Читать книгу Der Bibuka - ...Deutscher, ...Polizist ...und doch nur ein Kanacke?! - Группа авторов - Страница 8
Kapitel 4 Nur Nazis mit Polizeimarke?
ОглавлениеEs war ein ganz gewöhnlicher Tag zur Zeit meines ersten praktischen Studiensemesters. Ich hatte schon einige Wochen absolviert und der Vorfall mit dem jugendlichen Sohn meines Kollegen lag mehrere Tage zurück.
Ich saß auf der Wache meiner Dienststelle. Es war gerade nicht viel zu tun, so saß ich gelangweilt herum und hielt Maulaffenfeil. Mein Kollege Joschka kam zu mir und nahm mich bei Seite. Er wollte sich mit mir unterhalten.
Mit den Kollegen aus meiner Dienstabteilung kam ich allgemein sehr gut aus. Natürlich gab es einige, die mir weniger sympathisch waren. Aber das lag in der Natur der Sache. So war es nun mal, wenn man in eine größere Gruppe von Menschen kam, die man vorher nicht kannte. Aber dass ich jemanden überhaupt nicht mochte, kann ich nicht sagen. Selbst mit dem Kollegen, der mir gesagt hatte, dass er Türken nicht leiden konnte, kam ich dienstlich gut aus.
Im Vergleich zu den anderen war Joschka noch ziemlich jung. Er war auch einer von denjenigen, die ich am meisten mochte.
Als er dann allein mit mir im Aufenthaltsraum hinter der Wache stand, fragte er mich wie es mir ging. Ich war ein wenig verdutzt, weil wir an diesem Tag schon seit einigen Stunden zusammen den Dienst verrichteten und uns auch schon alle gesprochen hatten. Ich war zwar nicht mit ihm auf Streife gewesen, aber auf der Wache hatte man ja eigentlich mit allen genügend Kontakt.
Tja, gut ging es mir. „Sei mal ganz ehrlich!“, sagte er dann. „Hast du irgendwelche Probleme im Praktikum?“
„Nein.“, sagte ich spontan. Ich fühlte mich ja soweit wohl. Mein Anleiter war okay. Er nahm sich auch immer Zeit, mir meine Fragen zu beantworten. Eigentlich konnte ich nicht klagen. Und Spaß machte mir der Dienst auch.
Joschka setzte einen seltsamen Gesichtsausdruck auf. So, als ob es ihm schwer fallen würde das auszusprechen, was er mir jetzt sagen wollte.
„Ich mein jetzt gar nicht auf den Dienst bezogen. Mehr auf die Kollegen. Gab es da mal irgendwelche Probleme. Ich meine, weil du Türke bist und so.“
Weil ich Türke bin und so. Jetzt wusste ich worauf er hinaus wollte. Aber genauso spontan wie ich vorher nein sagte, schüttelte ich nun mit dem Kopf. Klar gab es ein paar Kleinigkeiten, von denen ich Ihnen auch schon ein paar erzählt habe, aber Probleme? Ging es soweit, dass ich Probleme hatte? Nein! Ich fühlte mich wohl als Polizist. Und ich fühlte mich wohl an meiner Dienststelle.
„Nö. Wenn ich ehrlich bin, ist nichts worüber man reden müsste.“, antwortete ich ihm.
Joschka nahm das so hin und sagte mir aber noch, dass ich jeder Zeit zu ihm kommen könnte, wenn es irgendein Problem gäbe. Ich bedankte mich. Das war dann alles. Aber ich begann zu grübeln. Warum hatte er mich das nun gefragt. Machte er sich Sorgen, weil er von der Geschichte gehört hatte, dass sich der Sohn unseres Kollegen so daneben benommen hatte? Joschka war an dem Tag nicht dabei gewesen. Aber vielleicht hatte er die Witzeleien darüber gehört. Oder waren es die eventuellen Kleinigkeiten hinter meinem Rücken, die er mitbekam und sich daher sorgte? Ich wusste es nicht. Als erstes fiel mir der Kollege Dirk aus unserer Schicht ein. Dirk machte oft Sprüche und nannte Ausländer abfällig Ölaugen (natürlich nicht in ihrer Gegenwart. Mal abgesehen von meiner Person). Auch zu mir persönlich sagte er ab und an Ölauge. Wegen der dunklen, braunen Augen halt. Dirk lachte dabei aber immer und meinte es spaßig. Das Wort Kanake war bei ihm und ein, zwei weiteren Kollegen auch schon mal gefallen, wenn sie sich auf der Wache über Ausländer aufgeregt hatten. Sie sagten es nicht zu mir, sondern regten sich über ihr polizeiliches Gegenüber auf.
Ich habe ausländische Freunde und kenne auch zwei Türken, die ein Jahr nach mir mit dem Studium bei der Polizei angefangen hatten, die auf solche Ausdrücke nicht so locker reagierten wie ich. Sie wären bei den Worten Ölauge und Kanake schon in einer Situation, in der sie sich persönlich beleidigt fühlen würden. Auf jeden Fall gäbe es bei ihnen schon Gesprächsbedarf, wenn Kollegen in ihrer Gegenwart solche Ausdrücke benutzten.
Ich sah und sehe das alles ein wenig differenzierter. Wie ich schon mal erwähnt hatte, legte ich Wert darauf, dass unser polizeiliches Gegenüber solche verbalen Entgleisungen nicht mitbekam. Andererseits tolerierte ich es aber, wenn nur ich es war, der Kollegen erlebte, die sich auf der Wache oder im Streifenwagen auslassen mussten. Ich wollte nicht, dass meine Kollegen ständig einem Druck ausgesetzt waren, in dem sie sich kontrollieren mussten, nur weil ich in der Nähe war.
Es würde aus meiner Sicht den Anschein haben, dass sie von mir einen Maulkorb verpasst bekämen. Genau das hätte ich nie gewollt, da es ein zwangloses Miteinander unmöglich machen würde.
Klar musste man sich oft im Dienst, genauso wie privat, verbal unter Kontrolle haben. Ich selbst ja auch. In jeglichen verschiedenen Lebenslagen. Aber gerade am Arbeitsplatz möchte ich es in meiner Gegenwart zwangloser haben.
Es war doch so, nicht jeder der das Wort Kanake oder Ölauge benutzte, war automatisch ein Rassist. Ganz sicher nicht. Meine besten Freunde, ob deutsch oder türkisch, auch ich selber benutzte das Wort Kanake. Es hat sich als Schimpfwort in den Sprachschatz eingenistet. Man muss nur unterscheiden, wer es in welcher Situation, mit welcher Absicht, wem gegenüber äußert. Wenigstens im Rahmen einer oberflächlichen Anschauung. Finde ich. Man kann nicht gleich jeden Kollegen einen Nazi mit Polizeimarke nennen, nur weil er mal auf der Wache über Kanaken schimpft.
In eine etwas genauere und differenziertere Betrachtungsweise bezüglich unseres Sprachschatzes, möchte ich in einem späteren Kapitel eingehen. Gut, das Wort Ölauge habe ich bei der Polizei als Schimpfwort für Ausländer kennengelernt. Aber was soll `s? „Aber was soll `s?“ Kann man das wirklich meinen?