Читать книгу Der Bibuka - ...Deutscher, ...Polizist ...und doch nur ein Kanacke?! - Группа авторов - Страница 12
Kapitel 8 WM 2006 Türkei – Schweiz
ОглавлениеEs war ein ganz gewöhnlicher Tag vor einigen Wochen. Ich hatte einen Sondernachtdienst mit meiner Einsatzgruppe. Um ca. 20:00 Uhr lief das Ausscheidungsspiel der Schweizer gegen die Türkei in der WM Qualifikation für das Jahr 2006.
Bei einem Sieg der Türken erwartete man logischer Weise viele feiernde, türkische Fußballfans auf der Straße. Die Folge wäre dann mindestens ein Autokorso und andere Aktionen, die den Straßenverkehr beeinflussen könnten, gewesen. Daher unser Sondernachtdienst.
Natürlich schlug mein Herz an diesem Abend für die türkische Nationalmannschaft. Bis auf zwei Kollegen, die mir die Daumen drückten, waren alle anderen Anwesenden, ca.10 Kollegen, gegen einen Sieg der Türken. Sie hatten keine Lust auf den ganzen Ärger, den die WM Spiele in Deutschland mit sich bringen würden, wenn die türkische Nationalelf ein Spiel haben würde.
Es fielen Sätze wie: „Hoffentlich verlieren die Türken.“ „Die scheiß Türken will doch eh keiner dabei haben.“ (wohlgemerkt wurden diese Aussagen „halb-spaßig“ geäußert, wie „halb-spaßig“ man das Ganze auch bewerten mag…)
Sofort kam in einigen Kollegen die Erinnerung an die vergangene Weltmeisterschaft. Die türkischen Fans in meiner Stadt müssen damals sehr exzessiv gefeiert haben, als sie den dritten Platz belegten. Es war zu kleineren Ausschreitungen und beleidigenden Äußerungen gegenüber den eingesetzten Kollegen gekommen. Alles in allem hatten sie schlechte Erinnerungen an das Verhalten der türkischen Fans.
Ich konnte mich noch sehr gut an die Zeit der letzten Weltmeisterschaft 2002 erinnern. Damals war ich im praktischen Studiensemester. Nicht in der Stadt wo ich heute meinen Dienst versehe, sondern ca. 35 km weiter entfernt in einer kleineren Stadt. Sie hatte im Vergleich nur ca. ein Fünftel an Bevölkerung. Ich weiß es noch wie heute, dass mir die Kollegen damals sagten, dass die türkischen Fans sich vorbildlich benommen hätten beim Feiern. Es gab nur gute Laune, keine Ausschreitungen und alle betonten, dass es bei den deutschen Fans ganz anders war. Die hatten ganz frech eine der Hauptkreuzungen blockiert, einen Kollegen mit einer geworfenen Flasche am Kopf verletzt und laut randaliert.
Nun, diese beiden unterschiedlichen Erlebnisse der damals eingesetzten Kollegen lag örtlich, wie ich eben erwähnte, nur 35 km voneinander entfernt.
Die Einen „hassten“ die türkischen Fans, die Anderen bewerteten sie sogar als vorbildliche Fans. Da frag ich mich doch, wie kann man da nur so verallgemeinern. Das galt für beide Seiten der Kollegen. Gerade bei solchen Ereignissen, wo meist kleinste Geschehnisse eine Lage eskalieren lassen können.
Die meisten meiner Kollegen sind heute im gehobenen Dienst tätig. Das heißt, ein großer Teil von ihnen hat Abitur, hat ein Studium absolviert, wurde psychologisch und soziologisch gerade auch in Sachen mit Fußballfans geschult und besitzt eine gewisse Allgemeinbildung.
Wie kommt es also, dass gerade diese Beamten in solchen Situationen so verallgemeinern und sogar anfangen leichte Hassgefühle gegen irgendwelche Volksgruppen zu entwickeln.
Na ja, wie Sie sich jetzt vielleicht noch erinnern können, habe ich wohl an diesem Abend ganz gut daran getan, erst mal den Mund zu halten. So wie sich nach dem verlorenen Spiel die türkischen Fans im Stadion benommen hatten, das sprach ja Bände für sich. Aus der Nummer wieder heraus zu kommen, …glauben Sie mir, einfach war das nicht. Die nächsten drei, vier Tage durfte ich den meisten Kollegen erklären, warum die bösen Türken wohl so aggressiv waren und sich so daneben benommen hatten.
Nun, was sollte ich sagen? Weil sie kranke Typen waren. Warum sonst sollten sie sonst so aggressiv geworden sein, so dass es sogar dazu kam, dass die Schweizer Spieler mit allem möglichen beworfen wurden. Es war doch nur Glück, dass da niemand ernsthaft verletzt wurde. So benahmen sich nur Wilde.
Das war meine ehrliche Meinung. Nur projizierte ich das Verhalten der radikalen Fans nicht auf alle Türken.
Viele Kollegen die vor dem Spiel gehofft hatten, dass die Türken rausfliegen, sahen sich jetzt bestätigt und zogen gleich Parallelen zur vergangenen Weltmeisterschaft. Tja, ganz ehrlich? Viel zu sagen blieb mir nicht. Ich hatte auch irgendwie keine Lust dagegen zu argumentieren. In diesem Fall war mir die Verallgemeinerung wirklich egal…
Auch wenn ich es schade fand, dass „wir“ nicht mehr dabei waren. Aber ich konnte mich ja noch für „uns“ freuen. Gerade weil „wir“ ohne Qualifikation als Gastgeber automatisch gesetzt waren.
Wenn Sie jetzt an dieser Stelle ein wenig über meine Formulierungen mit dem „wir“ und „uns“ verwirrt sind, dann haben Sie leider Entscheidendes über meine und der Person anderer integrierter Migranten noch nicht verstanden.
Und rückblickend auf die EM 2008 kann ich nur sagen, was war das für ein schönes Feiern miteinander unter Deutschen und Türken. Die einzige wirkliche Randale hatten wir in unserer Stadt nur mit den deutschen Fans. Es gab bei uns nicht einen festgenommenen türkischen Fußballfan.