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1 Der klassische Britische Empirismus

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Der E. hatte seine Blütezeit, genauso wie der Rationalismus, zwischen 1600 und 1800, im klassischen Britischen E. J. Locke, der Begründer des modernen E., stellt der rationalistischen, am prominentesten von Descartes vertretenen These der Existenz angeborener Ideen und Prinzipien seine empiristische Antithese entgegen, dass alles Material unserer Erkenntnis letztlich aus der Erfahrung stammt. Locke untergliedert den Bereich der Erfahrung in äußere Erfahrung („sensation“), das ist die Sinneswahrnehmung von Gegenständen in Raum und Zeit, und innere Erfahrung („reflection“), die Selbstbeobachtung der Operationen unseres Geistes. Aus diesen beiden Quellen entspringen laut Lockes empiristischer Methodologie alle Begriffe und alle Erkenntnisse, die wir jemals erwerben können. Er stellt den menschlichen Geist oder Verstand als unbeschriebenes Blatt Papier dar, als eine Tabula rasa, auf die die Wahrnehmung ihre Zeichen malt.

J. Locke war sicherlich ein Empirist, aber er war auch ein Realist (↗ Realismus). Er vertrat einen Repräsentationalen oder Indirekten Realismus, dem zufolge die direkten Objekte unserer Wahrnehmung immer nur Sinnesdaten (↗ Sinnesdaten) sind, die durch äußere physische Gegenstände in uns verursacht werden und die diese äußeren Gegenstände mehr oder weniger adäquat repräsentieren. Wir haben zwar keine sinnlichen Erfahrungen von äußeren physischen Gegenständen, aber wir können ihre Existenz und ihre Natur auf der Basis von Sinnesdaten erschließen.

G. Berkeley vertrat eine rigorosere Version des E. Er machte geltend, Locke habe seine empiristische Erkenntnistheorie mit gewissen unbegründeten metaphysischen Hypothesen verknüpft. Berkeley war fest davon überzeugt, dass Lockes Repräsentationaler Realismus zum erkenntnistheoretischen Skeptizismus (↗ Skepsis) führt, weil wir keine triftigen Gründe für die Annahme haben, dass jenseits der Erfahrung materielle Gegenstände als Ursachen der Erfahrung existieren. Selbst wenn es tatsächlich der Fall wäre, dass äußere Gegenstände unsere Sinnesdaten verursachten, bliebe der Skeptizismus unvermeidlich, denn wir könnten auch in diesem Fall niemals wissen, dass dies der Fall ist, da wir immer nur die Wirkungen äußerer Gegenstände wahrnehmen könnten. Von Dingen, die uns sinnlich nicht zugänglich sind, können wir Berkeley zufolge nicht einmal einen Begriff haben. Seine eigene Antwort auf das Problem des Skeptizismus war verblüffend einfach. Er glaubte, es durch eine ontologische Reduktion lösen zu können. Wenn die Wurzel des Skeptizismus in der Unterscheidung zwischen physischen Gegenständen und unseren Sinnesdaten liegt, dann brauchen wir diese physischen Gegenstände nur mit den Sinnesdaten gleichzusetzen, um den Skeptizismus zu untergraben. Die zentrale These von Berkeleys Phänomenalismus (↗ Phänomenalismus) oder subjektivem Idealismus (↗ Idealismus) lautet mithin, dass ein physischer Gegenstand mit einem Komplex von Sinnesdaten identisch ist.

D. Hume gab der Entwicklung des Britischen E. eine skeptische Wendung (↗ Skepsis). Er stimmte mit Locke und Berkeley überein, dass die direkten Objekte des Bewusstseins in der Wahrnehmung immer nur Sinnesdaten sind. Laut Hume sind alle Inhalte des menschlichen Bewusstseins entweder Eindrücke („impressions“) oder Vorstellungen („ideas“). Vorstellungen sind als Kopien von Eindrücken weniger stark und lebhaft als Letztere. Jede Vorstellung geht direkt oder indirekt auf einen Eindruck zurück. Deshalb kann der Glaube an die Existenz von äußeren materiellen Gegenständen keine primitive Gegebenheit der sinnlichen Erfahrung sein. Aber Hume zufolge kann der Glaube an eine Welt äußerer, kontinuierlich und unabhängig von uns existierender Gegenstände auch nicht auf der Basis der direkten Wahrnehmung von Sinnesdaten durch die Vernunft und ihre Schlussprinzipien rational gerechtfertigt werden. Dieser Glaube kann also weder auf die Sinne noch auf die Vernunft zurückgeführt werden. Gleichwohl haben wir eine natürliche und nahezu unwiderstehliche Neigung, an die Existenz einer Außenwelt zu glauben. Unsere natürlichen Instinkte und unsere Gewohnheiten spielen hier die entscheidende Rolle. Der Glaube an die Außenwelt ist ein Produkt der Einbildungskraft, die sich jedoch – weil er argumentativ nicht befriedigend gestützt werden kann und einem philosophischen Nachdenken über die Natur der Wahrnehmung nicht standzuhalten vermag – in einem scharfen und dauerhaften Konflikt mit der um Rechtfertigung bemühten Vernunft befindet.

Und ähnlich wie mit unseren Überzeugungen über die Außenwelt verhält es sich Hume zufolge auch mit unseren Überzeugungen über die Zukunft. Wir können ihm zufolge nicht mit Gewissheit wissen, dass morgen die Sonne wieder im Osten aufgehen wird. Es ist nicht gewiss, dass die Zukunft der Vergangenheit ähneln wird. Hume ist ein Induktionsskeptiker. Ein induktiver Schluss ist ein Schluss von vielen beobachteten Einzelfällen auf eine allgemeine Gesetzmäßigkeit. Wir haben beispielsweise viele Raben gesehen, die alle schwarz waren, und schließen daraus, dass alle Raben schwarz sind. Im Unterschied zu deduktiven Schlüssen folgt bei induktiven Schlüssen die Wahrheit der Konklusion bekanntlich nicht zwingend aus der Wahrheit der Prämissen. Denn es könnte durchaus sein, dass, obwohl alle bisher beobachteten Raben schwarz waren, es dennoch auch Raben gibt, die nicht schwarz sind.

Hume bezweifelt, dass wir rational gerechtfertigt sind, induktive Schlüsse zu ziehen. (↗ Induktives Schließen, ↗ Rationalität) Eine deduktive Begründung eines Induktionsprinzips ist offenkundig ausgeschlossen, da wir es nicht mit deduktiven Schlüssen zu tun haben. Und wenn wir darauf aufmerksam machen, dass sich induktive Schlüsse doch bisher als erfolgreich erwiesen haben und deshalb wohl auch in Zukunft erfolgreich sein werden, dann ist unsere Argumentation zirkulär, da wir einen induktiven Schluss benutzen, um die Legitimität induktiver Schlüsse zu begründen. Humes skeptisches Urteil lautet, dass keine induktive Methode die Wahrheit allgemeiner Gesetze zu beweisen vermag; ein wahres Induktionsprinzip kann es nicht geben.

Sein Gegenmittel gegen die skeptischen Zweifel ist letztlich die Sorglosigkeit. Natürlich ist dies keine Widerlegung des Skeptizismus und auch gar nicht als solche intendiert. Ein philosophisches Gegenmittel gegen den Skeptizismus gibt es ihm zufolge nicht. Hume empfiehlt nur, die skeptischen Bedenken, sobald wir unser Studierzimmer verlassen, aus praktischen Rücksichten zu verdrängen. Er unterscheidet demnach zwischen der Genese einer Erwartung oder Meinung und ihrer Rechtfertigung oder Legitimität – zwischen Psychologie und Logik. Denn würden wir nicht erwarten und glauben, dass noch nicht vorliegende Erfahrungen den vorliegenden entsprechen, würden wir also den aus Wiederholungen und Ideenassoziationen entstehenden Gewohnheiten nicht vertrauen, dann könnten wir gar nicht überleben.

Folgenreich für die weitere Entwicklung des E. wurde Humes strikte Unterscheidung zwischen zwei Arten von Gegenständen der Erkenntnis, nämlich Beziehungen zwischen Vorstellungen („relations of ideas“) und Tatsachen („matters of fact“). Mit dieser Unterscheidung geht eine entsprechende Unterscheidung zwischen zwei Arten der Erkenntnis einher. Während Beziehungen zwischen Vorstellungen a priori, rein logisch und somit ganz unabhängig von der Erfahrung, erkannt werden können, können Tatsachen nur a posteriori, durch Beobachtung und Experiment, verifiziert werden. Wahre nichtempirische Aussagen, z.B. die der Mathematik, sind notwendigerweise wahr; ihr kontradiktorisches Gegenteil führt zu einem logischen Widerspruch. Wahre empirische Aussagen sind dagegen bloß kontingenterweise wahr; ihr kontradiktorisches Gegenteil ist stets logisch widerspruchsfrei. Unser logisches Denkvermögen und unsere fünf Sinne sind demnach die einzigen Quellen, aus denen alle unsere Erkenntnisse stammen. Philosophische und theologische Aussagen, die nichtempirische Tatsachenerkenntnis beanspruchen, werden als trügerisches Blendwerk verworfen.

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