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Deutschchristentum Entstehung – Ideologie – Organisation*

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Die völkische Weltanschauung charakterisiert, anders als mit Stefan Breuer einer ihrer wichtigsten Analytiker annimmt,1 eine fundamentale Religiosität. Einer Grundüberzeugung zufolge konnte die völkische Bewegung „ihr Ziel“, die „geistig-sittliche Erneuerung und Wiedergeburt des deutschen Volkes“, nur dann erreichen, „wenn sie die Religion mit umfaßt“.2 Die Völkischen gingen davon aus, dass Religion „überall das innerste Rad“ bilde, weshalb für sie der Verzicht „auf die höchste Religion“ gleichbedeutend mit dem Verzicht „auf die höchste Kraft“ war.3 Aus diesem Verständnis schöpften die Völkischen die Gewissheit, dass der Deutsche „zum Göttlichen bestimmt“ sei4 und „aus deutschem Blute das Heil der Welt“ komme.5

Für die Völkischen war es ein Dogma, dass „eine internationale Religion ebensowenig möglich [ist] wie eine internationale Kunst. Religion und Kunst können nur national, d. i. völkisch sein.“6 Wie alle Völkischen standen auch die Völkischreligiösen auf dem Boden von „Rasse und Blut“,7 postulierten die Untrennbarkeit von „Rasse und Religion“ und waren davon überzeugt8, dass nur eine „germanisierte Kirche“ bzw. Religion „das deutsche Volk zu einer Einheit … in Blut, Wesen, Sitte, Weltauffassung, Kultur, Gotterkenntnis und Glauben“ verschmelzen könne.9 Unter Berufung auf Paul de Lagarde und Houston Stewart Chamberlain propagierten sie mit der sogenannten arteigenen Religion eine Rassereligion.10

Die Völkischen waren sich darin einig, dass die Rassenideologie weder die ausschließliche Grundlage sei, noch zum alleinigen Inhalt der völkischen Weltanschauung gemacht werden dürfe.11 Sie teilten die überzeugung vom „deutschen Glaubenstum“ als dem „Gipfel der völkischen Geistesbewegung“.12 Völkische Ideologen forderten daher eine neue „Reformation“ und eine grundlegende „religiöse(n) Erneuerung“.13

Religion und Religiosität bildeten im völkischen Verständnis die Triebfedern des Denkens und Handelns. Das bedeutete keine Preisgabe des völkischen Rassedogmas, sondern setzte dieses in der Konstruktion der arteigenen, der Rasse immanenten Religion voraus.14 Man hörte auf die „Stimme des Blutes“15 und holte seinen „religiösen und politischen Glauben nicht aus Zeitungen, Büchern oder Kirchen, sondern aus [dem] Blute.“16 Wie der „Verlust der Religion im Volke“ als Gefahr für den „gesellschaftlichen und staatlichen Bestand“ und als signifikantes Indiz für Degeneration und Untergang galt, so war im völkischen Verständnis Religion Garant für die sittliche, völkische und damit für die rassische Wiedergeburt.17

Völkische Religion war diesseitsorientiert. Es ist insofern eine konsequente Forderung, dass die „Seelenrettung zuerst bei der Leibesrettung“ einsetzen müsse18 – womit auf das umfassende, lebensreformerische und rassenhygienische Konzept, mitunter auch auf das konkrete Züchtungsvorstellungen integrierende Rassenerneuerungsprogramm Bezug genommen wurde. Es bestand Einverständnis, dass die „natürlichen Weseneigenschaften und Anlagen“ nur in einem reinrassigen Volk zu vollkommener Entfaltung gelangen könnten.19 Der von den Völkischen propagierte und beschrittene Weg zur sogenannten deutschen Wiedergeburt musste daher von einer „deutschen Religion“ seinen Ausgang nehmen,20 zumal man im „Mangel einer wahrhaftigen, unserer eigenen Art entsprossenen und entsprechenden Religion … die größte Gefahr für die Zukunft des Germanen [sah]; das ist seine Achillesferse; wer ihn dort trifft, wird ihn fällen.“21

Den verschiedenen arteigenen Religionsentwürfen war ein Grundsatz gemein, den eine völkische Autorität mit der Feststellung benannte, er wolle „die wirkliche Religion, nicht bloß die Weltanschauung mit religiösen Elementen.“22 Die Völkischen wandten sich entschieden dagegen, in der völkischen Weltanschauung bereits die geforderte arteigene Religion zu sehen. Nach ihrer Auffassung waren „Weltanschauung und Ethik“ Teil der Religion, von der sie ihre „besondere ‚religiöse‘ Kraft“ erhielten.23

Die völkischen Konzepte der arteigenen Religion ließen sich, darüber bestand bei den völkischen Religionsstiftern Einvernehmen, mit dem etablierten Kirchenchristentum nicht verwirklichen, da dieses weder das Rassenparadigma noch die Diesseitsausrichtung als Grundpfeiler völkischen Religionsverständnisses erfüllte. Erhebliche Gegensätze bestanden hinsichtlich der Gestalt der arteigenen Religion. Die völkischen Religionsentwürfe reichten von einem arisierten Christentum über Versuche, das Christentum mit den konstruierten germanischen Religionsvorstellungen zu verschmelzen, indem etwa Christus mit Balder oder Odin gleichgesetzt wurde, bis hin zur entschiedenen Ablehnung des Christentums und der Konstituierung paganer, als ‚neuheidnisch‘ bezeichneter Religionen.

Nach völkischen Angaben zählten die ‚Neuheiden‘, die das Christentum als eine rassefremde, oktroyierte Religion ablehnten, bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges rund tausend Anhänger.24 Auch später blieb ihre Zahl im Verhältnis zur expandierenden völkischen Bewegung mit nach eigenen Schätzungen in Deutschland und Österreich unter 5000 Parteigängern eher gering.25 Für die Mehrheit war eine Religion ohne Christus nicht denkbar.26 Sie hing einem unterschiedlich germanisierten Christentum an, das wie alle völkischen Religionsentwürfe antisemitisch und graduell unterschiedlich antikatholisch begründet war.

Damit sind zwei wichtige Wurzeln und Elemente der völkischen Weltanschauung benannt: der mittels der Rassenideologie konstitutive, in den einzelnen völkischreligiösen Segmenten unterschiedlich aggressiv ausgeprägte Antisemitismus und der der Germanenideologie immanente „antirömische Affekt“27.

Die völkische Weltanschauung geht von den Ariern als höchster Menschenrasse aus, wobei unter den Ariern wiederum die germanische bzw. nordische Rasse als die am höchsten entwickelte und am stärksten gefährdete gilt. Das Missbehagen, mit dem die Völkischen den Umbrüchen und Verwerfungen in der Moderne begegneten, erklärten sie mit einem rassischen Entartungsprozess als Folge von Rassenmischung und fremdrassigen Einflüssen. Dessen Ursprünge reichten in die Antike zurück, als mit den über die Alpen vordringenden Römern Nichtgermanen, römische Zivilisation und Christentum „dem germanischen Baum den aufsteigenden Frühlingssaft“ zu entziehen begannen.28

Der mit der deutschen Tacitus-Rezeption und der Formulierung der Germanenideologie einhergehende ‚antirömische Affekt‘ liegt dieser Anschauung zugrunde. Er ist konstitutiv für die völkische Ideologie, in besonderer Weise für die völkischreligiöse Bewegung in Gestalt von Antiklerikalismus, Antiultramontanismus, bei einzelnen Völkischen auch eines entschiedenen Antikatholizismus, und fassbar in der völkischen Ausprägung der ‚Los von Rom‘-Bewegung.29 Der Wahlspruch der in der ‚Los von Rom‘-Bewegung tonangebenden österreichischen Alldeutschen um Georg von Schönerer – „Ohne Juda, ohne Rom wird erbaut Germaniens Dom!“30 – hallte seit der Jahrhundertwende in der völkischen Presse und Publizistik wider. Unmissverständlich verdeutlicht diese beiden wesentlichen antithetischen Elemente völkisch(religiös)en Denkens die auch für die deutschchristliche Bewegung bedeutende völkische Zeitschrift Hammer mit ihrem Motto: „Es gibt keine Genesung der Völker vor der Ausscheidung des Judentums und der Trennung von Rom“.31

Von grundlegender Bedeutung für das völkische Denken waren Luther und die Reformation. Im deutschchristlichen wie paganen völkischen Verständnis begann der völkische Gedanke mit der Reformation in Deutschland insofern Platz zu greifen, als Luther das „Germanentum von Roms Herrschaft“ befreit habe.32 Die aus der nationalprotestantischen hervorgegangene völkische Luther-Verehrung hat hier ihre Ursprünge.33 Im deutsch-christlichen Denken stellte Luthers Lehre „nicht die höchste Stufe der Erkenntnis“ dar, wie auch die Reformation als „ein halb vollendetes Werk“ galt;34 Luther und Bismarck, der nach völkischem Verständnis zweite deutsche Reformator, bedurften noch der Vollendung, d.h. einer neuerlichen Reformation und der Errichtung eines alldeutschen bzw. großgermanischen Reiches.35 Der religiös-liturgische Fundus des Nationalismus, die schon zeitgenössisch immer wieder erklärte enge Verbindung des deutschen Nationalismus mit dem Protestantismus und das protestantisch-deutsche Kaisertum sind unverkennbare Wurzeln völkischer, namentlich deutschchristlicher Religionsvorstellungen.36

Von Deutschchristentum sprach zuerst Adolf Bartels, der 1913 die Parole ausgab: „Immer mehr Deutschchristentum, immer weniger Judenchristentum!“37 Wie für alle Führungsfiguren der Bewegung war auch für Bartels, dessen völkische Ursprünge in die antisemitische Bewegung der 1880er Jahre zurückreichen, der Antisemitismus Schlüsselelement seines wie des deutschchristlichen bzw. allgemein völkischreligiösen Denkens.38

Völkische Religion und Religiosität bedingten den Antisemitismus infolge des Dogmas von der Untrennbarkeit von Rasse und Religion. Deutschchristliche Ideologen forderten insofern, (1) dem Christentum „in Fortsetzung der ersten durch Luther bewirkten Umformung und Reinigung nun eine zeitgemäße abermalige Läuterung in freiem und arischem Geiste zu geben“39 und als Voraussetzung dafür (2) die Befreiung vom „exotischen jüdischen Kultus als … Vorstufe des deutschen Christentums“, denn „wenn der arische Gott in unseren Seelen geboren werden soll, dann muß der Gott Jehovah zertrümmert werden“.40 „Wir können in der Bibel fortan bloß das anerkennen, was sich mit dem arischen und germanischen Wesen … verträgt“,41 lautete die Devise. Nicht dazu zählten das Alte Testament, insbesondere die „deistisch-gedachte und naturwissenschaftlich-wertlose Schöpfungsgeschichte wie auch die sittlich-bedenklichen Gestalten der jüdischen Heroen“ und die Zehn Gebote „mit ihrer flachen Nützlichkeitsmoral …, ihrer grobsinnlichen und veralteten Gottesvorstellung von dem zornigen Jehova, ihrer orientalischen Herabwürdigung des Weibes … und ihrem auf bloße Furcht ganz oder halb … gegründeten unterchristlichen Standpunkt.“42 Nicht dazu zählte auch Paulus, dessen Theologie – und damit letztlich Luther – abgelehnt wurde, weil sie mit den diesseitsorientierten, aggressiven, rassisch begründeten völkischen Religionsgrundsätzen unvereinbar war.43

Dreh- und Angelpunkt des Deutschchristentums war die Christuslehre. Danach war Christus – wie etwa Wilhelm II. 1923 bekannte – „ein Galiläer gewesen von Abstammung, also kein Jude“.44 Man stützte sich bei dieser Beweisführung auf die theologische Argumentation Lagardes, die ethnologische Chamberlains und auf pseudo-etymologische Forschungen.45 Diese lieferten den Schlüssel für die Behauptung, das ursprüngliche Christentum sei eine Religion gewesen, die gemäß der Rassenideologie germanischem und deutschem Wesen entspreche und die dazu verpflichte, ihren „arischen Charakter … zu bewahren, ihn herauszugestalten, wenn er durch fremde Einflüsse zu verschwinden droht.“46

Dementsprechend sahen deutschchristliche Ideologen ihre „sittliche Pflicht“ darin, Christus mit „nordischen Augen“ zu sehen47 und die „arischen Bestandteile der Jesus-Lehre“ mit der völkischen Eigenart der Deutschen in Einklang zu bringen,48 um „allmählich und stetig“ das Christentum „mit germanischem Geiste und deutschem Wesen“ zu durchdringen.49 Was dies meinte, beschreibt Max Bewer in dem programmatischen Gedicht ‚Der deutsche Christus‘:50

Die Hand vor Augen, so schaue ich

nach dir im Morgenscheine –

ich weiß deinen Weg; er führet dich

vom Jordan nach dem Rheine.

Das Ohr auf die Erde festgedrückt,

spür ich nach deinen Tritten –

du kommst nicht unter das Kreuz gebückt,

du kommst wie ein Gott geschritten.

Das Kind ward Mann, das Kreuz ward Schwert

und Rosen die Dornenreiser;

dein Reich ist die Welt und Deutschland dein Herd –

wann kommst du, heimlicher Kaiser?

Der „deutsche Christus“ ist Ebenbild jenes völkischen Geschöpfes, dessen Erschaffung das Endziel aller Rassenerneuerungsvisionen war: Es ist eine heroische, tat- und opferbereite Kämpfer- und Führernatur, in der sich der „lichte, strahlende, freundliche Baldur“ ebenso „verkörpert“ wie „der starke, schwerttragende“ Kriegsgott Týr.51 Der germanengläubige Maler-Dichter Ludwig Fahrenkrog hat diesem völkischen Christus 1906 Gestalt gegeben, die ein Kritiker in eine „Reihe der großen Kraftmenschen und Geistesheroen von Alexander an bis Moltke“ stehen sah und die zweifellos „die Züge des Energischen, des Unerbittlichen und Rücksichtlosen“ trägt, aber nicht „im Kampfe für Gottes Sache“, sondern für die völkische.52

Es gab für Friedrich Andersen, einem Wegbereiter der deutschchristlichen Bewegung,53 keine Zweifel, „wie die Heldenhaftigkeit dieses Gottesstreiters gerade uns Germanen zu Herzen gehen und eine begeisterte Liebe bei uns wecken mußte.“54 Für Deutschchristen stand es außer Frage, daß dieses heroisierte Christentum die arteigene Religion der Deutschen sei: Denn (1) sei „das Christentum als höchste Religion … aus der höchsten“, d.h. der arischen Rasse hervorgegangen, (2) sei den germanischen Vorfahren in ihrer Glaubenswelt, fassbar in den Asengöttern Odin und Balder, die „Jesus-Religion … vorausbestimmt“ gewesen und (3) ließen sich seit der Spätantike, beginnend mit der deutschen Mystik, dann bei Luther und in der Reformation „Ansätze zu einer selbständigen völkischen Ausprägung“ des Christentums erkennen.55 Mit dem „deutschen Gott“ und dem ihm unterliegenden Glaubensgrundsätzen hatten die deutsch-christlichen Ideologen die Vorgaben der völkischen Rassen – wie der als historische Legitimationsinstanz fungierenden Germanenideologie mit ihren Paradigmen von Prädestination und Superiorität der germanischen bzw. nordischen Rasse erfüllt.56 Der Führer der Volkserzieher-Bewegung, Wilhelm Schwanerdialog@weleda.de, formulierte dieses Denken in seinem Glaubensbekenntnis:

„Ich glaube an den Menschen, großmächtigen Herren aller Dinge und Gewalten auf Erden. Ich glaube an den Deutschen, Gottes lieben anderen Sohn, den Herren seiner selbst; der empfangen ist unter nördlichem Himmel, geboren zwischen Alpe und Meer, gelitten hat unter Papisten und Mamonisten, verleumdet, geschlagen und verelendet ist, verurteilt von Teufeln aller Art bis zur Hölle, nach Jahrzehnten der Verzweiflung und der Armut immer wieder auferstanden vom staatlichen und volklichen Tode, aufgefahren in die geistig-seelische Welt Eckeharts, Bachs und Goethes, sitzend mit dem Bruder aus Nazareth zur Rechten des Ewigen, von dannen er zu Zeiten wieder kommen wird, in seiner heliandischen Artung zu richten die lebendig Begrabenen und die Toten. Ich glaube an den guten Geist der Menschheit, eine heilige Kirche der Zukunft, die Gemeinschaft aller ernst, rein und selbstlos Wollenden, Ausgleichung aller Vergehen, Wiedergeburt vollkommeneren Erscheinung und ein rücklings wie vorwärts ewiges Leben. Amen.“57

Im Gegensatz zu den paganen Völkischreligiösen, die sich um 1910 zu organisieren begannen, schlossen sich die Deutschchristen erst nach dem Ersten Weltkrieg zusammen.58 Ausnahmen bilden der durch Jörg Lanz von Liebenfels (d. i. Adolf Lanz) 1900 gegründete ariosophische Ordo Novi Templi59 und der nur in schemenhaften Umrissen bekannte, 1903 am Hermannsdenkmal ins Leben gerufene Deutschreligiöse Bund.60 Die späte Organisation der deutschchristlichen Bewegung hängt mit dem Selbstverständnis der Deutschchristen zusammen, deren Fernziel eine ‚neue Kirche‘ im Sinne einer überkonfessionellen „deutschen Einheitskirche“ war61 und die sich vornehmlich als eine „große Laiengemeinschaft“ verstanden.62 Sie rührt wohl auch daher, dass die in der deutschchristlichen Bewegung engagierten evangelischen Pfarrer eine offene Konfrontation mit der Amtskirche scheuten.63 Entscheidend war vor allem das radikalisierte gesellschaftliche und politische Klima seit dem Ende des Ersten Weltkriegs, das die deutschchristliche Bewegung veranlasste, „eine möglichst rückhaltlose Stoßkraft“ zu entfalten, um den „Bann des Judenchristentums“ zu brechen,64 wie mit Friedrich Andersen erklärte. Der Flensburger Pastor war anlässlich der 400. Wiederkehr des Reformationsfestes zusammen mit Adolf Bartels, dem Dresdner Kirchenrat Ernst Katzer und dem Herausgeber der Bayreuther Blätter Hans von Wolzogen an einer im völkischen Leipziger Verlag von Theodor Weicher erschienenen Programmschrift beteiligt, die in „95 Leitsätzen“ die geschilderten völkischen Grundgedanken des „Deutschchristentums auf rein evangelischer Grundlage“ zusammenfasste.65 1921 gehörte er zu den Mitbegründern des von dem Berliner Studienrat Joachim Kurd Niedlich initiierten Bundes für Deutsche Kirche.66 In erster Linie als deutschchristliche Propagandaorganisation geschaffen, ging es dem Bund für deutsche Kirche um

„die Umgestaltung des gegenwärtigen, auf semitischen Boden gewachsenen Kirchenchristentums zu einer Religion, die in Herz und Leben des deutschen Volkes einzuwachsen fähig ist. Aus der elenden Zersplitterung heraus gilt es den Versuch zu wagen, eine deutsche Volkskirche neu aufzubauen, eine Volkskirche als Gesinnungsgemeinschaft, in der sich alle Deutschgesinnten … zusammenfinden können.“67

Zwölf Jahre später schienen diese Vorgaben wie auch die Ideologie der Deutschchristen mit der unter Mitwirkung des Bundes für deutsche Kirche und Artur Dinters Geistchristlicher Religionsgemeinschaft68 1932 gegründeten Glaubensbewegung „Deutsche Christen“ und deren Bündnis mit dem Nationalsozialismus Wirklichkeit zu werden:69 Unter tosendem Beifall verkündete der stellvertretende Berliner Gauobmann der Glaubensbewegung „Deutsche Christen“ im November 1933 im Berliner Sportpalast „die Vollendung der deutschen Reformation im Dritten Reich“ und den Aufbau einer völkischen Kirche auf der Grundlage eines „artgemäße[n] Christentums“.70

Das war ein Trugschluss, dem Deutschchristen wie ‚Neuheiden‘ anheimfielen. Beide verkannten, dass der Nationalsozialismus Bestrebungen fernstand, eine deutschchristliche und/oder ‚neuheidnische‘ arteigene Religion zu etablieren.71 Der Nationalsozialismus war nämlich jene „Weltanschauung mit religiösen Elementen“, welche die Völkischen mit ihrer Forderung nach einer „wirkliche[n] Religion“ zwar entschieden ablehnten,72 der sie jedoch mit ihrer rassen- und germanenideologisch begründeten arteigenen Weltanschauungsreligion den Weg bereiteten. Das gilt im Besonderen für die antisemitische deutschchristliche Bewegung und für ihre sich seit Mitte der 1920er Jahren zunehmend enger dem Nationalsozialismus annähernden Wortführer.

Christen im Dritten Reich

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