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Kapitel 6 Johannes am Ostersamstag 2006

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Es war ein ganz gewöhnlicher Tag. Gestern, als im Dienst etwas vorfiel, was hier noch mal verdeutlichen kann, was ich vorhin damit meinte als ich erwähnte, dass sich ausländerunfreundliche Ausdrucksweisen in meiner Gegenwart manchmal wie eine Lawine ausbreiten.

Ich war schon am Ende des fünften Kapitels angekommen, als ein guter Kollege mich fragte, ob er denn mal einen Teil meines Buches lesen könnte, da ich ihm davon erzählt hatte. Ich schickte es ihm per Email. Sein Name in diesem Buch lautet Mama. Ich nenne ihn so, weil er mir als Anleiter zugeteilt war, als ich neu in meiner jetzigen Dienstabteilung war. Mama sagte mir damals scherzhaft, dass er wie eine Mutter zu mir sein würde. Daher jetzt Mama. Ich habe dann ungefähr eine Woche zusammen meinen Dienst mit ihm versehen und dann war er entweder ständig krank, im Urlaub, oder mit anderen Dingen beschäftigt und somit oft nicht da. Wenn man dabei bedenkt, dass unsere Anleiter für die Zeit von ca. drei bis sechs Monaten für uns Neue vorgesehen waren, kann ich doch behaupten, dass Mama mir gegenüber eine ziemliche Rabenmutter war. Aber er war tatsächlich begeistert von dem, was er von meinem Buch gelesen hatte.

Es war der Ostersamstag 2006, an dem wir beide und ein paar weitere Kollegen zusammen das Einsatzkommando unserer Dienststelle stellten. Für alle die jetzt nicht wissen, was die Aufgabe eines solchen Einsatzkommandos ist, will ich es mal sehr kurz erklären.

Man sitzt in kleinen Teams auf einem Mannschaftswagen, hat eine Schlagschutzausstattung an und unterstützt hauptsächlich die Kollegen aus dem Streifendienst. Hierbei geht es meist darum, dass zu den Nachtdiensten an Wochenenden die Kollegen oft zu Schlägereien anfahren müssen, wo sie dann zu zweit häufig einer größeren Gruppe von sich streitenden Bürgern gegenüber stehen. Zu solchen Einsätzen schickt dann die Einsatzleitzentrale Einsatzkommandos, die die Kollegen aus dem Streifendienst unterstützen sollen.

Wie ich vorhin schon erwähnte war es Ostersamstag und wir waren somit mitten im April. Ich erwähne das, weil wir vor ca. zwei Wochen ein paar Neuzugänge in unsere Dienstabteilung bekommen hatten. Einer der neuen Kollegen, ich taufe ihn jetzt mal im Rahmen des Osterfestes in Andenken an den großen Täufer auf Johannes, gehörte diesen Abend mit zu unserem Einsatzkommando.

Da es mal gerade zwei Wochen her ist, kann ich mich noch sehr gut erinnern, wie höflich Johannes war, als er neu zu uns kam. Es ist ja auch eigentlich selbstverständlich, wenn man neu in eine größere Gruppe kommt, dass man dort erst mal höflich zurückhaltend bleibt, bis man sich irgendwann warm geworden ist. Genauso gehört es dazu, dass sich die Altkräfte unserer Dienstabteilung immer ein paar kleinere Frechheiten und gewisse Arroganzen gegenüber den Neuen herausnehmen. Aber in einem gewissen Rahmen funktioniert das Ganze immer sehr gut. Wie sagt man, Lehrjahre sind eben keine Herrenjahre.

Johannes und ich kannten uns jetzt also zwei Wochen. Ich muss sagen, dass er doch ein sehr netter Kollege ist. Trotzdem hat er mir einen Anlass gegeben, mich heute hier hinzusetzen und diese Zeilen zu tippen.

Wir fuhren nun zusammen im Einsatzkommando und wie das so ist, gibt es auch die eine oder andere Stunde in der einfach nichts passiert. Man sitzt dann da, gönnt sich einen Kaffee und unterhält sich über Gott und die Welt.

Wir unterhielten uns über die Diskothekenszene in unserer Stadt. Wer welche bevorzugte und wer auf welche Musik stand war unser Gesprächsinhalt.

Plötzlich sagte Johannes dann in einer abfälligen Art und Weise, dass einer der besagten Läden, der gerade genannt wurde, ein Laden für Ölaugen sei.

Wenn man so will, ist diese Äußerung ja nun vielleicht nicht weiter wild. Dennoch war sie aber so wild, dass Mama, der diesen Abend Fahrer war, sofort in den Rückspiegel schaute, grinste und mir dabei in die Augen sah. Johannes saß hinten links und ich hinten rechts, so dass ich Mamas Blick sofort wahrnahm. Wir grinsten uns an, da wir beide in diesem Moment haargenau dasselbe dachten. Mama hatte ja erst gestern die bis dato fertigen Seiten meines Buches gelesen und wir beide wussten, dass die Äußerung von Johannes über Ölaugen seinen Platz in diesem Buch finden würde.

Ich würde ja nichts sagen, wenn ein guter alter Freund neben mir sitzen und das Wort Ölauge benutzen würde, aber Johannes kannte mich kaum. Und man darf ja eines nicht vergessen. Johannes war auch ein Polizeibeamter. Und zwar immerhin im gehobenen Dienst als Kommissar tätig. Das mal beiseite gelassen war er auch ein erwachsener Mensch, der gewisse Verhaltensweisen an den Tag legen müsste. Was hatte er sich nun dabei gedacht, neben mir zu sitzen und abfällig über Ölaugen zu reden.

Allein eine gewisse Benimmregel hätte ihn doch davon abhalten müssen.

Ich reagierte nicht und lies ihn weiter reden. Wenn Sie mich jetzt fragen, warum ich nicht reagiert habe, muss ich Ihnen ganz ehrlich sagen, dass es daran lag, dass ich ihn in diesem Augenblick nicht vor den Kopf stoßen wollte.

Paradox könnte man jetzt sagen. Er gibt eine mich beleidigende Äußerung von sich und ich mach mir Gedanken, ihn nicht vor den Kopf stoßen zu wollen. Aber so war es tatsächlich. Ich dachte mir, wenn ich ihn jetzt vor all den anderen Kollegen auf seine Ausdrucksweise ansprechen und ihn zurechtweisen würde, könnte er sich peinlich betroffen fühlen. Es war ja auch so, dass er ja nun mal ein Neuer war und sich ansonsten sowieso ein wenig zurückhaltend benahm. Ihm war das Ölauge herausgerutscht. Er hatte einfach nicht darüber nachgedacht.

Ich glaube, dass er mir gegenüber in Zukunft zu befangen wäre, wenn ich ihn kritisiert hätte. Einerseits könnte man ja jetzt auch zu mir sagen, wieso? Was willst Du überhaupt? Warum willst Du ihn denn für den Ausdruck Ölauge kritisieren. Wie glaubwürdig wäre das denn? In ein paar Tagen oder Wochen würde er doch eh mitbekommen, dass Dich eine ganze Reihe von Kollegen zwar witzelnd, aber doch abwertend mit „ey Türke“ oder „Ölauge“ ansprechen. Und ganz bestimmt hatte er es sogar schon in den letzten zwei Wochen erlebt.

Das stimmt natürlich. Aber andererseits muss es doch mir persönlich überlassen sein, welchem Kollegen oder Freund ich welche Frechheit oder Entgleisung mir gegenüber durchgehen lasse. Nur weil mich mein bester Freund in Kollegenkreisen vor Allen einfach „blöder Ali“ nennen darf, gilt das ja noch lange nicht für alle anderen Kollegen.

Wenn Sie sich jetzt fragen sollten, was ich überhaupt für ein Typ bin, warum ich auf diese Art auf Beleidigungen nicht reagiere und ob ich nicht meine, dass ich auch für andere Ausländer und auch Deutsche eine gewisse Verantwortung trage, der ich doch gerecht werden müsste, dann muss ich sagen, dass ich schon meine, dass ich bezüglich dieses Themas eine gewisse Verantwortung auch für Andere trage. Natürlich. Und selbstverständlich würden sich viele Ausländer freuen, wenn ich und andere Polizisten mit ausländischer Herkunft es ein Stück weit erreichen könnten, dass es zu weniger Ausländerhass, zu weniger Ausländerangst und mehr Ausländerverständnis innerhalb der Polizei käme.

Gar keine Frage, ich habe es ja schon oft gehört. Aber ich kann und will nicht irgendwelche Kollegen, nur wegen irgendwelcher verbalen Äußerungen in eine politische Ecke stellen, in der sie nicht stehen.

Ich möchte dazu mal von meinem Kollegen Christoph erzählen, der überzeugter Mitte-Links-Wähler ist. Im Dienst gab es schon oft die Situation, in der er mit Ausländern konfrontiert war. Er hat seine Arbeit dann nicht nur professionell, sondern auch mit viel Anstand und Verständnis für ausländische Sitten und Gebräuche ausgeführt. Insgesamt immer sehr bürgernah. Wie soll ich nun diesen Kollegen beurteilen, wenn es nach etlichen Diensten mal dazu kommt, dass er von ausländischen Jugendlichen beleidigt und tätlich angegangen wird, so dass er sich dann auf der Wache über diese „Dreckskanaken“, wie er sie nannte, aufregt? Soll ich ihn deshalb gleich als Rechtsradikalen in eine Ecke mit überzeugten Nazis und anderen Menschenverächtern stellen?

Das könnte ich nicht. Es wäre auch nicht richtig. Klar würde ich mir wünschen, dass er die Situation mit den ausländischen Jugendlichen genauso beurteilt, wie seine gewalttätigen Erlebnisse mit jugendlichen Deutschen. Aber das tut er leider noch nicht. Wenn ein Ausländer Ärger macht, heißt es leider meist immer noch: „Typisch!“

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