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3. Hitler glaubte wirklich an seinen Gott
ОглавлениеHitler glaubte wirklich an den Gott, von dem her er seine Ethik aufbaute und begründete und von dem er Schutz und Segen erwartete und erfuhr. Oder anders gesagt: Glaubte Hitler wirklich an die Vorsehung bzw. den Herrgott und seine Sendung? Folgende Gründe scheinen dafür zu sprechen:
a. das einheitliche Bild der Gottesvorstellung Hitlers von den frühen 20er Jahren an bis 1945.
b. der Umstand, dass Hitler ein praktisch gleiches Gottesbild in allen Lebenslagen und allen Reden und Texten äußerte, gleich, ob diese öffentlich zur Propaganda dienten, nicht zur Veröffentlichung, aber immerhin für die Umgebung bestimmt waren, oder ob sie ganz privat geäußert wurden.
c. der Umstand, dass es sich nicht um ein von anderen übernommenes Gottesbild handelte, wenn es sich auch im Detail aus einer Vielzahl von Quellen speiste.
d. der Umstand, dass Hitler in Propaganda und öffentlichkeit kein Gottesbild seiner Zuhörer oder einer bestimmten Gruppe seiner Zuhörer verwendete.
e. der Umstand, dass Hitler mit vielen Beschreibungen seines Gottes große Gruppen seiner Zuhörer vor den Kopf stieß, etwa atheistische Arbeiter, praktizierende Katholiken, liberale Protestanten oder Freidenker und Deutschgläubige.
Wenn Hitler ‚Gott‘ angeblich nur für seine Zuhörer erwähnt, warum beschreibt er ihn dann nicht ‚christlicher‘ oder wenigstens ‚völkischer‘? Warum konstruierte er ein Bild von Gott, Herrgott, Vorsehung und Schicksal, das mit keiner gängigen Religion oder Weltanschauung in Einklang stand? Und warum variierte er diese Bezüge dann nicht je nach Publikum?
Hitler hat seine grundsätzliche Sicht, dass der rassistisch verstandene Kampf ums Dasein das oberste Prinzip oder göttlicher Auftrag sei und sich letztlich nur in einem Krieg gegen die Juden und Minderrassige entladen könne, nie aufgegeben oder variiert. Des Öfteren hat er sich vorsichtiger ausgedrückt oder – meist erstaunlich unvollständig – geschwiegen, sich aber nie, soweit wir das übersehen können, seiner Umgebung oder der Meinung der Deutschen in der Frage des Gottesbildes und der sich daraus ergebenden Grundüberzeugungen angepasst. Das tat er nur in strategischen Fragen, nicht aber in inhaltlich-weltanschaulichen Fragen.
Werner Masers Urteil dürfte also mit den uns vorgetragenen Belegen in Einklang stehen: „Dafür, dass Hitler sich nicht nur dem Scheine nach unter eine zwingende göttliche Macht gestellt glaubte, gibt es zahlreiche Beweise.“4
Hitlers Glaube war darauf angelegt, ihn anderen, ja eigentlich allen, zu vermitteln. Er glaubte nicht nur selbst, sondern forderte von allen denselben Glauben. Wie etwa auch im Christentum war die Vermittlung des Glaubens fester Bestandteil des Glaubenssystems selbst.
Hitler erklärte den Aufstieg des Nationalsozialismus ungezählte Male damit, dass sein unwahrscheinlicher Glaube zunächst von einer kleinen Zahl, dann von einer großen Zahl von Anhängern der ersten Stunde, dann von Millionen Parteimitgliedern und schließlich vom ganzen Volk übernommen wurde. So differenziert man auch darstellen muss, was die genannten Gruppen im einzelnen davon geglaubt haben und je weniger Hitlers Aussage zutrifft, je größer die von ihm benannte Gruppe ist, so sehr ist Hitler hier grundsätzlich zuzustimmen: Die NSDAP breitete sich bis 1933 als Weltanschauungspartei aus, und der Umstand, dass sie trotz ihrer brutalen Weltanschauung (und Praxis) einen derartigen Erfolg hatte, ist bis heute rational kaum zu erklären.
Unaufgebbare Glaubens- und Weltanschauungsprinzipien und opportunistisches Machtstreben schließen sich bei Hitler nicht aus, sondern ein, wie dies bei allen weltanschaulich motivierten Mächtigen der Fall ist.
In der berühmten Passage in ‚Mein Kampf‘, in der sich Hitler als einen der in Jahrhunderten seltenen Fälle sieht, in denen ein von der Zukunft träumender Programmatiker und ein in der Gegenwart taktisch gewiefter Politiker zusammen fallen, wird deutlich, dass Hitler seine Besonderheit in der Verwirklichung eines für weltfremd und unumsetzbar gehaltenen Programms sah. Hier wird deutlich, dass sich Hitler nicht nur als nihilistischen Tagespolitiker verstand – genauso wie er den „Politiker“ beschreibt –, sondern auch als „Programmatiker“, der einige für unmöglich gehaltene weltanschauliche Ziele verkündigte und Stück für Stück unbeirrbar in die Tat umsetzte. Auch die Propaganda, die Gewinnung der Massen, geschieht hier nicht nur um ihrer selbst willen, sondern um eines Programms, eines Ideals willen. Alle Taktik, Propaganda, Vereinfachung, Verschleierung, ja Lüge, hat ihren Sinn doch darin, dass der Politiker das Programm des Programmatikers umsetzen will.
Hitler ist offensichtlich dauernd von dem Gedanken durchdrungen, vor einer höheren Wirklichkeit Geschichte zu schreiben und von einer transzendenten Wirklichkeit positiv beurteilt zu werden. Die „höhere Gerechtigkeit“, die „ewige Gerechtigkeit“, „die ewig gerechte Vorsehung“, „das letzte Gottesgericht“ usw., ist gleichzeitig das Urteil der Geschichte, durch das die Vorsehung urteilt. Das heißt, es geht nicht um ein Gericht am Ende aller Zeiten, sondern um ein in der Geschichte wirksames Gericht, das sich im Auf- und Abstieg der Völker, also in Sieg und Niederlage manifestiert und vor dem Hitler bestehen will.