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5. Hitlers Verhältnis zum Christentum

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Den Ausdruck ‚positives Christentum‘ deute ich als: Das Christentum, sofern es positiv, also gut ist, das heißt sofern es überkonfessionell ist und dem deutschen (das heißt dem nationalsozialistischen) Empfinden nicht entgegensteht. Artikel 24 des Parteiprogramms der NSDAP war eine klassische Zusammenfassung der völkischen Religion: „… 1920 war er nichts anderes als eine möglichst allgemeine Zusammenfassung der religiösen Überzeugungen der völkischen Bewegung.“7 Der Fachausdruck bezog sich auf ein arisches Christentum, das Christus als Arier und das Christentum als solches positiv sah, aber seine Inhalte als jüdisch-paulinisch verwarf. Genau das dürfte Hitlers Position gewesen sein.

Hitlers Beeinflussung durch das Christentum im Formalen wurde ebenso unterschätzt wie seine tiefe innere Ablehnung des Christentums im Materialen. Das gilt insbesondere auch für alle Formulierungen, die Gott betreffen. Deshalb: „Der christliche Gott und Hitlers Gott haben nur den Namen gemeinsam“8.

Der Nationalsozialismus hat auf Elementebene synkretistisch enorm viele Elemente aus dem Christentum übernommen, gleichzeitig auf Systemebene praktisch alle Inhalte verworfen. Die Übernahme von Symbolen aller Art blieb auf der psychologisch bedeutsamen Ebene der Elemente stehen, inhaltliche Schwerpunkte des Christentums wurden dabei nicht übernommen.

„Es gehört fatalerweise zu den wichtigen kommunikationspolitischen, kulturpraktischen Leistungen der Hitler-Bewegung, daß sie liturgische Traditionen römisch-deutscher Katholizität und vaterländisch-nationale bis nationalistische Traditionen des preußisch-deutschen, wesentlich mit der evangelischen Kirche verbundenen Fest- und Staatskultus aneinander zu binden wußte. Anders gesagt: Katholizismus und Protestantismus fanden sich in pervertierter Abart im Instrumentenarsenal der nationalsozialistischen Massenlenkung und Massenkommunikation wieder. Ein ebenso ungeheuerlicher wie geschichtlich erfolgreicher Prozeß symbolischer Bedeutungsverlagerung.“9

Dadurch entsteht die merkwürdige Situation, die auch die gesamte Verwirrung des Kirchenkampfes auslöste; dass Hitler häufig positiv vom Christentum sprach und zusammen mit seinen ungezählten Erwähnungen und Anrufungen von Gott, des Herrgottes, des Allmächtigen usw. den Anschein eines frommen Christen erwecken konnte, seine konkreten positiven Äußerungen über das Christentum inhaltlich aber die besten Belege waren, dass er die Botschaft und das für Offenbarung Gehaltene am Christentum radikal ablehnte.

Dass die formale Übernahme christlicher Begriffe und Denkstrukturen nicht der Propaganda geschuldet ist, sondern der beste Weg war, Hitlers Weltanschauung auszudrücken, zeigt sich daran, dass er offensichtlich nur bestimmte christliche Begriffe verwendet, andere aber meidet oder sogar bekämpft. So nennt er Gott zwar den ‚Allmächtigen‘, aber nicht ‚Vater‘; spricht von ‚Glaube‘, kaum aber von ‚Liebe‘; fordert zum Beten und Danken auf, bekämpft aber ‚Gnade‘ und ‚Barmherzigkeit‘.

Gerade da Hitler viele christliche Begriffe intensiv verwendet und umdeutet, muss es immer auffallen, wenn er bestimmte christliche Begriffe nicht verwendet oder sogar ablehnt. Dies gilt etwa für Begriffe wie ‚Messias‘ oder ‚Tausendjähriges Reich‘ oder ‚auserwähltes Volk‘10.

Hitlers Weltanschauung folgt der Grundstruktur der christlichen Heilsgeschichte – mit Ausnahme des Endes der Welt. Indem er aber die für wissenschaftliche Erkenntnis gehaltene Rassenvermischung zur Erbsünde, die Arier zum Ebenbild Gottes, die Juden zum Teufel erklärt und den Kampf ums Dasein mit Gott und dessen Geboten gleichsetzt, kommt es tatsächlich zu einer völligen Umkehrung und Ersetzung aller zentralen christlichen Glaubensinhalte.

In der Frage, wie jüdisch das Christentum eigentlich sei, verteilte Hitler das Arische am Christentum auf Christus, das Jüdische auf Paulus. Erst in seinen späten Monologen gibt es vereinzelt Hinweise darauf, dass er – wie etwa Martin Bormann und andere NS-Führer – das Christentum als solches für jüdisch hielt, ohne dass das Konsequenzen hatte.

Hätte Hitler das Christentum wirklich für jüdisch gehalten und für ebenso verwerfenswert wie das Judentum erklärt, hätte er es ohne taktische Rücksichtnahmen und ohne die Frage zu stellen, ob er Erfolg haben werde, beseitigt. Die Vernichtung des Judentums hat der deutschen Wirtschaft und Wissenschaft immens geschadet, Hitler möglicherweise den Sieg im Krieg gekostet und führte zur Ermordung von Kräften, die Hitler dringend für den Krieg brauchte. Dennoch hatte sie immer Vorrang. Auch der Marxismus wurde ausgerottet, gleich welche Konsequenzen das für Deutschland und später für den Krieg hatte. Dass Hitler mit den Christen nicht so verfuhr und Mitarbeiter wie Himmler oder Bormann, die die Beseitigung der Kirchen schon in die Praxis umsetzten, immer wieder behinderte und einschränkte, zeigt, dass Hitlers Traum vom ‚positiven‘, arischen Christentum ihn doch zu einer anderen Einschätzung des Christentums führte, als der des Judentums.

Oder, um es anders auszudrücken: Die Vernichtung des Judentums und des Marxismus waren Teil der Weltanschauung Hitlers und deswegen taktischen Rücksichten enthoben. Die Vernichtung des Christentums war kein Teil der Weltanschauung Hitlers und ergab sich erst allmählich, als Hitler begriff, dass sich die Kirchen nicht wirklich gleichschalten ließen.

Den Hauptwiderspruch zwischen Christentum und Nationalsozialismus sah Hitler im Bereich der Ethik, wenn das Christentum sich für den Schwächeren und für Leben und Würde des Einzelnen einsetzte. Dazu beruft sich Hitler gegen das Christentum auf den (seinen) Schöpfer. Er formuliert das so: „Das Gesetz des Daseins fordert ununterbrochenes Töten, damit das Bessere lebt. Das Christentum ist Auflehnen gegen dieses Grundgesetz, Protest gegen die Schöpfung; konsequent durchgeführt, würde es zur Züchtung des Minderwertigen führen.“11

„Im Kern des Nationalsozialismus lag, obwohl er geschickt vortäuschte, für ein ‚positives Christentum‘ einzutreten, eine tief verwurzelte Ablehnung der gesamten Zivilisation, die auf jüdisch-christlicher Ethik aufgebaut worden war.“12

Christen im Dritten Reich

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