Читать книгу Das Neue Testament - jüdisch erklärt - Группа авторов - Страница 65
Оглавление1 Er rief aber die Zwölf zusammen und gab ihnen Gewalt und Macht über alle Dämonen und dass sie Krankheiten heilen konnten 2 und sandte sie aus, zu predigen das Reich Gottes und zu heilen die Kranken. 3 Und er sprach zu ihnen: Ihr sollt nichts mit auf den Weg nehmen, weder Stab noch Tasche noch Brot noch Geld; es soll auch einer nicht zwei Hemden haben. 4 Und wo ihr in ein Haus geht, da bleibt und von dort zieht weiter. 5 Und wenn sie euch nicht aufnehmen, dann geht fort aus dieser Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen zum Zeugnis gegen sie. 6 Und sie gingen hinaus und zogen von Dorf zu Dorf, predigten das Evangelium und heilten an allen Orten.
Lk 9,1–6 Die Aussendung der Apostel (Mt 10,1–14; Mk 6,6b–13) 9,3 Nichts mitnehmen, Apostel sind allein auf Gott und diejenigen angewiesen, denen sie dienen. 9,5 Schüttelt den Staub [ab], deutet an, dass sie nicht für das Schicksal der Ungastlichen verantwortlich sind. 9,6 Evangelium, vgl. Anm. zu 1,19.
7 Es kam aber vor Herodes, den Landesfürsten, alles, was geschah; und er wurde unruhig, weil von einigen gesagt wurde: Johannes ist von den Toten auferweckt worden; 8 von einigen aber: Elia ist erschienen; von anderen aber: Einer von den alten Propheten ist auferstanden. 9 Und Herodes sprach: Johannes, den habe ich enthauptet; wer ist aber dieser, über den ich solches höre? Und er begehrte ihn zu sehen.
Lk 9,7–9 Die Vermutung des Herodes (Mt 14,1–2; Mk 6,14–16) Herodes [Antipas], vgl. Anm. zu 3,1. 9,8 Elia, vgl. Anm. zu 1,17; vgl. auch Lk 9,18–19. Propheten, vielleicht ein Verweis auf Dtn 18,15, wobei „erwecken“ als Erweckung der Toten verstanden wurde. 9,9 Johannes, den habe ich enthauptet, vgl. Mk 6,17–29 (Lukas schildert die Hinrichtung des Johannes nicht). Er begehrte ihn zu sehen, vgl. Lk 23,7–12.
10 Und die Apostel kamen zurück und erzählten Jesus, wie große Dinge sie getan hatten. Und er nahm sie zu sich und zog sich mit ihnen allein in eine Stadt zurück, die heißt Betsaida. 11 Als die Menge das merkte, zog sie ihm nach. Und er ließ sie zu sich und sprach zu ihnen vom Reich Gottes und machte gesund, die der Heilung bedurften. 12 Aber der Tag fing an, sich zu neigen. Da traten die Zwölf zu ihm und sprachen: Lass das Volk gehen, dass sie hingehen in die Dörfer und Höfe ringsum und Herberge und Essen finden; denn wir sind hier an einer einsamen Stätte. 13 Da sprach er zu ihnen: Gebt ihr ihnen zu essen. Sie aber sprachen: Wir haben nicht mehr als fünf Brote und zwei Fische, es sei denn, dass wir hingehen sollen und für dieses ganze Volk Essen kaufen. 14 Denn es waren etwa fünftausend Männer. Er sprach aber zu seinen Jüngern: Lasst sie sich lagern in Gruppen zu je fünfzig. 15 Und sie taten das und ließen alle sich lagern.
Lk 9,10–11 Rückkehr der Jünger Vgl. Mk 6,30–31; Mt 14,12–13. 9,10 Betsaida, nördlich des Galiläischen Meeres.
16 Da nahm er die fünf Brote und zwei Fische und sah auf zum Himmel und segnete sie, brach die Brote und gab sie den Jüngern, dass sie dem Volk austeilten. 17 Und sie aßen und wurden alle satt; und es wurde aufgesammelt, was ihnen an Brocken übrig blieb, zwölf Körbe voll.
Lk 9,12–17 Die Speisung der Fünftausend (Mt 14,15–21; Mk 6,35–44; Joh 6,5–14) Vgl. 2Kön 4,43–44. 9,14 Fünftausend Männern, Mt 14,21 fügt hinzu, dass die Zahl „Fünftausend“ Frauen und Kinder noch nicht einschloss. 9,16 Segnete, rabbinische Quellen berichten von einem traditionell-jüdischen Segen vor dem Essen (bBer 48b; BemR 20,21); der Brotsegen (birkat ha-mozi’) basiert auf Ps 104,14. Die Szene antizipiert Lk 22,17–20. 9,17 Zwölf Körbe, vielleicht eine Anspielung auf die zwölf Stämme Israels. Lukas berichtet von einem übernatürlichen Geschehen, das mit der Mannagabe verglichen werden kann (Ex 16; 2Kön 4,43–44; vgl. Joh 6,31; bJom 75a über die Suffizienz des Manna), und nicht einfach nur vom gemeinschaftlichen Teilen des Essens durch die Menge.
18 Und es begab sich, als Jesus allein betete, waren seine Jünger bei ihm; und er fragte sie und sprach: Wer, sagen die Leute, dass ich sei? 19 Sie antworteten und sprachen: Sie sagen, du seiest Johannes der Täufer; andere aber, du seiest Elia; andere aber, es sei einer der alten Propheten auferstanden. 20 Er aber sprach zu ihnen: Ihr aber, wer sagt ihr, dass ich sei? Da antwortete Petrus und sprach: Du bist der Christus Gottes!
Lk 9,18–20 Das Bekenntnis des Petrus (Mt 16,13–19; Mk 8,27–29) 9,19 Johannes […] Elia […] alte Propheten, zählen zu den vielen messianischen Gestalten; vgl. „Messianische Bewegungen“. 9,20 Christus Gottes, gr. ho christos tou theou, übers. „der Gesalbte Gottes“.
21 Er aber bedrohte sie und gebot ihnen, dass sie das niemandem sagen sollten, 22 und sprach: Der Menschensohn muss viel leiden und verworfen werden von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und am dritten Tage auferstehen.
Lk 9,21–22 Die erste Passionsankündigung (Mt 16,20–21; Mk 8,30–31) 9,21 Niemandem sagen, das Messiasgeheimnis (vgl. Anm. zu 5,14). 9,22 Menschensohn, vgl. Anm. zu 5,24. Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten, die jüdische Führungsriege. Getötet werden, die passive Formulierung entlastet Pilatus auf subtile Weise. Im jüdischen Denken der damaligen Zeit begegnet die Vorstellung eines leidenden Messias nur selten.
23 Da sprach er zu allen: Wer mir folgen will, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach. 24 Denn wer sein Leben erhalten will, der wird es verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen, der wird‘s erhalten. 25 Denn welchen Nutzen hätte der Mensch, wenn er die ganze Welt gewönne und verlöre sich selbst oder nähme Schaden an sich selbst?
26 Wer sich aber meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich der Menschensohn auch schämen, wenn er kommen wird in seiner Herrlichkeit und der des Vaters und der heiligen Engel. 27 Ich sage euch aber wahrlich: Einige von denen, die hier stehen, die werden den Tod nicht schmecken, bis sie das Reich Gottes sehen.
Lk 9,23–27 Nachfolge (Mt 16,24–28; Mk 8,34–9,1) 9,23 Verleugne sich selbst, vgl. Anm. zu 5,11. Nehme sein Kreuz auf sich, handle gerecht, auch wenn dies das Risiko einer schweren Vergeltung nach sich zieht. Täglich, Nachfolge ist ein dauerhafter Zustand; den markinischen Fokus auf das Todesrisiko verlagert Lukas und hebt die Selbstverleugnung stärker hervor (Lk 5,11; 8,21; 9,61). 9,26 Menschensohn, vgl. Anm. zu 5,24. [Er wird kommen] in seiner Herrlichkeit, verweist auf die Zeit nach Jesu Tod, Auferstehung und Himmelfahrt (Lk 24,51), auf die „Wiederkunft Christi“ und das Jüngste Gericht. In jüdischer Tradition sind die Ankunft des Messias und das messianische Zeitalter miteinander verbunden, weshalb sie keine „zweite“ Wiederkunft kennt. 9,27 Den Tod nicht schmecken, bezieht sich wohl auf die, die Jesu Auferstehung oder den Erfolg der Mission miterleben; vgl. Lk 21,31.
28 Und es begab sich etwa acht Tage nach diesen Reden, dass er mit sich nahm Petrus, Johannes und Jakobus und ging auf einen Berg, um zu beten. 29 Und als er betete, wurde das Aussehen seines Angesichts ein anderes, und sein Gewand wurde weiß und glänzte. 30 Und siehe, zwei Männer redeten mit ihm; das waren Mose und Elia. 31 Die erschienen in himmlischer Klarheit und redeten von seinem Ende, das er in Jerusalem erfüllen sollte.
32 Petrus aber und die mit ihm waren, waren voller Schlaf. Als sie aber aufwachten, sahen sie seine Klarheit und die zwei Männer, die bei ihm standen. 33 Und es begab sich, als sie von ihm schieden, sprach Petrus zu Jesus: Meister, hier ist für uns gut sein! Lasst uns drei Hütten bauen, dir eine, Mose eine und Elia eine. Er wusste aber nicht, was er redete. 34 Als er aber dies redete, kam eine Wolke und überschattete sie; und sie erschraken, als sie in die Wolke hineinkamen. 35 Und es geschah eine Stimme aus der Wolke, die sprach: Dies ist mein auserwählter Sohn; den sollt ihr hören!
36 Und als die Stimme geschah, fanden sie Jesus allein. Und sie schwiegen und verkündeten in jenen Tagen niemandem, was sie gesehen hatten.
Lk 9,28–36 Die Verklärung (Mt 17,1–9; Mk 9,2–10) 9,28 Acht Tage, im jüdischen Denken wird der Zeitraum von acht Tagen mit der Beschneidung assoziiert (Gen 17,12; 21,4; Lev 12,3), während er hier vielleicht die Auferstehung Jesu am „ersten Tag“ nach der alten Woche antizipiert. Petrus, Johannes und Jakobus, vgl. Anm. zu 8,51. Um zu beten, vgl. Anm. zu 3,21. 9,29 Angesicht, vgl. Ex 34,29–34. Glänzte, deutet eine mystische Erfahrung an (Ex 34,29–35; vgl. auch Dan 12,3). 9,30 Mose und Elia, es ist eher unwahrscheinlich, dass sie Tora (Pentateuch) und Nevi’im (Propheten) repräsentieren; überzeugender ist die Annahme, dass sie für die zwei herausragenden Propheten Israels stehen, die beide Ablehnung erfahren haben. 9,31 Klarheit, vgl. Anm. zu 2,9. Ende, gr. exodus, übers. „Weg hinaus“, was sich auf Jesu Tod, Auferstehung und Himmelfahrt bezieht. 9,32 Schlaf, nimmt Lk 22,45 vorweg. 9,33 Hütten, „Zelte“ oder „Zeltheiligtum“. Er wusste aber nicht, Petrus wünscht sich, dass Mose und Elia noch bleiben. 9,34 Wolke, ein Anzeichen göttlicher Präsenz (z.B. Ex 13,21–22). 9,35 Stimme, vgl. Anm. zu 3,22. Auserwählter, vgl. Jes 42,1; die jüdische Tradition bezeugt das Volk Israel als Auserwählte Gottes (Gen 18,19; Dtn 7,6; Jes 43,20; Ps 33,12; 89,20; 105,6; 1Chr 16,13 u.a.). Bezüglich der Auserwählung des Volkes durch Gott vgl. z.B. Neh 9,7 (Abraham). Den sollt ihr hören, vgl. Dtn 18,15 bezüglich des Propheten wie Mose.
37 Es begab sich aber am nächsten Tag, als sie von dem Berg herabkamen, da kam ihm eine große Menge entgegen. 38 Und siehe, ein Mann aus der Menge rief: Meister, ich bitte dich, sieh doch nach meinem Sohn; denn er ist mein einziger Sohn. 39 Siehe, ein Geist ergreift ihn, und plötzlich schreit er, und er reißt ihn hin und her, dass er Schaum vor dem Mund hat, und lässt kaum von ihm ab und reibt ihn ganz auf. 40 Und ich habe deine Jünger gebeten, dass sie ihn austrieben, und sie konnten es nicht. 41 Da antwortete Jesus und sprach: O du ungläubiges und verkehrtes Geschlecht, wie lange soll ich bei euch sein und euch erdulden? Bring deinen Sohn her!
42 Und da er zu ihm kam, riss ihn der Dämon zu Boden und zerrte ihn hin und her. Jesus aber bedrohte den unreinen Geist und machte den Knaben gesund und gab ihn seinem Vater wieder. 43 Und sie entsetzten sich alle über Gottes große Macht.
Als sie sich aber alle verwunderten über alles, was er tat, sprach er zu seinen Jüngern: 44 Lasst diese Worte in eure Ohren dringen; denn der Menschensohn wird überantwortet werden in die Hände der Menschen. 45 Sie aber verstanden dieses Wort nicht, und es war vor ihnen verborgen, sodass sie es nicht begriffen. Und sie fürchteten sich, ihn nach diesem Wort zu fragen.
Lk 9,37–43a Die Heilung des besessenen Knaben (Mt 17,14–21; Mk 9,14–29) 9,38 Einziger Sohn, vgl. Anm. zu 8,42. 9,40 Ich habe deine Jünger gebeten, vgl. 2Kön 4,31, wo Gehasi, der Knecht Elisas, es nicht vermag, ein Kind aufzuerwecken, aber Elisa Erfolg hat. 9,41 Ungläubiges und verkehrtes Geschlecht, erinnert an die Moserede in Dtn 32,5; vgl. auch Lk 7,319,42 Bedrohte, vgl. Lk 4,35.39.41; 8,24.
Lk 9,43b–45 Die zweite Passionsankündigung (Mt 17,22–23; Mk 9,30–32) 9,44 Vgl. Lk 9,22; 17,25; 18,31–34. Menschensohn, vgl. Anm. zu 5,24. 9,45 Es war […] verborgen, vgl. Lk 24,16. Der Glaube an Jesus bedarf göttlicher Hilfe.
46 Es kam aber unter ihnen der Gedanke auf, wer von ihnen der Größte wäre. 47 Da aber Jesus den Gedanken ihres Herzens erkannte, nahm er ein Kind und stellte es neben sich 48 und sprach zu ihnen: Wer dieses Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf; und wer mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesandt hat. Denn wer der Kleinste ist unter euch allen, der ist groß.
Lk 9,46–48 Von wahrer Größe (Mt 18,1–5; Mk 9,33–37) 9,47 Kind, vgl. Anm. zu 8,42. Ein Kind ist von anderen Menschen abhängig.
49 Da antwortete Johannes und sprach: Meister, wir sahen einen, der trieb Dämonen aus in deinem Namen; und wir wehrten ihm, denn er folgt dir nicht nach mit uns. 50 Und Jesus sprach zu ihm: Wehret ihm nicht! Denn wer nicht gegen euch ist, der ist für euch.
Lk 9,49–50 Der unbekannte Exorzist (Mk 9,38–41) 9,49 In deinem Namen, ein Echo von Lk 9,48 und ein Hinweis darauf, dass auch Personen außerhalb des engeren Kreises um Jesus seine Macht und Autorität anerkannten (wenngleich sie den Namen vielleicht für magische Zwecke benutzten). 9,50Wehret ihm nicht, vgl. Num 11,26–29 (Eldad und Medad). Wer nicht gegen euch ist […], dagegen Lk 11,23.
51 Es begab sich aber, als die Zeit erfüllt war, dass er in den Himmel aufgenommen werden sollte, da wandte er das Angesicht, entschlossen, nach Jerusalem zu wandern. 52 Und er sandte Boten vor sich her; die gingen hin und kamen in ein Dorf der Samariter, ihm Herberge zu bereiten. 53 Und sie nahmen ihn nicht auf, weil er sein Angesicht gewandt hatte, nach Jerusalem zu wandern. 54 Als aber das die Jünger Jakobus und Johannes sahen, sprachen sie: Herr, willst du, so wollen wir sagen, dass Feuer vom Himmel falle und sie verzehre. 55 Er aber wandte sich um und bedrohte sie. 56 Und sie gingen in ein anderes Dorf.
Lk 9,52–56 Die Ablehnung durch die Samariter 9,52–53 Vgl. Mt 10,5. Samariter, Bewohner Samarias, der Hauptstadt des Nordreiches Israel, das 722 v.u.Z. durch die Assyrer erobert wurde. Die Samariter entwickelten sich zu einer ethnischen Gruppe, die in Konflikt mit den Judäern stand (Joh 4,9), mit einem rivalisierenden Priestertum, einer eigenen heiligen Stätte (Berg Garizim) und Bibeltradition. Josephus (Ant. 18,29–30) berichtet, dass die Samariter unter Coponius (6–9 u.Z.) während Pesach menschliche Knochen in den Tempel legten, um ihn zu entweihen; er schildert auch (Bell. 2,232–35), dass unter Cumanus (48–52) einige Samariter an der Grenze zwischen Galiläa und Samaria eine große Gruppe von jüdischen Pilgern ermordeten. Als sich Cumanus weigerte einzugreifen, griffen die Judäer ihr Dorf an. Vgl. auch Jos.Ant. 20,118–36. 9,54 Dass Feuer vom Himmel falle, wie bei Elia in 2Kön 1,9–16 und als Anspielung auf die Bestrafung von Sodom und Gomorra (Gen 19) für ihren Mangel an Gastfreundschaft (Ez 16,49); dagegen: Lk 9,3–5. Vgl. „Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter“.
57 Und als sie auf dem Wege waren, sprach einer zu ihm: Ich will dir folgen, wohin du gehst. 58 Und Jesus sprach zu ihm: Die Füchse haben Gruben und die Vögel unter dem Himmel haben Nester; aber der Menschensohn hat nichts, wo er sein Haupt hinlege.
59 Und er sprach zu einem andern: Folge mir nach! Der sprach aber: Herr, erlaube mir, dass ich zuvor hingehe und meinen Vater begrabe. 60 Er aber sprach zu ihm: Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh hin und verkündige das Reich Gottes!
61 Und ein andrer sprach: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Hause sind. 62 Jesus aber sprach zu ihm: Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.
Lk 9,57–62 Die Anforderungen an die Nachfolge (Mt 8,18–22) 9,58 Menschensohn, vgl. Anm. zu 5,24. 9,59 Meinen Vater begrabe, eine notwendige, fromme Handlung durch die Kinder (Tob 4,3; 6,15; bBer 18a); V. 60 deutet an, dass der Vater noch gar nicht tot war. 9,61 Dass ich Abschied nehme, vgl. 1Kön 19,20. Die Trennung von der Geburtsfamilie ist ein Markenzeichen der Lehre Jesu (Lk 5,11; 14,26).
1 Danach setzte der Herr zweiundsiebzig[*] andere ein und sandte sie je zwei und zwei vor sich her in alle Städte und Orte, wohin er gehen wollte, 2 und sprach zu ihnen: Die Ernte ist groß, der Arbeiter aber sind wenige. Darum bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter aussende in seine Ernte.
3 Geht hin; siehe, ich sende euch wie Lämmer mitten unter die Wölfe. 4 Tragt keinen Geldbeutel bei euch, keine Tasche, keine Schuhe, und grüßt niemanden auf der Straße. 5 Wenn ihr in ein Haus kommt, sprecht zuerst: Friede sei diesem Hause! 6 Und wenn dort ein Kind des Friedens ist, so wird euer Friede auf ihm ruhen; wenn aber nicht, so wird sich euer Friede wieder zu euch wenden. 7 In demselben Haus aber bleibt, esst und trinkt, was man euch gibt; denn ein Arbeiter ist seines Lohnes wert. Ihr sollt nicht von einem Haus zum andern gehen.
8 Und wenn ihr in eine Stadt kommt und sie euch aufnehmen, dann esst, was euch vorgesetzt wird, 9 und heilt die Kranken, die dort sind, und sagt ihnen: Das Reich Gottes ist nahe zu euch gekommen. 10 Wenn ihr aber in eine Stadt kommt und sie euch nicht aufnehmen, so geht hinaus auf ihre Straßen und sprecht: 11 Auch den Staub aus eurer Stadt, der sich an unsre Füße gehängt hat, schütteln wir ab auf euch. Doch das sollt ihr wissen: Das Reich Gottes ist nahe herbeigekommen. 12 Ich sage euch: Es wird Sodom erträglicher ergehen an jenem Tage als dieser Stadt.
Lk 10,1–12 Die Aussendung der Zweiundsiebzig (Mt 9,37–38; 10,7–16) 10,1 Zweiundsiebzig, andere Textzeugen überliefern „siebzig“; vgl. Gen 10,2–31 (die LXX zählt zweiundsiebzig Namen auf); Jub 44,34 (die siebzig Nationen der Welt); in der Wüste wurde Mose von den siebzig Ältesten unterstützt (Ex 24,1.9; Num 11,16.24–25). Sandte sie […] vor sich her, vielleicht klingt hier Dtn 1,22–25 an. 10,2 Die Ernte ist groß, vgl. Anm. zu 3,17. 10,4 Tragt keinen Geldbeutel mit euch, vgl. Anm. zu 9,3. Grüßt niemanden, vgl. 2Kön 4,29. 10,5 Friede, ein üblicher Gruß; vgl. Lk 24,36; 1Sam 25,6; Tob 12,17. 10,7 Ein Arbeiter ist seines Lohnes wert, vgl. Dtn 24,15; die Rabbinen der Antike wurden für ihre Lehre nicht bezahlt. 10,8 Esst, was euch vorgesetzt wird, Vorwegnahme von Apg 10. Da ihnen die Völkermission noch nicht aufgetragen wurde, dürfte das Essen der jüdischen Ernährungspraxis entsprochen haben, wobei es nicht notwendiger Weise in Übereinstimmung mit den pharisäischen Normen vorbereitet oder verzehntet worden sein muss. 10,9 Heilt die Kranken, als Nachahmung Jesu und als Zeichen des Königreiches. Die Nachfolger Jesu stellen diese Fähigkeit in der Apostelgeschichte zur Schau (z.B. Apg 3,6–10). 10,11 Staub, vgl. Anm. zu 9,5. 10,12 Sodom, vgl. Gen 19,24–28; für ein vergleichbares Schicksal vgl. Ez 16,45–58; Klgl 4,6.
13 Weh dir, Chorazin! Weh dir, Betsaida! Denn wären solche Taten in Tyrus und Sidon geschehen, wie sie bei euch geschehen sind, sie hätten längst in Sack und Asche gesessen und Buße getan. 14 Doch es wird Tyrus und Sidon erträglicher ergehen im Gericht als euch. 15 Und du, Kapernaum, wirst du bis zum Himmel erhoben werden? Du wirst bis in die Hölle hinabfahren.
16 Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich; wer aber mich verachtet, der verachtet den, der mich gesandt hat.
Lk 10,13–16 Weherufe über unbußfertige Städte (Mt 11,20–24) 10,13 Chorazin, 3 km nördlich von Kapernaum. Betsaida, vgl. Anm. zu 9,10. Tyrus und Sidon, vorwiegend nichtjüdische Städte im Norden Galiläas, die für ihren Reichtum und Stolz bekannt waren (Jes 23; Ez 26–28). Im Gegensatz zu Mk 7 und Mt 15 berichtet Lukas nicht von einer Mission in diesem Gebiet. Sack und Asche, vgl. Jes 58,5; Est 4,1.3; Dan 9,3. 10,15 Kapernaum, vgl. Anm. zu 4,23. Hölle, von gr. hades, vergleichbar mit hebr. scheol (Jes 14; Tob 3,10; 4,19; Weish 1,14 u.a.). Bis zum ersten Jahrhundert u.Z. hatte sich das Konzept der Hölle als Ort der dauerhaften Verdammnis entwickelt. 10,16 Vgl. Mt 10,40.
17 Die Zweiundsiebzig[*] aber kamen zurück voll Freude und sprachen: Herr, auch die Dämonen sind uns untertan in deinem Namen. 18 Er sprach aber zu ihnen: Ich sah den Satan vom Himmel fallen wie einen Blitz. 19 Seht, ich habe euch Macht gegeben, zu treten auf Schlangen und Skorpione, und Macht über alle Gewalt des Feindes; und nichts wird euch schaden. 20 Doch darüber freut euch nicht, dass euch die Geister untertan sind. Freut euch aber, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind.
Lk 10,17–20 Die Zweiundsiebzig kehren zurück (Mt 11,25–27) 10,17 Zweiundsiebzig, vgl. Anm. zu 10,1. 10,18 Ich sah den Satan vom Himmel fallen, eine Visionserfahrung (Joh 12,31; Offb 12,7–12; vgl. Jes 14,12). 10,19 Schlangen und Skorpione, vgl. Ps 90,13[LXX]. Feind, Satan. 10,20 Im Himmel geschrieben, eine antike mesopotamische Vorstellung, die sich u.a. in Ex 32,32; Ps 69,29; Dan 12,1; Offb 3,5; äthHen 47,3; 104,1; Jub 19,9 findet. Vgl. den Gruß zu Rosch ha-Schana: „Mögest du eingeschrieben werden für ein gutes Jahr“.
21 Zu der Stunde freute sich Jesus im Heiligen Geist und rief: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du dies Weisen und Klugen verborgen hast und hast es Unmündigen offenbart. Ja, Vater, so hat es dir wohlgefallen. 22 Alles ist mir übergeben von meinem Vater. Und niemand weiß, wer der Sohn ist, als nur der Vater, noch, wer der Vater ist, als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will.
23 Und er wandte sich zu seinen Jüngern und sprach zu ihnen allein: Selig sind die Augen, die sehen, was ihr seht. 24 Denn ich sage euch: Viele Propheten und Könige wollten sehen, was ihr seht, und haben‘s nicht gesehen, und hören, was ihr hört, und haben‘s nicht gehört.
Lk 10,21–24 Gotteserkenntnis (Mt 11,25–27) 10,21 Im Heiligen Geist, in Gemeinschaft mit Gott, vgl. Anm. zu 1,15. Vater, Herr, Tob 7,17; Jdt 9,12. 10,22 Sohn […] Vater, vgl. Joh 3,35; 10,15; 17,21. Wahre Gotteserkenntnis ist nur Jesus gegeben und kann nur durch ihn erlangt werden. 10,23–24 Vgl. Mt 13,16–17.
25 Und siehe, da stand ein Gesetzeslehrer auf, versuchte ihn und sprach: Meister, was muss ich tun, dass ich das ewige Leben ererbe? 26 Er aber sprach zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du? 27 Er antwortete und sprach: »Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und mit all deiner Kraft und deinem ganzen Gemüt, und deinen Nächsten wie dich selbst« (Deuteronomium 6,5; Levitikus 19,18). 28 Er aber sprach zu ihm: Du hast recht geantwortet; tu das, so wirst du leben.
Lk 10,25–28 Die Infragestellung durch einen Gesetzeslehrer (Mt 22,34–40; Mk 12,28–34; vgl. Lk 18,9–14) 10,25 Gesetzeslehrer, Toraexperten sind für Lukas eine Negativfolie (vgl. Lk 7,30; 11,45–46.52; 14,3). Versuchte, in der Rolle Satans, vgl. Lk 4,2 und Lk 11,16. Ewiges Leben ererben, vgl. mAv 2,7: „Hat einer Worte der Tora erworben, hat er sich das Leben der zukünftigen Welt erworben“. 10,26 Gesetz, Tora (Lk 2,22–24.27.39; 5,17; 16,16–17; 24,44). 10,27 Du sollst den Herrn […] lieben, vgl. Dtn 6,5 (und Jos 22,5). Deinen Nächsten wie dich selbst, vgl. Lev 19,18; das hebr. kamocha, das normalerweise mit „wie dich selbst“ übersetzt wird, könnte auch bedeuten, „der wie du eine Person ist“ (d.h. ein Mitmensch). In BerR 24,7 zu Gen 5,1 sagt R. Aqiva: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, das ist ein wichtiger Grundsatz in der Tora, damit du nicht sprichst: Weil ich verachtet worden bin, so möge auch mein Nächster mit mir verachtet werden, und weil ich verflucht worden bin, so möge auch mein Nächster mit mir verflucht werden“. R. Ben Azzai hingegen verweist auf Gen 5,1 (Schöpfung in der Gottesebenbildlichkeit) und führt dies als grundlegendes Prinzip der Tora an (vgl. Sifra Qedoschim 4,12 zu Lev 19,18 und jNed 9,4/41c). Zur Kombination von Gottes- und Nächstenliebe vgl. Mt 22,38–39; Mk 12,30–33; TestDan 5,3; TestIss 5,2.
29 Er aber wollte sich selbst rechtfertigen und sprach zu Jesus: Wer ist denn mein Nächster? 30 Da antwortete Jesus und sprach: Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem hinab nach Jericho und fiel unter die Räuber; die zogen ihn aus und schlugen ihn und machten sich davon und ließen ihn halb tot liegen.
31 Es traf sich aber, dass ein Priester dieselbe Straße hinabzog; und als er ihn sah, ging er vorüber. 32 Desgleichen auch ein Levit: Als er zu der Stelle kam und ihn sah, ging er vorüber. 33 Ein Samariter aber, der auf der Reise war, kam dahin; und als er ihn sah, jammerte es ihn; 34 und er ging zu ihm, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie ihm, hob ihn auf sein Tier und brachte ihn in eine Herberge und pflegte ihn. 35 Am nächsten Tag zog er zwei Silbergroschen heraus, gab sie dem Wirt und sprach: Pflege ihn; und wenn du mehr ausgibst, will ich dir‘s bezahlen, wenn ich wiederkomme.
36 Wer von diesen dreien, meinst du, ist der Nächste geworden dem, der unter die Räuber gefallen war? 37 Er sprach: Der die Barmherzigkeit an ihm tat. Da sprach Jesus zu ihm: So geh hin und tu desgleichen!
Lk 10,29–37 Das Gleichnis vom barmherzigen Samaritaner Vgl. oben „Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter“. 10,29 Sich selbst rechtfertigen, sich als „im Recht“ zu präsentieren. 10,30 Von Jerusalem hinab nach Jericho, ca. 28 km, mit starkem Gefälle. Räuber, Diebe, keine Freiheitskämpfer (vgl. Lk 19,46; 22,52; Joh 10,8; 18,40; 2Kor 11,26). 10,31 Priester, hebr. kohen, wie z.B. Zacharias (vgl. Lk 1,5). Hinabzog, nicht nach Jerusalem hinauf, wo Reinheit eine besondere Rolle gespielt hätte, sofern er Verbindlichkeiten im Tempel gehabt haben sollte (vgl. Anm. zu 1,9). 10,32 Levit, ein Funktionsträger im Tempel (vgl. z.B. Num 1,50). 10,33 Samariter, vgl. Anm. zu 9,52. Jammerte, oder „Mitleid [haben]“, vgl. Lk 7,13; 15,20. 10,34 Öl, vgl. Jes 1,6. Wein, als Antiseptikum. 10,35 Zwei Silbergroschen, als Übernahme der Übernachtungskosten. Die Symbolik erinnert insgesamt an 2Chr 28,8–15. 10,36 Ist der Nächste geworden, Jesus verändert die ursprüngliche Frage. 10,37 Der, der Gesetzeslehrer kann nicht „Samariter“ sagen.