Читать книгу Der Bibuka - ...Deutscher, ...Polizist ...und doch nur ein Kanacke?! - Группа авторов - Страница 6
Kapitel 2 Nur Ärger mit den scheiß Kanaken
ОглавлениеEs war ein ganz gewöhnlicher Tag. Meine Kommilitonen und ich hatten schon ein Jahr theoretisches Studium an der Polizeifachhochschule hinter uns. Jetzt sollte unser erstes praktisches Studiensemester beginnen. Wir waren zum ersten Mal in Uniform mit Schusswaffe und allem drum und dran dem Bürger bei Seite. Klar war das aufregend und klar hatte man viele dienstliche Fragen, die einem durch meist sehr hilfsbereite Kollegen beantwortet wurden.
Einigen ging man auf den Nerv mit der vielen Fragerei, aber das war bei der Stundenbelastung der Kollegen nur zu gut zu verstehen. Anderen wiederum konnte man anmerken, dass es sie sehr erfreute ihr Wissen weiter zu geben. Und ich nahm es dankend an.
Nach einigen Tagen kam es dazu, dass ein Kollege, mit dem ich mich allein im vorderen Bereich der Wache aufhielt, sich zu mir drehte und folgendes sagte: „Eigentlich kann ich Türken ja nicht leiden, aber wir müssen wohl zusammen arbeiten.“ Er grinste dabei nicht. Nein, er wollte mich nicht auf den Arm nehmen oder so etwas. Er meinte es völlig ernst. Ich war für einen kurzen Augenblick verwirrt, weil ich nicht wusste, was er nun von mir erwartete.
Ich wollte ihn nicht unnötig provozieren und sagte nur: „Man kann nicht alles haben…“ Dann zogen sich seine Mundwinkel langsam zu einem halbherzigen Lächeln und er sagte: „Aber du bist doch bestimmt anders als die anderen! Oder?“
Anders? Fragte ich mich. Nein gar nicht. Ich war einer von vielen Migranten. Meiner türkischen Herkunft sehr wohl bewusst und nicht assimiliert. Auch hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal die deutsche Staatsbürgerschaft. Ich war durch eine Sondergenehmigung des Innenministeriums als Beamter eingestellt worden. Nicht EU-Bürger, die Beamte werden wollten, mussten eine Erklärung abgeben, dass sie ihre Muttersprache in Wort und Schrift beherrschten. Dann wurden bei Bedarf Ausnahmen zugelassen.
Mit „anders“ meinte er wohl „nicht kriminell“, „kein Schläger“, „kein sonst was“. Aber die Genugtuung gab ich ihm nicht. Ich sagte: „Nein, ich bin nicht anders. Es gibt aber sicherlich einige Türken, die anders sind als die große Masse bei uns und das werden wohl auch die sein, die du nicht magst.“
Er wusste was ich meinte und versuchte jetzt vom Thema abzulenken, indem er mich nach meinem Studium fragte.
Ich antwortete ihm aber nicht auf diese Frage. Ich wollte erst sein Problem mit mir klären. Ich wusste nicht, was er sich bei seiner Bemerkung gedacht hatte. Wollte er mich provozieren, wollte er seinen Gemütszustand ausdrücken? Was war es? Was war es, dass er immerhin das Risiko einging, dass ich mich über ihn beschwere. Ich hätte das Thema an die große Glocke hängen können. Seinen Dienstabteilungsleiter informieren, meinen Ausbildungsbeauftragten der Polizeiinspektion und, und, und. Er hätte sich eine Menge Ärger einhandeln können. Was gab ihm diesen Mut, trotzdem diese Äußerung so stumpf von sich zu geben.
Ich entschloss mich in diesem Moment dazu, ihm meine wahre Meinung zu sagen. Es war zwar eine sehr diskussionswürdige Meinung über die ich auch allein für mich manchmal im stillen Kämmerlein nachdachte, aber es war nun mal meine Meinung.
„Ich kann mir gut vorstellen, dass du und einige andere Kollegen Probleme mit Ausländern habt. Es ist auch okay, weil die Probleme ja auch über die Zeit irgendwie entstanden sind. Auch musst du mich persönlich nicht mögen. Du darfst dich auch in meiner Gegenwart über Ausländer aufregen, beleidigende Äußerungen aussprechen, zumindest solange die Betroffenen nicht dabei sind. Reg dich ruhig im Streifenwagen, auf der Wache oder sonst wo, wenn wir alleine sind, auf. Bezeichne sie meinetwegen als Kanaken oder so. Aber ich sag dir auch ganz deutlich, dass ich in jedem Fall, wenn ein Ausländer vor uns steht und du ihn in meiner Gegenwart nur deswegen anders oder schlechter behandelst, weil er Ausländer ist, ich dagegen schriftlich vorgehen werde.“
Der Kollege schaute mich an und sagte nur: „Ne, ne, ich behandele Ausländer nicht anders.“
Wer es glaubt, dachte ich mir nur, aber ließ es auf sich beruhen.
Der Kollege versuchte nicht weiter über das Thema zu diskutieren. Er wollte mir anscheinend nur seinen Standpunkt klarmachen und austesten, wie weit er bei mir gehen kann. Ich muss zugeben, dass er das sehr offensiv gemacht hatte. Es wäre ein Leichtes gewesen, die Problematik um Längen subtiler und unauffälliger anzusprechen. Im Nachhinein denke ich mir, dass er mit meiner Reaktion nur Glück gehabt hatte. Irgendwie muss er gespürt haben, dass ich nicht so sensibel bin und es nicht zum Chef tragen würde.
Trotzdem hatte ich später von diesem und auch anderen, ähnlich gelagerten Erlebnissen befreundeten Kollegen erzählt. Sie hatten wenig Verständnis für meine Reaktion und fragten mich, warum ich nicht bestimmter gegen so eine Einstellung vorginge. Aber zu diesem Punkt möchte ich mich an späterer Stelle noch mal eingehender äußern.
Einige Wochen später war ich mit mehreren anderen Kollegen auf der Wache, als der jugendliche Sohn von einem von ihnen hereinkam. Ich hatte mich gerade auf die Suche nach einem Aktenordner im unteren Bereich eines Regals gemacht. Der Sohn des Kollegen konnte mich nicht gut sehen, da ich nicht nur von ihm abgewandt und in der Hocke saß, sondern auch noch ein großer Schreibtisch uns beide trennte.
„Hallo! Wie war es in der Schule?“ fragte mein Kollege ihn und sein Sohn antwortete ganz aufgeregt: „Oh man, nur Ärger mit den scheiß Kanaken gehabt. Immer dasselbe!“ Meinem Kollegen konnte ich in diesem Moment ins Gesicht schauen. Er hob die Augenbrauen, zog ein Gesicht, als ob ihn etwas peinlich berührte, grinste dann und sagte: „Pass auf, ich hab hier einen ausländischen Kollegen.“ Und deutete dabei auf mich.
Sein Sohn sah mich an, die anderen schmunzelten ein wenig und ich sagte einfach: „Hallo.“
„Na ja, die Ausnahme! Die anderen sind doch alle gleich scheiße!“, sagte er dann und regte sich weiter auf. Anscheinend hatten einige jugendliche Ausländer ihm und seinen Freunden Prügel angedroht.
Sein Vater ging gleich auf den Sachverhalt ein, um nicht die peinliche Situation bezüglich der Äußerungen seines Sohnes ausbügeln zu müssen. Ich hatte jedenfalls den Eindruck. Er fragte gleich, worum es genau ging und ob jemand dabei zu Schaden gekommen war.
Ich saß einfach da. Die anderen gingen entweder ihrer Arbeit nach oder hörten den Beiden zu, um zu erfahren was nun in der Schule vorgefallen war.
Keiner, so schien es, scherte sich einen Dreck um die Frechheit, die der Sohn des Kollegen besaß.
Diese Äußerung noch von sich zu geben, dass alle anderen Ausländer doch gleich scheiße waren, obwohl er sah, dass ein ausländischer Mensch in einer Polizeiuniform neben ihm saß, war für mich unvorstellbar.
Keine Entschuldigung, keine Höflichkeitsfloskel, kein gar nichts. Er beleidigte und quasselte einfach weiter, als sei nichts passiert. Und der größte Witz an der Sache war, dass er mich auch noch als die Ausnahme bezeichnete. Na vielen Dank!
Ich hörte ihm weiter zu und beschloss nichts dazu zu sagen. Sein Vater war mir eigentlich sehr sympathisch gewesen, ich verstand mich gut mit ihm. Nur hätte ich in dieser Situation von ihm erwartet, dass er seinen Sohn wenigstens zu einer Entschuldigung bewegt, anstatt das ganze unter den Teppich zu kehren und so zu tun, als sei nichts gewesen.
Auch wenn ich spürte, dass es ihm in diesem Moment ein wenig peinlich war, wie auch den anderen Kollegen, die später noch ihre Witze über die Situation machten, war ich ein wenig angekratzt.
Ich fing an über meine Sicht der Dinge, über meine Meinung zu dem Thema nachzudenken.
Es war so, wie ich bei meinem ersten persönlichen Erlebnis mit, …na ich will es mal „Ausländerunfreundlichkeit“ nennen, geäußert hatte. So lange das polizeiliche Gegenüber durch Kollegen nicht von einer politisch motivierten Handlung negativ betroffen war, in meiner Gegenwart, tolerierte ich es. Es war mir nicht egal, wie jemand politisch dachte und ob er sich über Kanaken aufregte, aber ich billigte jedem seinen Freiraum. Nur berufliche Professionalität erwartete ich von den Kollegen. Mehr wollte ich nicht. Ich bin mir zwar ganz sicher, dass es viele Leute geben wird, die der Meinung sind, dass meine Einstellung sehr ignorant sei oder zu sehr verharmlose, aber ich bin nicht zur Polizei gegangen, um aktiv gegen politisch rechtsradikales Gedankengut in Kollegenkreisen in jeglicher Form vorzugehen. Ich hatte nie den Wunsch als Teil des Polizeisystems von innen heraus einen Feldzug (wenn ich das mal so nennen darf) zu beginnen. Und bei allem was ich Ihnen noch so erzählen werde in diesem Buch, ein Feldzug ist auch gar nicht nötig.
Bei der Situation mit dem Sohn des Kollegen merkte ich nur, dass es für den Jungen etwas ganz Banales war, sich so zu äußern. Er kam nicht im Entferntesten darauf, dass er etwas falsch gemacht haben könnte. Zu Hause sprach er wohl auch so über Ausländer, über Kanaken, so dass er es in Gegenwart seines Vaters auf der Dienststelle genauso tat. Ganz ungezwungen und normal.
So langsam spürte ich, dass wohl doch mehr Kollegen ein gewisses Problem mit Ausländern hatten, als ich ursprünglich annahm. Nicht unbedingt so, dass sie am Wahltag auf dem Stimmzettel die NPD wählen würden, auch wenn es diese Beamten ganz sicherlich gab, sondern eher so, dass sie der Ansicht waren, dass man viele wieder in ihre Herkunftsländer zurückschicken sollte.
Alles sehr wenige Einzelfälle? Nun, ich weiß nicht so recht. Lassen Sie mich noch einmal darüber nachdenken, wenn ich zurück zum Beginn meines Polizeistudiums blicke…