neutralen Sprache, die sozusagen nur die halbe Wahrheit sagt, zum Beispiel das Schild „Museum“ am Deutschen Museum für Nordschleswig – im Dänischen wie im Deutschen wird dieses Wort gleich geschrieben. Ein ähnlicher Fall ist das deutsche Schild „Bibliothek“, das dem dänischen Bibliotek so nahe kommt, dass nicht unbedingt auf Anhieb erkennbar ist, dass es sich auf eine deutsche Bibliothek bezieht.
In den 1990er Jahren diente die Kopenhagener Erklärung von 1955 als Argument für die Anbringung öffentlicher Schilder in deutscher Sprache für die Minderheiteninstitutionen; seit 2001 wurde die Sprachencharta dafür verwendet. Nun begann die Minderheit unter Berufung auf die Charta auch, öffentliche zweisprachige dänisch-deutsche Schilder für Städte in der Region zu fordern.
Abb. 5:
Deutsche Institutionen, Tingleff/Tinglev
8.2 Zweisprachige Straßenschilder
Auf eine Frage bezüglich des Wunsches der Minderheit nach zweisprachigen Schildern erwiderte der politische Sekretär der Minderheit noch 2004, dass man die Mehrheit nicht provozieren wolle. Der Vorsitzende des BDN plädierte dagegen für eine Sprachenpolitik, die zumindest zweisprachige Ortsschilder zulässt. In einem Schreiben an den BDN im Jahr 2003 stellte das dänische Verkehrsministerium fest, dass zweisprachige Schilder in Dänemark nicht gesetzlich verboten sind, jedoch von der dänischen Straßenverkehrsbehörde genehmigt werden müssen. Das Ministerium vertrat die Auffassung, dass zweisprachige Schilder bei den Verkehrsteilnehmern zu Verunsicherung und Verwirrung führen können, d.h. zu einer verminderten Lesbarkeit und Orientierungslosigkeit, die wiederum ein erhöhtes Risiko von Verkehrsunfällen verursachen können. Der Verkehrsdirektion lagen zu diesem Zeitpunkt jedoch noch keine Anträge auf Genehmigung zweisprachiger Verkehrszeichen vor, so dass sie keine Stellung bezog. Im Jahr 2017 kam das Verkehrsministerium schließlich zu dem Schluss, dass zweisprachige Zeichen möglich sind.
Innerhalb der postalischen Adressen ist die Verwendung deutscher Ortsnamen durch die Minderheit in Dänemark nur noch selten anzutreffen. Die Minderheit verwendet die dänischen Namen, um die Adresse erkennbar zu machen. Dies wird von der Post verlangt, die ansonsten nicht garantiert, dass der Brief an die richtige Adresse zugestellt wird. Alle Briefe innerhalb Dänemarks, zum Beispiel vom BDN, werden mit dänischen Ortsnamen adressiert.
Im mündlichen Gebrauch ist die Tradition der Verwendung deutscher Ortsnamen in Bezug auf Städte auf jeden Fall stabil; im Zusammenhang mit Straßennamen ist die Situation jedoch eine andere. Welche Rolle hierbei externe Vorgaben des Postwesens spielen, ist schwer zu beurteilen. Jedenfalls sind aber die traditionellen deutschen Straßennamen Mitgliedern der Minderheit, die jünger als 60 Jahre sind, inzwischen kaum bekannt, und aus der Minderheit werden auch keine offiziellen Wünsche nach zweisprachigen Straßenschildern geäußert.
Im Jahr 2016 beschloss der Bürgermeister von Hadersleben/Haderslev, dem Wunsch der Minderheit entsprechend, zweisprachige Ortsschilder aufzustellen. Darauf war oben in größerer Schrift der dänische Namen Haderslev und darunter etwas kleiner der deutsche Name ‚Hadersleben‘ abgedruckt. Aufgrund von Vandalismus wurden diese Schilder jedoch schon nach einer Woche wieder entfernt. Dieser Vorfall zeigt, dass durchaus eine nationalistische Ideologie existiert, die nur dänische Städtenamen akzeptiert, und dass es noch immer Ressentiments gegenüber den deutschen Städtenamen gibt, die mit der preußischen Herrschaft oder auch mit dem Deutschland des Zweiten Weltkriegs verbunden werden. Andererseits werden die deutschsprachigen Schilder, die auf deutsche Institutionen hinweisen, nicht mehr zerstört.
Abb. 6:
Haderslev/Hadersleben
Forderungen der Hardliner aus dem Jahr 2015
Angesichts der Erkenntnis, dass es seit der „Sprachpolitischen Zielsetzung“ aus dem Jahr 2010 und trotz Unterstützung durch den Europarat (das Expertenkomitee der Sprachencharta und der Rahmenkonvention) keine Fortschritte in Bezug auf die Verwendung des Deutschen gab, hat die Minderheit beschlossen, eine Arbeitsgruppe Sprachenpolitik einzurichten. Im Jahr 2015 präsentierte der BDN seine „Sprachpolitischen Forderungen der deutschen Minderheit. Strategie 2015–20“, die sich auf den Gebrauch des Deutschen in öffentlichen Einrichtungen und im öffentlichen Raum konzentrieren. Es sind keine Wünsche mehr, sondern Forderungen, und die Minderheit bezieht entschlossen Stellung. Wann dies zu Ergebnissen führt, ist noch nicht absehbar, aber es zeigt, dass die verhältnismäßig kleine Gruppe inzwischen eine Stärke gewonnen hat, die sie vorher nicht hatte. Einer der Gründe für diese Stärke ist, dass die Minderheit, auch mit Hilfe der Sprachencharta des Europarats, in den vier südjütischen Kommunen und im Folketing (Parlament) eine stärkere politische Vertretung erreicht hat. Das Strategiepapier des BDN setzt zur Erreichung seiner Ziele ausdrücklich auf die Unterstützung der Stadtratsmitglieder der Schleswigschen Partei, des Kopenhagener Kontaktausschusses und des Europarats.
Die Bedeutung der deutschen Sprache für die Minderheit wird in dem Strategiepapier besonders hervorgehoben:
Die deutsche Sprache ist das wichtigste Erkennungsmerkmal der deutschen Nordschleswiger. Sie ist nicht nur das wichtigste Werkzeug der Kommunikation, sondern verbindet und zeigt Zugehörigkeit. Die Förderung und Pflege der deutschen Sprache gehört zu den wichtigsten Aufgaben der deutschen Volksgruppe. Dies gilt nicht nur in den eigenen Einrichtungen und Vereinen, sondern auch im öffentlichen Raum, um so auch die Wahrnehmung der deutschen Minderheit zu verbessern. (Bund Deutscher Nordschleswiger 2015b: 1)
Die sieben konkreten Ziele (die durchaus eine unterschiedliche Granularität aufweisen) lauten:
Benennung von deutschsprachigen Ansprechpartnern in den Kommunen
Erstellen einer Sprachstrategie für kommunale Pflegeheime und regionale Krankenhäuser
Produktion einer Broschüre über die Möglichkeit der Vorlage von relevanten Dokumenten auf Deutsch gegenüber der öffentlichen Verwaltung und den Gerichten
Aufstellung eines Autobahnhinweisschildes „Knivsbjerg/Knivsberg“
Aufstellung von zweisprachigen Ortstafeln
Förderung der Deutschen Museen.