Читать книгу Das Neue Testament - jüdisch erklärt - Группа авторов - Страница 85
Оглавление1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.[*] 2 Dasselbe war im Anfang bei Gott. 3 Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht, und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.[*] 4 In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. 5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat‘s nicht ergriffen.
6 Es war ein Mensch, von Gott gesandt, der hieß Johannes. 7 Der kam zum Zeugnis, damit er von dem Licht zeuge, auf dass alle durch ihn glaubten. 8 Er war nicht das Licht, sondern er sollte zeugen von dem Licht.
9 Das war das wahre Licht, das alle Menschen erleuchtet, die in diese Welt kommen[*]. 10 Es war in der Welt, und die Welt ist durch dasselbe gemacht; und die Welt erkannte es nicht. 11 Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. 12 Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden: denen, die an seinen Namen glauben, 13 die nicht aus menschlichem Geblüt noch aus dem Willen des Fleisches noch aus dem Willen eines Mannes, sondern aus Gott geboren sind.
14 Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
15 Johannes zeugt von ihm und ruft: Dieser war es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen, der vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich.
16 Von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade. 17 Denn das Gesetz ist durch Mose gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden. 18 Niemand hat Gott je gesehen; der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß ist, der hat es verkündigt.
Joh 1,1–18 Prolog Im Gegensatz zu Matthäus und Lukas fehlt bei Johannes eine Erzählung von Jesu Empfängnis und Geburt; weder Maria noch Josef spielen im Bericht von seinen menschlichen Ursprüngen eine Rolle. Vielmehr wird Jesu Ankunft in der Welt mit kosmologischer Terminologie beschrieben und seine Rolle als Sohn Gottes hervorgehoben. Die poetische Struktur des Prologs und das Fehlen einiger der hier verwendeten Begriffe im Rest des Evangeliums lassen vermuten, dass Joh 1,1–18 auf einem früheren Hymnus aufbauen könnte. 1,1–3 Im Anfang, lässt Gen 1,1 anklingen. Das Wort, die Schöpfungskraft und Erlösungsmacht Gottes (Ps 33,6), die mit Jesus identifiziert wird (Joh 1,9.14.17). Es deutet auf die personifizierte Weisheit hin (Spr 8,7–30; Weish 9,2.9; 18,15; Sir 24,1–9; 43,26). Für den jüdischen Philosophen aus Alexandria, Philo, war der Logos Gottes das erste Ergebnis der Schöpfung (leg.all. 3,175). Die Weisheit des Ben Sira (Jesus Sirach) identifiziert die Weisheit mit dem göttlichen Gebot, d.h. mit der Tora (Sir 24,22–23). Diese Bestimmung besteht auch im rabbinischen Zeitalter fort (vgl. BerR 1,10 [nicht eher als im fünften Jahrhundert anzusetzen], wo beschrieben wird, wie Gott die Tora als Bauplan zurate zieht, bevor er die Welt erschafft). Vgl. auch die Verwendung von memra (übers. „Wort“) in den aram. Targumim zur Genesis (vgl. „‚Logos’ als ein jüdisches Wort: Der Johannesprolog als Midrasch“). Bei Gott, wie in Spr 8,22–31: „War ich [die Weisheit] da […] da war ich beständig bei ihm [, dem Herrn]“. 1,4 Leben, dessen Quelle Gott ist (Gen 1,20–25). Licht, das erste Werk der Schöpfung (Gen 1,3); ein häufiges Bild für Gott oder Gottes Anwesenheit und Wohlwollen (Ps 27,1; 36,10; Jes 2,5; vgl. auch Weish 7,26). Der Menschen, vielleicht ein Vorgriff auf die Vorstellung, die in Joh 10,16; 11,52; 12,32 ausgeführt wird, dass Jesus gekommen sei, um „die Welt“ zu retten und nicht nur eine bestimmte ethnische Gruppe. 1,5 Das Licht scheint, erinnert an Gen 1,3. Der Kontrast zwischen Licht und Finsternis, der im JohEv stark ausgeprägt ist, taucht auch in den Schriften vom Toten Meer auf, z.B. in 1QS 3,13–4,26, aber ein direkter Einfluss dieser Schriftrollen auf das Evangelium ist unwahrscheinlich. 1,6–8 Eine Vorschau auf Joh 1,19–34. Johannes, der Täufer, wird von Josephus erwähnt (Ant. 18,116–119). 1,10–12 Diese Verse fassen die historischen und kosmologischen Perspektiven des Evangeliums zusammen: Das eigene Volk Jesu, die Juden, nahm ihn nicht an, sondern plante ihn zu ermorden; diejenigen, die Jesus angenommen haben, werden Gottes Kinder und erhalten das ewige Leben. Welt, gr. kosmos, bezeichnet sowohl die Schöpfung als auch die Menschheit, aber auch häufig diejenigen, die Jesus ablehnen (Joh 12,31; 16,11). 1,11 Die Seinen, die Juden (Joh 4,22; vgl. auch Ex 19,5). 1,12–13 Der Unterschied zwischen einem vererbten Bund, wie dem der Juden, und einem auf Glauben gründenden Bund (vgl. Joh 8,33–40). An seinen Namen glauben, gaben ihm gebührend die Ehre. Dieser Ausdruck taucht auch in äthHen 67,8–10 in Bezug auf Gott auf. Gab er Macht […] zu werden, bezieht sich vielleicht auf das „Recht“ oder die „Befugnis“, aber es handelt sich wohl eher um eine andere Art, das „Werden“ als Folge des göttlichen Handels auszudrücken. Gottes Kinder, im Gegensatz zu den „Kindern nach dem Fleisch“, d.h. den Nachkommen Abrahams (Joh 8,33–40). 1,13 Geblüt, die biologische Herkunft. 1,14 Das Wort ward Fleisch, eine paradoxe Formulierung, da das Fleisch vergänglich ist, der Logos aber eine ewig-göttliche Qualität besitzt; vgl. Jes 40,6–8: „Alles Fleisch ist Gras [das] verdorrt […] aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich“. Dieser Aspekt kennzeichnet die „Menschwerdung“, das Wort, das Fleisch wird. Die Vorstellung, dass ein göttliches Wesen gleichzeitig menschlich sein kann, wird oft als wesentliche Trennungslinie zwischen dem Judentum und dem Christentum gesehen. Im Judentum der biblischen Zeit und des zweiten Tempels allerdings glaubte man an übernatürliche Wesen, z.B. an Engel, die menschliche Form annehmen können (z.B. der Engel in Ri 13; Rafaël im Buch Tobit). Die Grenzen zwischen Menschlichem und Göttlichem wurden folglich als durchlässiger und weniger absolut wahrgenommen. Herrlichkeit, gr. doxa, eigentlich das Äquivalent der LXX für das hebr. kavod, die sichtbare Manifestation der Gegenwart Gottes (z.B. Ex 16,10). Eingeboren, einzigartig in seiner Sohnesbeziehung zum Vater. Im Hintergrund könnten aristotelische Vorstellungen der Fortpflanzung stehen, nach denen dem Sohn im Idealfall das Abbild seines Vaters eingeprägt wird (vgl. Arist.gen.an. 722 und passim). Wohnte unter uns, das Griechische bedeutet wörtlich „in einem Zelt wohnen“, eine Anspielung auf die Stiftshütte in der Wüste, dem Vorläufer des Jerusalemer Tempels (z.B. Ex 25,9). Es könnte auch eine Verbindung zur hebr. schechina bestehen, die in manchen Texten (z.B. in TOnq zu Dtn 12,5) als Terminus technicus für die Präsenz Gottes in seinem Volk verwendet wird, also als Äquivalent zum Begriff kavod im Tanach. 1,15 Johannes zeugte […], verweist nach vorne auf Joh 1,19, auf das Zeugnis des Täufers vor den Jerusalemer Priestern und Leviten. 1,16 Fülle, gr. plērōma (Kol 1,19), taucht bei Johannes nur hier auf. Die genaue Bedeutung ist unklar; es könnte sich schlichtweg auf den Überfluss an geistlicher Nahrung (symbolisiert durch das Wasser [Joh 4,14–15] und das Brot [Joh 6,1–14], das die Gläubigen erhalten) beziehen. 1,17–18 Gegenüberstellung von Jesus und Mose sowie die Überlegenheit des Evangeliums gegenüber dem Gesetz (Tora; Ex 24,12). 1,17 Gnade und Wahrheit, Gottes liebende Gegenwart (hebr. chesed, übers. „unerschütterliche Liebe“, z.B. Ps 85,10) und Treue (hebr. ’emet, übers. „Wahrheit“, die nicht nachlässt). 1,18 Niemand hat Gott je gesehen, der Kontrast zwischen Jesus und Mose wird weiter ausgeweitet: Der Vers hebt hervor, dass Jesus derjenige ist, der Gott der Welt bekannt macht – und nicht als Mose, dem es nicht gestattet war, Gott von Angesicht zu Angesicht zu sehen (Ex 33,18).
19 Und dies ist das Zeugnis des Johannes, als die Juden zu ihm sandten aus Jerusalem Priester und Leviten, dass sie ihn fragten: Wer bist du? 20 Und er bekannte und leugnete nicht, und er bekannte: Ich bin nicht der Christus. 21 Und sie fragten ihn: Was dann? Bist du Elia? Er sprach: Ich bin‘s nicht. Bist du der Prophet? Und er antwortete: Nein. 22 Da sprachen sie zu ihm: Wer bist du dann?, dass wir Antwort geben denen, die uns gesandt haben. Was sagst du von dir selbst? 23 Er sprach: »Ich bin die Stimme eines Predigers[*] in der Wüste: Ebnet den Weg des Herrn!«, wie der Prophet Jesaja gesagt hat (Jesaja 40,3).
24 Und sie waren abgesandt von den Pharisäern, 25 und sie fragten ihn und sprachen zu ihm: Warum taufst du denn, wenn du nicht der Christus bist noch Elia noch der Prophet? 26 Johannes antwortete ihnen und sprach: Ich taufe mit Wasser; aber er ist mitten unter euch getreten, den ihr nicht kennt. 27 Der wird nach mir kommen, und ich bin nicht wert, dass ich seine Schuhriemen löse. 28 Dies geschah in Betanien jenseits des Jordans, wo Johannes taufte.
29 Am nächsten Tag sieht Johannes, dass Jesus zu ihm kommt, und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt! 30 Dieser ist‘s, von dem ich gesagt habe: Nach mir kommt ein Mann, der vor mir gewesen ist, denn er war eher als ich. 31 Und ich kannte ihn nicht. Aber damit er offenbar werde für Israel, darum bin ich gekommen zu taufen mit Wasser.
32 Und Johannes bezeugte es und sprach: Ich sah, dass der Geist herabfuhr wie eine Taube vom Himmel und blieb auf ihm. 33 Und ich kannte ihn nicht. Aber der mich gesandt hat zu taufen mit Wasser, der sprach zu mir: Auf welchen du siehst den Geist herabfahren und auf ihm bleiben, der ist‘s, der mit dem Heiligen Geist tauft. 34 Und ich habe es gesehen und bezeugt: Dieser ist Gottes Sohn.
Joh 1,19–34 Das Zeugnis von Johannes dem Täufer 1,19 Juden, hier im Besonderen die Jerusalemer Obrigkeit. Priester und Leviten, die jüdischen Gruppen, die eng mit dem Tempel und seinen Ritualen, einschließlich der rituellen Reinigung, verbunden waren. Dieser Zusammenhang lässt erkennen, warum sie an den Taufhandlungen von Johannes interessiert waren. Nach V. 25 nehmen sie die Tauftätigkeit als messianischen Anspruch wahr, was Johannes aber abstreitet. Die Frage, ob Jesus, dessen messianische Ansprüche das Evangelium bestätigt, getauft hat oder nicht, wird in Joh 3,22 und Joh 4,2 jedoch unterschiedlich beantwortet. 1,20 Er bekannte und leugnete nicht, und er bekannte, eine bessere Übersetzung wäre: „er beharrte“; vgl. Joh 9,22, wo dasselbe Verb verwendet wird, um das Bekenntnis zu Jesus als dem Christus zu beschreiben. 1,21 Elia, dessen Himmelfahrt in einem feurigen Wagen (2Kön 2,11) führte zu Spekulationen, dass er am Leben geblieben war und zurückkehren würde, um das messianische Zeitalter anzukündigen (vgl. Mal 3,23). Es gibt nur wenig konkrete Hinweise darauf, dass dies ein weit verbreiteter Glaube im Judentum des zweiten Tempels war. Elias Rolle als messianischer Vorbote wird bei Justin (dial. 8,4; 49,1) erörtert sowie in einer Baraita (ein vortalmudischer, aber nicht mischnischer Ausspruch, der im Talmud zitiert wird) in bEr 43a–b: Diese deutet im Kontext einer Diskussion darüber, ob ein Nasiräer am Sabbat und an Feiertagen Wein trinken darf, an, dass der Ankunft des Messias eventuell die Wiederkunft Elias vorausgeht. Der Prophet, vielleicht ein Verweis auf den erwarteten „Propheten wie Mose“ (Dtn 18,15–18; vgl. 1Makk 4,46; 14,41; 1QS 9,11). Diese Befragung könnte eine Polemik gegen diejenigen widerspiegeln, die in Johannes dem Täufer den Messias sahen. 1,23 Das Zitat aus Jes 40,30 stammt eher aus der Septuaginta (LXX), wo „in der Wüste“ die „Stimme“ näher bestimmt, als aus dem hebräischen Text (MT), wo der Ausdruck den „Weg“ des Herrn konkretisiert. Vgl. Mt 3,1–3; Mk 1,2–5; vgl. auch Lk 1,16–17. 1,24 Pharisäer, eine Gruppe, die auf kommunaler Ebene über Befugnisse verfügte; Josephus weist sie als eine der vier Hauptgruppen jüdischen Denkens vor der Tempelzerstörung 70 u.Z. aus (Ant. 18,12–15). Vgl. „Strömungen innerhalb des Judentums in neutestamentlicher Zeit“. 1,25 Taufst, Wasser wurde für Reinigungsrituale verwendet (z.B. Ex 19,10; Lev 14,8; Ez 36,25). Auch wenn die Rede von Reinheit und Unreinheit teilweise auf Fragen der Moral bezogen wird, verweist kein jüdischer Text eindeutig auf ein Tauchbad als „Reinwaschung“ von Sünde. 1,28 Betanien, eine Stadt in Transjordanien, von der nichts erhalten ist; nicht gemeint ist hier die judäische Stadt, die in Joh 11,18 erwähnt wird. 1,29 Lamm, möglicherweise eine Anspielung auf das Pesachopfer (Ex 12); auch das apokalyptische Lamm (TestJos 19,8) oder der leidende Gottesknecht (Jes 53) könnten im Blick sein; in jedem Fall wohnt der Bezeichnung eine erlösende und eschatologische Bedeutung inne, wie sie mit Pesach assoziiert wird. Das der Welt Sünde trägt, die Verwendung des Singulars (Sünde) und nicht des Plurals (Sünden) verweist auf die erlösende Funktion des „Lamm Gottes“, den sündhaften Zustand der Welt zu beseitigen (im Unterschied zur Beseitigung der Folgen aller individuell begangenen Vergehen). Der Umstand, dass das Pesachopfer im biblischen Recht nicht als „Sündopfer“ gilt, hat den Evangelisten nicht davon abgehalten, in diesem Abschnitt die Lamm-Metaphorik mit der Erlösung von Sünde zu verbinden. 1,30 Eher als ich, eine Anspielung auf die Präexistenz Jesu, das im Prolog hervorgehobene Motiv. 1,31 Israel, das Volk Israel; bei Johannes eine positive Bezeichnung, die die „Kinder Gottes“ meint, die Gott durch seinen Sohn kennen (Joh 1,18). 1,32 Im Gegensatz zu den synoptischen Evangelien (Mt 3,13–17; Mk 1,9–11; Lk 3,21–22) beschreibt Johannes nicht die Taufe Jesu, sondern nur die Erinnerung des Täufers an das Herabkommen der Taube. Taube, in neutestamentlichen Tauferzählungen wird die Taube mit dem Heiligen Geist assoziiert. Archäologische Funde deuten darauf hin, dass der Ursprung dieser Verbindung auf antike Vorstellungen im Nahen Osten zurückgehen könnte, wonach die Taube Göttinnen repräsentierte. Keine der Bezugnahmen auf Tauben im Tanach (vgl. z.B. Gen 8; Jes 60,8; Ps 68,14; Hld 2,14) bringt sie mit dem heiligen Geist in Verbindung, im Gegensatz zu manchen frühchristlichen Verweisen wie in Protev 8,2, wo berichtet wird, dass die junge Maria wie eine Taube gefüttert wurde. 1,33 Der mit dem Heiligen Geist tauft, mit kleinen Unterschieden in der Formulierung, findet sich dieser Satz auch in den synoptischen Taufberichten; vielleicht wurde er benutzt, um die Überlegenheit Jesu gegenüber Johannes dem Täufer auszudrücken. 1,34 Gottes Sohn, der häufigste christologische Hoheitstitel im Johannesevangelium, der Jesus als einzigartigen Sohn Gottes darstellt, der seinen Willen tut (Joh 5,30) und als sein Gesandter fungiert (z.B. Joh 6,38). In Ex 4,22–23 bezeichnet Gott das gesamte Israel als „mein […] Sohn“ (vgl. auch Hos 11,1). In Hiob 1,6 und 38,7 bezieht sich die Bezeichnung „Gottessöhne“ auf Engel.
35 Am nächsten Tag stand Johannes abermals da und zwei seiner Jünger; 36 und als er Jesus vorübergehen sah, sprach er: Siehe, das ist Gottes Lamm! 37 Und die zwei Jünger hörten ihn reden und folgten Jesus nach. 38 Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und sprach zu ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sprachen zu ihm: Rabbi – das heißt übersetzt: Meister[*] –, wo wirst du bleiben? 39 Er sprach zu ihnen: Kommt und seht! Sie kamen und sahen‘s und blieben diesen Tag bei ihm. Es war aber um die zehnte Stunde.
40 Einer von den zweien, die Johannes gehört hatten und Jesus nachgefolgt waren, war Andreas, der Bruder des Simon Petrus. 41 Der findet zuerst seinen Bruder Simon und spricht zu ihm: Wir haben den Messias gefunden, das heißt übersetzt: der Gesalbte. 42 Und er führte ihn zu Jesus. Als Jesus ihn sah, sprach er: Du bist Simon, der Sohn des Johannes; du sollst Kephas heißen, das heißt übersetzt: Fels.
43 Am nächsten Tag wollte Jesus nach Galiläa ziehen und findet Philippus und spricht zu ihm: Folge mir nach! 44 Philippus aber war aus Betsaida, der Stadt des Andreas und des Petrus. 45 Philippus findet Nathanael und spricht zu ihm: Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn, aus Nazareth. 46 Und Nathanael sprach zu ihm: Was kann aus Nazareth Gutes kommen! Philippus spricht zu ihm: Komm und sieh!
47 Jesus sah Nathanael kommen und sagt von ihm: Siehe, ein rechter Israelit, in dem kein Falsch ist. 48 Nathanael spricht zu ihm: Woher kennst du mich? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, habe ich dich gesehen. 49 Nathanael antwortete ihm: Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel! 50 Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du glaubst, weil ich dir gesagt habe, dass ich dich gesehen habe unter dem Feigenbaum. Du wirst noch Größeres sehen als das. 51 Und er spricht zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren über dem Menschensohn.
Joh 1,35–51 Die Berufung der Jünger 1,35 Zwei seiner Jünger, einer der beiden ist Andreas (V. 40); der andere wird häufig als der Lieblingsjünger identifiziert. 1,36 Gottes Lamm, vgl. Anm. zu 1,29. 1,38 Was sucht ihr?, eine johanneische Zweideutigkeit: Auf den ersten Blick handelt es sich um eine selbstverständliche Frage, wenn jemand erkennt, dass Menschen ihm nachfolgen. Daneben ist es ein Verweis auf eine geistliche Suche, die schon an ihr Ziel gekommen ist, ohne dass dies bereits erkannt wurde. Vgl. die ähnliche Formulierung in Joh 20,15. Rabbi, hebr. für „mein Lehrer“. 1,41 Messias, die gr. Transkription des aram. meschichach, übers. „Gesalbter“; die gr. Übersetzung ist christos (Christus). Die transkribierte Variante Messias findet sich noch in Joh 4,25, sonst aber nirgends im NT. 1,42 Kephas, aram. für „Fels“; Petrus, von gr. petros, bedeutet auch „Fels“; vgl. Mt 16,18. 1,44 Betsaida, nahe am Galiläischen Meer. Obwohl es im Evangelium klingt, als sei Betsaida in Galiläa, lag es tatsächlich in Gaulanitis, einem Gebiet, das vom Tetrarchen Philippos kontrolliert wurde. Die Bezeichnung bei Johannes könnte den volkstümlichen Gebrauch widerspiegeln, wie er auch bei Ptolemäus in seiner Geographia Hyphegesis (V. 16,4) überliefert wird. 1,45 Mose […] die Propheten, Philippus deutet an, er habe ebenso wie andere nach einem Messias gesucht, der die Prophezeiungen der Tora und Propheten erfüllen würde. Es könnte sich um einen Verweis auf den „Mose-gleichen Propheten“ von Dtn 18,15–18, den Menschensohn (Dan 7,13; 8,17) und/oder Elia (vgl. Anm. zu 1,21) handeln. Josefs Sohn, vgl. Joh 6,42; Mt 1,23. Eine Jungfrauengeburt wird nicht angedeutet. 1,46 Nazareth, ein kleines Dorf, ca. 26 km westlich vom Galiläischen Meer. 1,47 Israelit, der Israelit erkennt Jesus als seinen König (V. 49). Kein Falsch, eine Anspielung auf Jakob, der auch als Israel bekannt ist (Gen 32,28–29) und auf betrügerische Art an die Stelle seines Zwillingsbruders Esau getreten ist, um den Segen seines Vaters Isaak zu erhalten (Gen 27,35). 1,48 Feigenbaum, wird sowohl mit Überfluss als auch dem Eschaton in Verbindung gebracht. In späteren Quellen bezeichnet „Feigensammeln“ das Lernen (offenbar, weil der Baum der Erkenntnis [Gen 3] für einen Feigenbaum gehalten wurde [bBer 40a]). 1,49 Gottes Sohn […] König von Israel, die Titel werden als Synonyme behandelt; die Metapher der Adoption wird in Ps 2,6–7 verwendet, um die Beziehung des Königs zu Gott zu beschreiben. 1,51 Wahrlich, Wahrlich, wörtl. amen, amen (hebr. amen, „so sei es“; „es ist wahr“), eine Wendung, die zur Verstärkung benutzt wurde (Joh 3,3.5.11; 5,19.24–25; 6,26.32.47.53; 8,34 usw.). Biblische und nachbiblische Vorkommen des doppelten „Amen“ finden sich in Num 5,22; Ps 41,14; 72,19; 89,53; Neh 8,6; Jdt 13,20 und in den Schriften vom Toten Meer (z.B. 1QS 1,20; 4Q286 f7 i:7), wo es auch eine liturgische Funktion gehabt haben könnte. Menschensohn, vgl. Ez 2,1 (hebr. ben adam); Dan 7,13 (bibl. Aram.: bar enosch; andere aram. Formen sind bar nasch und bar nascha); eine kosmisch-messianische Figur, die eng mit der apokalyptischen Eschatologie verbunden war. Engel […] herabfahren, eine Anspielung auf Jakobs Traum (Gen 28,12) und eine Andeutung, dass Jesus die Leiter ist, die Himmel und Erde verbindet.
1 Und am dritten Tage war eine Hochzeit zu Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. 2 Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen.
3 Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. 4 Jesus spricht zu ihr: Was habe ich mit dir zu schaffen, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. 5 Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut. 6 Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maß[*].
7 Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan. 8 Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt‘s dem Speisemeister! Und sie brachten‘s ihm. 9 Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste, woher er kam – die Diener aber wussten‘s, die das Wasser geschöpft hatten –, ruft der Speisemeister den Bräutigam 10 und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie trunken sind, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückgehalten. 11 Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat. Es geschah zu Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.
12 Danach zog er hinab nach Kapernaum, er, seine Mutter, seine Brüder und seine Jünger, und sie blieben nur wenige Tage dort.
Joh 2,1–12 Jesu erstes Zeichen: Die Hochzeit zu Kana 2,1 Am dritten Tage, lässt die Auferstehung vorausahnen, ebenso wie auch die Hochzeit auf das messianische Festmahl anspielt. Kana, ein Dorf in Galiläa, ca. 15 km nördlich von Nazareth. Mutter Jesu, das Evangelium nennt Jesu Mutter nie bei ihrem Namen. 2,3 Ihre Aussage lässt vermuten, dass sie von Jesus erwartet, das Problem zu lösen, wenngleich der Grund ihrer Annahme nicht erklärt wird. 2,4 Frau, eine ungewöhnliche und unhöfliche Weise, seine eigene Mutter anzusprechen. An anderen Stellen leitet Jesus so Offenbarungen ein (Joh 4,21; 19,26; 20,13.15). Diese Form der Anrede lässt auf eine gewisse Distanz zwischen Jesus und seiner Mutter schließen, die im Kontrast zur hohen Bedeutung der Vater-Sohn Beziehung steht, die dieses Evangelium betont. Stunde, von Jesu Tod und Verherrlichung (Joh 13,1); vielleicht verweist diese Stelle auch auf die Zeit, in der Jesu wahre Bedeutung für die Menschheit vollkommen offenbar werden wird (wie in Joh 16,25). 2,6 Reinigung nach jüdischer Sitte, die rituelle Handwaschung vor der Mahlzeit (vgl. bBer 53b; bSchab 62b). 2,7 Füllt die Wasserkrüge, da sie wieder aufgefüllt werden mussten, hatte die Waschung wahrscheinlich schon stattgefunden. Das Fassungsvermögen der Krüge signalisiert eine große Zahl an Gästen. 2,9 Bräutigam, eine zweideutige Aussage, die sich auf den Bräutigam der Hochzeit beziehen oder auf Jesus als eschatologischen Bräutigam anspielen könnte. (vgl. Joh 3,29). 2,11 Das erste Zeichen, ein mögliches Indiz einer „Zeichenquelle“ (Joh 2,23; 3,2; 4,48.54; 6,14; 10,41; 12,18; 20,30). Herrlichkeit, vgl. Joh 1,14. 2,12 Kapernaum, eine Stadt am nordwestlichen Ufer des Galiläischen Meeres. Brüder, vgl. Joh 7,3, 20,17; 21,23; Mk 6,3.
13 Und das Passafest der Juden war nahe, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem. 14 Und er fand im Tempel die Händler, die Rinder, Schafe und Tauben verkauften, und die Wechsler, die da saßen. 15 Und er machte eine Geißel aus Stricken und trieb sie alle zum Tempel hinaus samt den Schafen und Rindern und schüttete den Wechslern das Geld aus und stieß die Tische um 16 und sprach zu denen, die die Tauben verkauften: Tragt das weg und macht nicht meines Vaters Haus zum Kaufhaus! 17 Seine Jünger aber dachten daran, dass geschrieben steht (Psalm 69,10): »Der Eifer um dein Haus wird mich fressen.«
18 Da antworteten nun die Juden und sprachen zu ihm: Was zeigst du uns für ein Zeichen, dass du dies tun darfst? 19 Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Brecht diesen Tempel ab und in drei Tagen will ich ihn aufrichten. 20 Da sprachen die Juden: Dieser Tempel ist in sechsundvierzig Jahren erbaut worden, und du willst ihn in drei Tagen aufrichten? 21 Er aber redete von dem Tempel seines Leibes. 22 Als er nun auferstanden war von den Toten, dachten seine Jünger daran, dass er dies gesagt hatte, und glaubten der Schrift und dem Wort, das Jesus gesagt hatte.
23 Als er aber in Jerusalem war beim Passafest, glaubten viele an seinen Namen, da sie die Zeichen sahen, die er tat. 24 Aber Jesus vertraute sich ihnen nicht an; denn er kannte sie alle 25 und bedurfte nicht, dass jemand Zeugnis gäbe vom Menschen; denn er wusste, was im Menschen war.
Joh 2,13–25 Jesu Vollmacht über den Tempel Vgl. Mt 21,17; Mk 11,15–19; Lk 19,45–48. In den anderen Evangelien wird dieser Vorfall am Ende von Jesu Wirken erzählt. 2,13 Passafest, das einwöchige Pilgerfest im Frühjahr, das den Exodus aus Ägypten und die Gerstenernte feiert (Ex 12,1–18), steht in engem Zusammenhang mit Befreiung und Erlösung sowie der Vergangenheit und der Zukunft. Der Juden, eine Redundanz, aus der sich vermutlich schließen lässt, dass einigen aus der johanneischen Leserschaft grundlegende Kenntnisse des Judentums fehlen. 2,14 Rinder, Schafe und Tauben, am Tempel wurden Tiere ohne Makel, die damit für das Opfer freigegeben waren, verkauft. Wechsler, wechselten ausländische Währungen in den halben Schekel, der für die Tempelsteuer erforderlich war (Ex 30,11–16). 2,15 Geißel aus Stricken, die Erwähnung dieser Waffe findet sich nur bei Johannes. 2,16 Meines Vaters Haus, d.h. den Tempel. Es könnte sich um eine verschleierte Polemik gegen die Priester handeln, da Jesus seine Identität als Sohn Gottes geltend macht und sich damit als derjenige präsentiert, in dessen Zuständigkeitsbereich die Rechtsprechung in seines „Vaters Haus“ fällt. Kaufhaus, wörtl. ein „Haus des Markts“ als Gegensatz zu meines Vaters Haus. 2,17 Ps 69,10; bei Johannes wird das Verb des Zitats ins Futur gesetzt, was mit dem futurischen Verständnis der Jünger übereinstimmt; vgl. Joh 2,22. 2,18 Die Juden, könnte ein Beispiel eines generischen Plurals sein, der sich auf eine bestimmte Gruppe – etwa die Tempelelite – bezieht; die Parallelstellen der synoptischen Evangelien nennen explizit die Hohenpriester, Schriftgelehrten und Oberen (Mt 21,15; Mk 11,18; Lk 19,47). Was […] für ein Zeichen, eine Infragestellung der Vollmacht Jesu. 2,19 Brecht diesen Tempel ab […], spielt auf die Tradition der Tempelkritik an (Joh 4,21; vgl. auch Jer 7,1–15; 26,2–10; Ez 10,18–19; Apg 7,48) und führt das Motiv der Jurisdiktion Jesu über den Tempel fort. In drei Tagen will ich ihn aufrichten, ein proleptischer Verweis auf die Auferstehung. 2,20 Sechsundvierzig Jahre, Josephus berichtet, dass der Bau des Tempels im achtzehnten Jahre der Herrschaft von Herodes dem Großen begann (20/19 v.u.Z.; Ant. 15,380) und unter dem römischen Statthalter Albinus im Jahr 64 u.Z. vollendet wurde (Ant. 20,219). Da man annimmt, dass Jesus ungefähr dreißig Jahre früher gestorben war, stützt diese Zeitangabe die allgemeine Annahme, dass das Evangelium in die Zeit nach 70 u.Z. zu datieren ist. 2,21 Tempel seines Leibes, ein proleptischer Verweis auf die Kreuzigung und Auferstehung, als Zerstörung und Wiederherstellung von Jesu Körper. Zugleich klingt das johanneische Motiv an, dass Jesus selbst seit seiner Ankunft die Funktion des Tempels in Jerusalem ausfüllt, der bis dahin als Ort der direktesten Begegnung mit dem Göttlichen galt. 2,22 Schrift, vielleicht ein Verweis auf die Schrift allgemein, oder auf eine besondere Schriftstelle wie etwa Ps 69,10, der vorher zitiert wurde. Das Wort, das Evangelium behandelt die Prophezeiungen Jesu auf dieselbe Art, wie es auch die Zitate aus der Schrift behandelt, und spricht ihnen damit die gleiche Autorität zu. 2,23 Sein Name, Ausdruck seines wahren Wesens und seiner wahren Macht. Zeichen, ein allgemeiner Verweis auf Taten Jesu, die im Evangelium nicht aufgeführt werden (Joh 20,30 gibt zu verstehen, dass das Evangelium ein selektiver Bericht ist). 2,24 Vertraute sich ihnen nicht an, er verlässt sich nicht darauf, dass andere für seine Vollmacht bürgen. 2,25 Bedurfte nicht, dass jemand Zeugnis gäbe, die forensische Sprache, die sich auf das Zeugnis von Zeugen bezieht, erinnert an das Motiv von Gott als Richter. Er wusste, Jesu Vorauswissen (vgl. Joh 1,48; 4,17–18; 6,70).