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2. Hitlers Gott
ОглавлениеBei Ausdrücken wie „Gott“, „Herrgott“, „Herr“, „Allmächtiger“, „Allmacht“, „Schöpfer“, „Lenker“, „ewiger Richter“, „Vorsehung“, „Schicksal“, die man bei Hitler findet, aber auch bei dem thematisierten Walten der Natur und der Naturgesetze, handelt es sich immer um dieselbe Größe. Er verwendet dabei die Begriffe für Gott häufiger in personaler als seltener in sächlicher Form (z.B. Allmächtiger und Allmacht, Schöpfer und Schöpfung) oder personalisiert sächliche Formulierungen (z.B. ‚die Natur‘). Deswegen haben wir unglaublich viele Belege für Bezüge auf Hitlers ‚Gott‘ in allen möglichen rednerischen und schriftstellerischen Formen und Situationen von 1914 bis 1945 überliefert, die wahrscheinlich die Häufigkeit der Verwendung bei vielen christlichen Theologen übertrifft.
Der Gott Hitlers ist ein eindeutig monotheistischer Gott, zugleich aber ein Gott, der mit der christlichen Dreieinigkeit nichts zu tun hat. Nirgends findet sich bei Hitler auch nur eine Andeutung von Übernahme trinitarischen Denkens oder der Annahme, der von ihm geschätzte Christus sei Gott gewesen. (Auch das spricht dafür, dass Hitler sein Gottesbild formuliert, nicht das seiner Zuhörer.) Bei Hitlers Gottesglauben handelt es sich nicht um Pantheismus, Panentheismus, Monismus, Deismus oder eine Naturreligion, da dazu der Unterschied zwischen Schöpfer und Geschöpfen zu eindeutig ausgeprägt ist und Gott dem Menschen gegenüber durch Prüfen und Segnen handelt. Bei Hitlers Gott handelt es sich um den Schöpfer aller Völker. Der Vorrang der Deutschen liegt nicht in ihrer Erschaffung an sich, sondern in ihrer Erschaffung mit einem höheren Rassewert, der aber nur dadurch zum Ausdruck kommt, dass sie sich im Kampf ums Dasein als die Stärkeren erweisen. Hitlers ‚Herrgott‘ ist kein Nationalgott, sondern der ‚Schöpfer‘, der über allen Völkern steht und den Kampf ums Dasein geschaffen hat, in dem sich für Hitler eben nur die Deutschen als Arier am besten bewährt haben.
Auch Juden sind bei Hitler von Gott geschaffen. Er sieht sie wie Parasiten an, die zwar zur Schöpfung gehören, aber bekämpft werden müssen. Hitler hat kein dualistisches Gottesbild wie Marcion, sondern kennt einen allmächtigen Schöpfer und den Teufel oder das Böse nur in Form der menschlichen und zu besiegenden Juden.
Kern des Gottesbildes Hitlers ist ein ‚Kriegsgott‘. Gott hilft dem Stärkeren, dem Kämpfenden, dem an den Sieg Glaubenden. Dafür hat Hitler stehende Redewendungen zitiert und geschaffen, die er wie Glaubenssätze immer und immer wieder vorträgt. Grundsätzlich zielen alle diese Formulierungen in dieselbe Richtung. Entgegen der christlichen Vorstellung, dass Gott demjenigen hilft, der es nicht verdient hat, der schwach und elend ist, der sich nicht mehr helfen kann, hilft Hitlers Gott diesen allen gerade nicht, sondern nur dem, der kämpft, stark ist, den Segen durch Kampf und Arbeit verdient und der den Göttern nicht als demütiger Bittsteller entgegentritt, sondern mutig und fanatisch das Unmögliche fordert.
Gott potenziert gewissermaßen die Kampfeinstellung eines Menschen und insbesondere eines Volkes: Den Starken macht er stärker und lässt ihn gewinnen, den Schwachen macht er schwächer und lässt ihn verlieren. Dabei bezieht sich Starksein und Schwachsein sowohl auf den tatsächlichen Kampf als auch auf die innere Haltung dabei.
Hitlers häufige Aussage, Gott helfe nur dem, der es verdient habe, kann deswegen nicht als Propaganda verstanden werden, um christliche Hörer mit religiösen Ausdrücken als Unterstützer zu gewinnen, sondern ist vielmehr Ausdruck davon, dass Hitler öffentlich und ohne Rücksicht auf die Folgen ein Herzstück des christlichen Glaubens, nämlich die Lehre von der unverdienten und unerklärlichen Gnade Gottes, geleugnet, ja bekämpft hat.
Hitler hat den Ersten Weltkrieg eigentlich nie beendet, sondern in seiner Weltanschauung fortgesetzt. In seinem religiösen und weltanschaulichen Denken war der Krieg nie und würde nie zu Ende kommen. Oder, um es mit seinen eigenen Worten zu sagen: „Der Friede ist die Fortsetzung des Krieges mit anderen Waffen.“3
Der Grund für den Zweiten Weltkrieg lag vor allem darin begründet, dass Hitlers Glaube beinhaltete, dass es einen Zustand ohne Krieg um Überleben, Lebensraum und Rassenreinheit gar nicht geben könne und dürfe, da die ‚Natur‘ so angelegt sei und ‚Gott‘ sie so geschaffen und gewollt habe.
Hitlers Glaube ist eine Kriegsreligion, die nicht nur – wie oft in der Geschichte geschehen – eine religiöse Begründung für einen Krieg liefert, sondern den fortwährenden Krieg selbst in den Rang des höchsten Gebotes Gottes erhebt und damit auch den Frieden zu einem Krieg bei schweigenden Waffen macht. Dementsprechend sind die größten ethischen Unwerte, die Hitler kennt, allesamt von der Kriegs- und Kampfesforderung her zu verstehen, wie ‚Liebe‘, ‚Humanität‘, ‚Pazifismus‘, ‚Feigheit‘ oder ‚Faulheit‘, während der ‚Hass‘ zum höchsten Wert aufsteigt.