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2.1.2 Kollektivzugehörigkeit als Ausdruck von pluraler Identität

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Wie lassen sich die pluralistischen Rollenzuschreibungen eines Individuums darstellen und vereinbaren? Hansen (2011) entwickelt hierzu ein Modell, das versucht, die intragesellschaftliche Heterogenität so abzubilden, wie es im Bereich der Soziolinguistik die Variations- und Registerforschung tut (vergleiche auch die Prolegomena von Lüdi 2003 zu den mehrsprachigen Repertoires und pluriellen Identitäten von Migranten).

Hansen (2011) unterscheidet aus guten Gründen systematisch zwischen dem traditionellen ethnologischen und einem wissenschaftlichen Kulturbegriff, für den er das Konzept des Kollektivs verwendet. Das Kollektivsystem sei demnach nicht als fertiges System vorhanden, sondern bilde sich aus ungeplanten Konventionen der Beteiligten und könne sich beliebig differenzieren und proliferieren, sei also dynamisch. Normen und Standardisierungen der Kollektive entstehen aus Konventionen, die sich ihrerseits aus präkollektiven Elementen entwickeln. Die Gültigkeit der Normen für ein bestimmtes Kollektiv konstituiere keine Gültigkeit für andere. Individuen gehören nicht nur einem Kollektiv, sondern einem System der Multikollektivität an. Die Identität eines Individuums entsteht somit aus dem Profil der verschiedenen Subkollektive, zu denen ethnische Kollektive, also auf pankollektiven Komponenten wie Nationalität, Religion, Sprache oder ethnischer Gruppe basierende Schicksalskollektive, und Interessenskollektive wie Arbeit und Freizeit gehören. Hansen unterscheidet ferner zwischen verschiedenen Ebenen von Kollektiven, nämlich denen des ersten Grades, die Individuen betreffen, und denen des zweiten Grades, die die Organisation verschiedener Kollektive untereinander bezeichnen. Jedes Kollektiv bildet auf diese Art eine eigene Kultur aus. Hansens Kulturmodell teilt Nationalkulturen damit in eine flexible, untereinander organisierbare Menge von Kollektiven auf, die mehr oder weniger deutlich trennbar bleiben. So erlaubt das Modell, Individuen als multikollektiv auszuweisen. Wie das Individuum diese Dynamik kognitiv verarbeitet oder transkollektiv organisiert, klärt es nicht.

Ein ähnliches Kollektivitätsprinzip, das das Management der Kollektive aber stärker in den Blick nimmt, stellt die Cultural Theory von Douglas (1992) dar. Es differenziert die Kollektive dadurch, dass neben die Kollektivitätsdimension (group) eine Individualitätsdimension (grid) tritt. Mit der group dimension nehmen die Gruppenbindung und die damit verbundenen Schwierigkeiten des Zugangs (durch steigende Anforderungen) zur Gruppe zu, mit der stärkeren Zuordnung zur grid dimension steigt die Einschränkung der individuellen Wahlmöglichkeiten des Zugangs zu Gruppen. Nach Karmasin (2002: 840) ergeben sich daraus vier prototypische Kulturen: die Individualisten, die Fatalisten, die Egalitären und die Hierarchisten.

Die prototypischen Kulturen lassen sich wie folgt genauer charakterisieren (Karmasin 2002: 846):


Abbildung 2.1: Einteilung von Kollektiven nach Individualitäts- (Grid) und Gruppendimension (Group) in der Cultural Theory nach Douglas (Karmasin 2002: 840)

Dieses Modell sieht starke (interne) kollektive Normierungen (Viabilisierungen) der Gruppe im Sinne von Wendt (1996) vor, die aber kaum externen Restriktionen der Gesellschaft unterliegen. Es handelt sich um ein Modell, in dem die Gruppenzugehörigkeit von sozialen und kommunikativen Prozessen gesteuert wird und das, wie auch das Modell von Hansen, multiple Zugehörigkeiten zu und Ausprägungen von Kollektiven erlaubt. Die Dimensionen sind dynamisch veränderbar. Durch die Zugehörigkeit zu verschiedenen, unter Umständen konträren Kollektiven entstehen jedoch auch Probleme der Zuordnung und Vereinbarkeit. Wie die daraus entstehenden kognitiven Dissonanzen vom Individuum bewältigt werden können, wird in dem Modell nicht geklärt.

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