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1.3 Interkulturelle Hermeneutik
ОглавлениеJörg Roche
Die interkulturelle Hermeneutik hat sich aus der historischen Verstehenslehre Gadamers entwickelt und wurde in den letzten Jahrzehnten immer wieder als Leitdisziplin für interkulturelle Ansätze des Fremdsprachenunterrichts konstituiert. Sie bietet einen theoretischen Rahmen für das Gelingen des Fremdverstehens und ist daher – in unterschiedlichen Formen – vor allem auf das Verstehen literarischer Texte angewendet worden. Als Grundlage sprachdidaktischer Ansätze ist sie schließlich auch für den Sprachunterricht operationalisiert worden. Wichtige Impulse hat die Entwicklung der interkulturellen Sprachdidaktik nicht zuletzt dadurch bekommen, dass die kommunikative Sprachdidaktik mit ihrer Fokussierung auf das Funktionieren in der Zielkultur an Grenzen gestoßen ist: Ein fremdsprachiger Lerner kann eben nicht wie ein Sprecher der Zielsprache funktionieren, wenn er nicht über das nötige kulturelle Wissen und interkulturelle Vermittlungsstrategien verfügt. Die ihm zur Verfügung gestellten zielsprachlichen (authentischen) Redemittel bleiben Chunks oder unverstandene Phrasen. In der Euphorie der hermeneutischen Weiterentwicklung wurde jedoch oft übersehen, dass das Eigene und das Fremde keine monolithischen und stabilen Größen sind, zwischen denen der Lerner munter hin- und herwechseln kann. Perspektivwechsel sind vielleicht wünschenswerte Kompetenzen, aber vom kognitiven Apparat schwer herzustellen. Es sei denn, man geht davon aus, dass der Lerner eine gespaltene Persönlichkeit haben muss. Daher verfahren viele didaktische Empfehlungen, viele Lehrpläne – die sich weltweit gerne auf interkulturell-hermeneutische Konzepte beziehen – sowie viele Handbuchartikel und andere Veröffentlichungen in Fachzeitschriften stark idealisierend und begrifflich unscharf mit der Thematik. Zudem hat die Lehrpraxis eher ablehnend auf diese Ansätze reagiert, weil sie zu weit von den „eigentlichen“ Themen des Sprachunterrichts abzulenken scheinen. Eine der wichtigsten Fragen bleibt jedoch bestehen: Wie kann man eigentlich Fremdes und Neues verstehen? Gibt es nur ein richtiges Verstehen, das ein Lerner rekonstruieren soll, oder wie viel Spielraum hat er?
Lernziele
In dieser Lerneinheit möchten wir erreichen, dass Sie
die Grundlagen der interkulturellen Hermeneutik kennenlernen;
die wichtigsten Anwendungen, Ansätze und Konzepte für den Sprachunterricht kennen und kritisch bewerten lernen;
sich mit der Umsetzung anhand von konkreten Unterrichtsmaterialien und -beispielen vertraut machen;
erkennen, warum weiterführende Ansätze für das (Fremd-)Verstehen so fundamental sind.