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Pharisäer bei Lukas

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Die Darstellung der Pharisäer im Lukasevangelium ist außergewöhnlich, in sich inkonsistent und komplex. Positiv hervorzuheben ist zwar, dass Lukas in seinem Passionsbericht keine Pharisäer erwähnt, sie aber als Mitglieder der christlichen Gemeinde nennt (Apg 15,5). Die ersten Worte aber, die er Pharisäern zuschreibt – „Wer ist der, dass er Gotteslästerungen redet?“ (Lk 5,21) – zeigen, dass sie Jesus bestenfalls missverstehen. Als nächstes erscheinen sie missmutig gegen Jesu Jünger, wobei sie Jesus der unangemessenen Tischgemeinschaft bezichtigen (Lk 5,30; ein Punkt, der Lk 15,2 aufgegriffen wird) und die Jünger wegen ihres Versäumnisses, zu fasten, zur Rede stellen (Lk 5,33). In Lk 6,1–5 kritisieren sie die Jünger wegen der Missachtung des Sabbatgebots und in Lk 6,6–11 versuchen Pharisäer, Jesus selbst wegen der Verletzung des Sabbats anzuklagen. Lk 7,29–30 beschreibt, wie die Pharisäer die Taufe des Johannes ablehnen, was für das Lukasevangelium nicht weniger als die Zurückweisung des Heilsplans Gottes bedeutet. In Lk 7,36–50 geht die Geschichte weiter und schildert zusammen mit Lk 11,37–54 und 14,1–24, wie die Pharisäer Jesus zu Tisch einladen. Jedes Mal greift Jesus seine Gastgeber verbal an, z.B. durch die Anklage, sie gehen „vorbei am Recht und an der Liebe Gottes“ (Lk 11,42). Jesus unterweist zudem seine Jünger – in Hörweite von mehreren Tausend Zuhörerinnen und Zuhörern: „Hütet euch vor dem Sauerteig der Pharisäer, das ist die Heuchelei.“ (Lk 12,1)

In Lk 16,14–15 fügt Lukas ein, dass Pharisäer selbstgerecht seien (ein Punkt, der von Lk 18,9–14 untermauert wird) und „am Geld hängen“. Im Gegensatz dazu gesteht Josephus, der selbst kein großere Bewunderer der Pharisäer war, ihnen zu, sie würden „enthaltsam leben und von keinen Annehmlichkeiten wissen“ (Ant. 18,12). Weiterhin schreibt er, „die Sadduzäer [hätten] nur die Reichen, die Pharisäer aber die große Menge des Volkes auf ihrer Seite“ (Ant. 13,298). Angesichts dieser und ähnlicher Aussagen strahlen potenziell neutrale oder gar freundliche Aktionen der Pharisäer in noch leuchtenderen Farben. Wenn „einige Pharisäer“ Jesus warnen, dass Herodes ihm nach dem Leben trachte (Lk 13,31), dann kann man das als Versuch werten, Jesus von seiner Mission abzubringen. Wenn ein Pharisäer fragt, wann das Reich Gottes komme (Lk 17,20–21), kann man das als Missverständnis des Programms Jesu verstehen. Bei ihrem letzten Auftritt im Evangelium (Lk 19,37–40) ermahnen „einige“ Pharisäer Jesus, er solle seine Jünger tadeln, weil sie ihm als König huldigen. Positiv kann man das so verstehen, dass sie fürchten, dass diese Akklamation römische Repressionen zeitigen würde; man kann das aber auch so interpretieren, als wiesen sie die Ansprüche der Jünger zurück.

27 Und danach ging er hinaus und sah einen Zöllner mit Namen Levi am Zoll sitzen und sprach zu ihm: Folge mir nach! 28 Und er verließ alles, stand auf und folgte ihm nach.

Lk 5,27–28 Die Berufung des Levi (Mt 9,9–13; Mk 2,13–17) 5,27 Zöllner, Anm. zu 3,12. 5,28 Verließ alles, vgl. Anm. zu 5,11.

29 Und Levi richtete ihm ein großes Mahl zu in seinem Haus, und viele Zöllner und andre saßen mit ihm zu Tisch. 30 Und die Pharisäer und ihre Schriftgelehrten murrten und sprachen zu seinen Jüngern: Warum esst und trinkt ihr mit den Zöllnern und Sündern? 31 Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken. 32 Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder zur Buße.

33 Sie aber sprachen zu ihm: Die Jünger des Johannes fasten oft und beten viel, ebenso die Jünger der Pharisäer; aber deine Jünger essen und trinken. 34 Jesus sprach aber zu ihnen: Könnt ihr denn die Hochzeitsgäste fasten lassen, solange der Bräutigam bei ihnen ist? 35 Es wird aber die Zeit kommen, dass der Bräutigam von ihnen genommen ist; dann werden sie fasten, in jenen Tagen.

36 Und er sagte zu ihnen ein Gleichnis: Niemand reißt einen Lappen von einem neuen Kleid und flickt ihn auf ein altes Kleid; sonst zerreißt man das neue und der Lappen vom neuen passt nicht auf das alte. 37 Und niemand füllt neuen Wein in alte Schläuche; sonst zerreißt der neue Wein die Schläuche und wird verschüttet, und die Schläuche verderben. 38 Sondern neuen Wein soll man in neue Schläuche füllen. 39 Und niemand, der vom alten Wein trinkt, will neuen; denn er spricht: Der alte ist milder.

Lk 5,29–39 Die Mahlgemeinschaft (Mt 9,14–17; Mk 2,18–22) Vgl. „Speisen und Mahlgemeinschaft“. 5,29 Großes Mahl, ein Schauplatz von Unterweisungen (Lk 7,36; 10,38; 11,37; 14,1.7.12.15) und eine Anspielung auf die förmlichen Gastmähler der Griechen, die als „Symposien“ bekannt sind. 5,33 Fasten, hier um der spirituellen Zucht willen; Tacitus (hist. 5,4) meint, dass Fasten eine eindeutig jüdische Aktivität sei. 5,34–35 Bräutigam, eine häufige (Selbst-)Bezeichnung Jesu (Joh 3,29); vgl. Jes 62,5; im Begriff schwingen verschiedene Aspekte mit, wie etwa die Gründung neuer Familien, Feierlichkeit sowie der Vorrang vor anderen Verpflichtungen (Dtn 24,5). 5,35 In jenen Tagen, nach dem Fortgang Jesu. 5,36 Gleichnis, vgl. „Midrasch und Gleichnisse“. 5,39 Der alte ist milder, Sir 9,10.

Lukas 6

1 Und es begab sich an einem Sabbat, dass er durch die Kornfelder ging; und seine Jünger rauften Ähren aus und zerrieben sie mit den Händen und aßen. 2 Einige der Pharisäer aber sprachen: Warum tut ihr, was am Sabbat nicht erlaubt ist? 3 Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Habt ihr nicht das gelesen, was David tat, als ihn hungerte, und die, die bei ihm waren? 4 Wie er in das Haus Gottes ging und die Schaubrote nahm und aß, die doch niemand essen darf als die Priester allein, und wie er sie auch denen gab, die bei ihm waren? 5 Und er sprach zu ihnen: Der Menschensohn ist Herr über den Sabbat.

6 Es geschah aber an einem andern Sabbat, dass er in die Synagoge ging und lehrte. Und da war ein Mensch, dessen rechte Hand war verdorrt. 7 Aber die Schriftgelehrten und die Pharisäer gaben acht, ob er auch am Sabbat heilen würde, damit sie etwas fänden, ihn zu verklagen. 8 Er aber kannte ihre Gedanken und sprach zu dem Mann mit der verdorrten Hand: Steh auf und tritt in die Mitte! Und er stand auf und trat vor. 9 Da sprach Jesus zu ihnen: Ich frage euch: Ist‘s erlaubt, am Sabbat Gutes zu tun oder Böses zu tun, Leben zu retten oder zu verderben? 10 Und er sah sie alle ringsum an und sprach zu ihm: Strecke deine Hand aus! Und er tat‘s; da wurde seine Hand wieder gesund. 11 Sie aber wurden ganz von Sinnen und beredeten sich miteinander, was sie Jesus tun wollten.

Lk 6,1–11 Sabbatpraktiken (Mt 12,1–14; Mk 2,23–3,6) 6,1 Der Tanach untersagt „Arbeit“ am Sabbat (z.B. Ex 20,10; 31,14–15; Lev 23,3; Dtn 5,14), bestimmt aber nicht näher, was als Arbeit gilt; deshalb formulieren unterschiedliche jüdische Gemeinschaften verschiedene Definitionen von Arbeit: Die Mischna (Schab 7,2) listet neununddreißig Arbeitskategorien auf, die alle mit der Erzeugung von Dingen zu tun haben. Es ist unklar, in welchem Umfang die (nichtjüdischen) Anhänger Jesu später den Sabbat gehalten haben (vgl. z.B. Kol 2,16; in den authentischen Paulusbriefen spielt der Begriff keine Rolle). 6,2 Pharisäer, ihre Anwesenheit auf den Feldern am Sabbat ist merkwürdig. Nicht erlaubt, vgl. Ex 34,21; bezüglich strengerer, rabbinischer Regeln vgl. auch mSchab 7,2, wo das Ernten am Sabbat verboten wird. Das Sammeln von Getreide auf dem Feld eines Anderen ist erlaubt (Dtn 23,25–26). 6,3 Was David tat, vgl. 1Sam 21,1–6. 6,4 Schaubrote, vgl. Lev 24,5–9. 6,5 Menschensohn, vgl. Anm. zu 5,24. Wenn dieser Ausdruck nicht messianisch verstanden wird, kann V. 5 mit dem Kommentar von Rabbi Simeon b. Menasja zu Ex 31,14 („Darum haltet den Sabbat, denn er soll euch heilig sein“) verglichen werden (MechJ Ki Tissa [zu Ex 31]: „Euch ist der Sabbat übergeben, nicht aber seid ihr dem Sabbat übergeben“). 6,6 Synagoge, vgl. Anm. zu 4,15. 6,7 Am Sabbat heilen, vgl. Anm. zu 4,31–37. 6,9 Leben zu retten, die pikuach nefesch (übers. „ein Leben retten“) setzt die Sabbatgebote generell außer Kraft; vgl. Anm. zu 6,5; 1Makk 2,40–41; bJom 84b. 6,10 Seine Hand [wurde] wieder gesund, Jesus berührt den Mann nicht und vermeidet so den Verdacht, er würde „arbeiten“. 6,11 Von Sinnen, gr. anoia bezeichnet „Wahnsinn“ oder „Unverständnis“. Was sie […] tun wollen, die Pharisäer verfügten über keine politische oder juristische Gewalt. Lukas lässt den markinischen Hinweis (Mk 3,6) aus, dass die Pharisäer danach trachteten, Jesus zu ermorden; die Pharisäer fehlen in der lukanischen Passionserzählung.

12 Es begab sich aber zu der Zeit, dass er auf einen Berg ging, um zu beten; und er blieb über Nacht im Gebet zu Gott. 13 Und als es Tag wurde, rief er seine Jünger und erwählte zwölf von ihnen, die er auch Apostel nannte: 14 Simon, den er auch Petrus nannte, und Andreas, seinen Bruder, Jakobus und Johannes; Philippus und Bartholomäus; 15 Matthäus und Thomas; Jakobus, den Sohn des Alphäus, und Simon, genannt der Zelot; 16 Judas, den Sohn des Jakobus, und Judas Iskariot, der zum Verräter wurde.

Lk 6,12–16 Die zwölf Apostel (Mt 10,1–4; Mk 3,13–19a) Vgl. auch Apg 1,13. 6,12 Beten, vgl. Anm. zu 3,21. 6,13 Zwölf, Lk 8,1; Apg 6,2 u.a.; Symbol der Wiederherstellung der zwölf Stämme Israels. Apostel, gr. apostolos, übers. „Gesandter“, ein Vertreter oder Abgesandter; hebr. schelucho schel ’adam kemoto („Der Beauftrage eines Menschen ist wie dieser selbst“), also jemand, der den Sender vollständig repräsentiert (mBer 5,5; bQid 42b–43a). 6,14 Petrus, der Beiname bedeutet „Stein“. In den Evangelien sind die Namen der Zwölf nicht deckungsgleich, Petrus wird allerdings immer als erster und Judas Iskariot als letzter genannt. Johannes, gr. Ioannēs, hebr. jochanan. Bartholomäus, hebr./aram. bar tolmai, der „Sohn des Tolmai“. 6,15 Zelot, ein Eiferer; ein Sozialrevolutionär im Aufstand gegen Rom (66–70 u.Z.); eine Anspielung auf Pinhas (Num 25,11) und Elia (1Kön 18,40; 19,10); vgl. auch 2Kor 7,7.11.12. Vgl. „Strömungen innerhalb des Judentums in neutestamentlicher Zeit“. 6,16 Iskariot, vielleicht „ein Mann [aus dem judäischen Dorf] Kerijot“ (Jos 15,25); wenn dem so ist, wäre Judas der einzige Judäer unter den Zwölfen; alternativ könnte der Name vom aram. scheqarija, übers. „Falscher, Lügner“, abgeleitet sein.

17 Und er ging mit ihnen hinab und trat auf ein ebenes Feld, er und eine große Schar seiner Jünger und eine große Menge des Volkes aus dem ganzen jüdischen Land und Jerusalem und aus dem Küstenland von Tyrus und Sidon, 18 die gekommen waren, ihn zu hören und von ihren Krankheiten geheilt zu werden; und die von unreinen Geistern umgetrieben wurden, die wurden gesund. 19 Und alles Volk suchte ihn anzurühren; denn es ging Kraft von ihm aus und heilte sie alle.

20 Und er hob seine Augen auf über seine Jünger und sprach:

Selig seid ihr Armen; denn das Reich Gottes ist euer. 21 Selig seid ihr, die ihr jetzt hungert; denn ihr sollt satt werden. Selig seid ihr, die ihr jetzt weint; denn ihr werdet lachen. 22 Selig seid ihr, wenn euch die Menschen hassen und euch ausstoßen und schmähen und verwerfen euren Namen als böse um des Menschensohnes willen. 23 Freut euch an jenem Tage und tanzt; denn siehe, euer Lohn ist groß im Himmel. Denn das Gleiche haben ihre Väter den Propheten getan.

Lk 6,20–23 Die Seligpreisungen (Mt 5,3–12) Bezüglich der Formulierung vgl. Ps 1,1; 34,9 u.a. 6,20 Selig, gr. makarios entspricht dem hebr. ’aschrej, übers. „glücklich“. 6,20 Ihr Armen, vgl. die matthäische Formulierung „die da geistlich arm sind“. In der jüdischen Tradition werden die Armen, Hungrigen usw. nicht als Verfluchte oder Unreine betrachtet, sondern als solche, die göttlicher und weltlicher Fürsorge bedürfen (z.B. Dtn 15,11; Jes 49,10; Jer 31,25; Ez 34,29). 6,22 Euch ausstoßen, vgl. Jes 66,5. Menschensohn, vgl. Anm. zu 5,24; meint hier: Jesus. 6,23 Ihre Väter, z.B. Neh 9,26; 2Chr 36,15–16.

24 Aber dagegen: Weh euch Reichen; denn ihr habt euren Trost schon gehabt. 25 Weh euch, die ihr jetzt satt seid; denn ihr werdet hungern. Weh euch, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet weinen und klagen. 26 Wehe, wenn jedermann gut über euch redet; denn das Gleiche haben ihre Väter den falschen Propheten getan.

Lk 6,24–26 Die Weherufe 6,24 Lukas nimmt die Reichen wahr, die sich weigern, Almosen zu geben (Anm. zu 6,30), und fordert zu äußerster Freigebigkeit auf (Lk 11,41; 12,13–21.33–34; 16,13.19–31; 18,18–30; vgl. auch äthHen 94,8 [„Wehe euch Reichen, denn ihr habt auf euren Reichtum vertraut, aber aus eurem Reichtum werdet ihr heraus müssen, weil ihr in den Tagen eures Reichtums nicht an den Höchsten gedacht habt.“]); in diesem Evangelium ist die Verurteilung von Reichtum stärker als etwa in 1Tim 6,10 und Hebr 13,5 (wo es um die „Geldgier“ geht; vgl. z.B. auch Hab 2,5).

27 Aber ich sage euch, die ihr zuhört: Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen; 28 segnet, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen. 29 Und wer dich auf die eine Backe schlägt, dem biete die andere auch dar; und wer dir den Mantel nimmt, dem verweigere auch den Rock nicht. 30 Wer dich bittet, dem gib; und wer dir das Deine nimmt, von dem fordere es nicht zurück. 31 Und wie ihr wollt, dass euch die Leute tun sollen, so tut ihnen auch!

32 Und wenn ihr liebt, die euch lieben, welchen Dank habt ihr davon? Denn auch die Sünder lieben, die ihnen Liebe erweisen. 33 Und wenn ihr euren Wohltätern wohltut, welchen Dank habt ihr davon? Das tun die Sünder auch. 34 Und wenn ihr denen leiht, von denen ihr etwas zu bekommen hofft, welchen Dank habt ihr davon? Auch Sünder leihen Sündern, damit sie das Gleiche zurückbekommen. 35 Vielmehr liebt eure Feinde und tut Gutes und leiht, ohne etwas dafür zu erhoffen. So wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Kinder des Höchsten sein; denn er ist gütig gegen die Undankbaren und Bösen.

36 Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist. 37 Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben.

Lk 6,27–36 Die Gewaltvermeidung (Mt 5,38–48; 7,12) 6,27 Liebt eure Feinde, die jüdische Lehre gebietet es, auch seinen Feinden zu helfen (vgl. z.B. Ex 23,4–5; Spr 24,17; 25,21); die rabbinischen Kommentare sprechen vom Helfen (nicht vom „Lieben“) der Feinde, „um den Trieb zu beugen“ (bBM 32b). Das Gebot Jesu könnte eine Übertreibung sein, ähnlich der Benutzung von „hassen“ bei Lk 14,26; wahrscheinlicher handelt es sich um eine Erweiterung des Anliegens, seine Feinde gerecht zu behandeln. 6,28 Bittet für die, die euch beleidigen, vgl. Lk 23,34. 6,29 Wer dir den Mantel nimmt, Mt 5,40 deutet einen Rechtsprozess, Lukas hingegen Raub an. 6,30 Wer dich bittet, dem gib, Lukas schreibt freiwillige Armut vor (vgl. Anm. zu 6,24; Lk 12,33; 18,22); in rabbinischen Quellen findet sich dies nicht, da persönliche Verarmung zu größeren Schwierigkeiten der Familie und der Gemeinschaft führen würde. Jüdische Quellen ordnen das Geben von Almosen an (zedaqa); vgl. z.B. Dtn 15,11. Rav Assi (3. Jh.) schreibt über Almosen: „Die Wohltätigkeit wiegt alle Gesetze auf“ (bBB 9a). 6,31 So tut ihnen auch, vgl. das Diktum Hillels: „Was dir nicht lieb ist, das tue auch deinem Nächsten nicht“ (Tob 4,15; bSchab 31a). 6,32–34 Welchen Dank, Lukas durchdenkt das reziproke System von Wohltaten. 6,35 Ohne etwas dafür zu erhoffen, großzügiger als das Zinsverbot auf Darlehen im Tanach (Ex 22,24; Lev 25,36–37). Kinder des Höchsten, vgl. Lk 1,32.35; 8,28. 6,36 Seid barmherzig, vgl. Mt 5,48, wo dazu aufgefordert wird, vollkommen zu sein; zur Imitation von göttlicher Barmherzigkeit (Ex 34,6) vgl. bSchab 133b; MechJ Beschallach zu Ex 15,2; SifDev 11,22; 49 („Wie der Ort [G“tt] ‚barmherzig’ und ‚gnädig’ genannt wird, so sei auch du barmherzig […] und gib Gaben ohne Entgelt“).

38 Gebt, so wird euch gegeben. Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben; denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch zumessen.

39 Er sagte ihnen aber auch ein Gleichnis: Kann denn ein Blinder einem Blinden den Weg weisen? Werden sie nicht alle beide in die Grube fallen? 40 Ein Jünger[*] steht nicht über dem Meister; wer aber alles gelernt hat, der ist wie sein Meister.

41 Was siehst du den Splitter in deines Bruders Auge, aber den Balken im eigenen Auge nimmst du nicht wahr? 42 Wie kannst du sagen zu deinem Bruder: Halt still, Bruder, ich will dir den Splitter aus deinem Auge ziehen, und du siehst selbst nicht den Balken in deinem Auge? Du Heuchler, zieh zuerst den Balken aus deinem Auge, danach kannst du sehen und den Splitter aus deines Bruders Auge ziehen.

Lk 6,37–42 Vom Richten (Mt 7,1–5; 12,36–37; 15,14; Mk 4,24–25) 6,37 Richtet nicht, vgl. bRHSch 16b; bMeg 28a. 6,38 Mit dem Maß, mit dem ihr messt, eine biblische (z.B. Ex 22,21–23; Ob 15) und rabbinische Vorstellung (hebr. mida keneged mida [übers. „ein Maß entsprechend einem Maß“]); vgl. z.B. mSota 1,7 („Mit dem Maß, mit dem ein Mensch misst, misst man ihn“); mAv 2,6, die Hillel zugeschrieben wird („Auch sah derselbe einmal einen Schädel, der auf der Oberfläche des Wassers schwamm. Er sagte zu ihm: Weil du ertränkt hast, hat man dich ertränkt, und endlich werden die, die dich ertränkt haben, ertrinken“). 6,41–42 Balken im eigenen Auge, bBB 15b drückt dieselbe Vorstellung aus: „Wenn jemand zu einem [Richter] sagte: nimm den Splitter von zwischen deinen Zähnen, so erwiderte ihm dieser: nimm den Balken von zwischen deinen Augen“. Vgl. auch bAr 16b; bHor 3b. Heuchler, vgl. Ps 26,4; Sir 1,29; 32,15.

43 Denn es gibt keinen guten Baum, der faule Frucht trägt, noch einen faulen Baum, der gute Frucht trägt. 44 Ein jeder Baum wird an seiner eigenen Frucht erkannt. Denn man pflückt nicht Feigen von den Dornen, auch liest man nicht Trauben von den Hecken. 45 Ein guter Mensch bringt Gutes hervor aus dem guten Schatz seines Herzens; und ein böser bringt Böses hervor aus dem bösen. Denn wes das Herz voll ist, des geht der Mund über.

Lk 6,43–45 Vom Tragen guter Früchte (Mt 7,15–20; 12,33–35) Vgl. Jak 3,11–12. 6,45 Herz, das Zentrum der Moral (Gen 8,21; Dtn 6,5–6 u.a.). Zur Verbindung von Herz (hebr. lev) und Mund (hebr. pe) vgl. Ps 19,15.

46 Was nennt ihr mich aber Herr, Herr, und tut nicht, was ich euch sage?

47 Wer zu mir kommt und hört meine Rede und tut sie – ich will euch zeigen, wem er gleicht. 48 Er gleicht einem Menschen, der ein Haus baute und grub tief und legte den Grund auf Fels. Als aber eine Wasserflut kam, da riss der Fluss an dem Haus und konnte es nicht erschüttern; denn es war gut gebaut.

49 Wer aber hört und nicht tut, der gleicht einem Menschen, der ein Haus baute auf die Erde, ohne Grund zu legen; und der Fluss riss an ihm, und es fiel gleich zusammen, und der Einsturz dieses Hauses war gewaltig.

Lk 6,17–49 Die Feldrede (Mt 5–7) 6,17 Ebenes Feld, steht im Gegensatz zur matthäischen „Bergpredigt“.

Lk 6,46–49 Von klugen und törichten Bauherren (Mt 7,21–27) Vgl. Jak 1,22–25. 6,46 Herr, Herr, Bekenntnisse ohne entsprechende Taten sind bedeutungslos. Bezüglich des Anrufs vgl. Ex 34,7 und die Rezitation der dreizehn midot ha-rachamim („Kennzeichen der [göttlichen] Gnade“) in den Selichot (Gebete um Vergebung). 6,47–49 Vgl. den ähnlichen Aphorismus über Bäume mit schwachen und starken Wurzeln von R. Eleazar b. Azarja (mAv 3,17: „Derselbe sagt: Wem gleicht jeder, dessen Weisheit größer als seine Taten ist? Einem Baum, der viele Zweige hat, aber wenig Wurzeln“).

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