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Kapitel 5 Bibuka

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Es war ein ganz gewöhnlicher Tag in meinem Hauptstudium. Das Hauptstudium war ein Theorieblock, das man nach dem ersten praktischen Semester absolvierte. Wir hatten gerade Psychologie. Ich weiß nicht mehr was an diesem Tag unser Thema war und wie unsere Dozentin darauf kam, aber sie erzählte davon, dass sie von Studenten aus einer anderen Studiengruppe das Wort Bibuka aufgenommen hatte. Sie war nicht nur verwirrt, sondern auch ein wenig entsetzt, wenn ich das so sagen darf. Jedenfalls machte sie so den Eindruck. In diesem Zusammenhang brach bei einigen meiner Kommilitonen Gelächter aus. Auch das Wort Ölauge fiel nun. Bibuka und Ölauge. Das waren alles Begriffe, die man bei der Polizei eigentlich kennen musste.

Unsere Dozentin Frau Niedermeier war schon etliche Jahre im Dienst und hatte diese Begriffe noch nicht kennengelernt. Als sie nun erstmals das Wort Ölauge hörte, war sie erneut verdutzt und hatte Schwierigkeiten, das einfach so hinzunehmen. Sie schüttelte ihren Kopf und fragte: „Wie Ölauge? Wegen den dunklen Augen oder was?“ Ihre Tonlage lies erkennen, dass sie das sehr ernst betrachtete.

Meine Kommilitonen kannten fast alle diese Worte. Schon nach nur eineinhalb Jahren bei der Polizei.

Frau Niedermeier machte uns klar, dass sie es unmöglich fand, dass Worte wie Bibuka und Ölauge von uns Studenten als ganz gewöhnliche Bezeichnungen für Ausländer angesehen wurden.

Ich muss zugeben, dass ich das Wort Bibuka auch erst im Praktikum kennengelernt hatte. Bibuka. Klingt eigentlich ganz nett. Ich glaube nicht, dass der Schöpfer dieses Wortes, wer es auch immer gewesen war, jemals damit gerechnet hätte, dass ein türkischstämmiger Polizist es einmal als Titel zu seinem Buch benutzen wird. Bibuka heißt ganz einfach „Bilderbuchkanake“.

Der Bilderbuchkanake, so könnte man meinen sei etwas Positives. Halt wie aus dem Bilderbuch. Aber gerade der Bilderbuchkanake war für einige wenige, spezielle Kollegen, ein besonderes Problem. Der Bibuka war nämlich augenscheinlich anders. Meist in der Gesellschaft integriert, unauffällig, ohne Vorstrafen mit gutem Schulabschluss. Und am besten (ha, ha, ha) noch als Student bei der Polizei.

Ein paar meiner Kommilitonen erzählten mir davon, dass sie im Praktikum ältere Kollegen kennengelernt hatten, die sich darüber aufregten, dass man nun ja an der Polizeifachhochschule jeden „Scheiß“ annehmen würde. Auch solche Bibuka. Die bräuchten sich erst gar nicht in den jeweiligen Schichten der Dienststellen blicken lassen.

Wie man sich dabei fühlt, wenn man so etwas hört? Egal für wie robust ich mich emotional immer hielt, das drang dann doch zu einem durch und traf mich. Man hat in solch einem Moment nicht viele Möglichkeiten, um so etwas zu verarbeiten. Man kassiert einfach und verbucht es mit allen anderen negativen Erfahrungen, die man in seinem Leben gesammelt hat.


Wie sieht es jetzt aus mit Worten wie Bibuka, Ölauge, etc.? Waren sie allgegenwärtig? Wurde ich hinter meinem Rücken ständig so tituliert? Waren sie der Grund, warum zum Beispiel mein Kollege Joschka von mir wissen wollte wie es mir geht?

Fragte er nur wegen dieser verbalen Vorkommnisse? Die Kollegen in meiner Schicht hatten mir damals erzählt, dass sie Anfangs leichte Befürchtungen hatten, als sie auf der Liste der Praktikanten meinen ausländischen Namen sahen. Sie hatten tatsächlich die Sorge, dass ich ein Problem sein könnte. Entweder weil sie sich nicht mehr frei äußern könnten, oder weil ich eventuell ein nicht ganz so perfekt integrierter Migrant sein könnte, der eventuell etwas seltsam war. So ungefähr hatten sie sich mir gegenüber ausgedrückt. Natürlich nicht in einem ernsten Gespräch. Nein, sie hatten es schon spaßig verpackt.

Nach der ersten Kennenlernwoche waren sie dann wohl alle ganz zufrieden mit mir und freuten sich darüber, dass ich so war wie ich war.

Selbstbetrachtend fragte ich mich: Wie war ich denn?

War ich ein Lügner? War ich ein Schauspieler, der seine Probleme überspielte? War ich blind oder wollte ich blind sein? War ich ängstlich und hatte Angst vor Mobbing? War ich eine schwache Persönlichkeit, die sich nicht durchsetzen konnte?

Nein! All das war ich nicht. Ich glaube, dass ich ein sehr starkes Ego, ein sehr starkes Selbstbewusstsein habe und aus Problemen schon immer gut Energie ziehen konnte. Ich war oder bin nicht der Typ, der zu Hause sitzt und ewig herum heult, wenn es bergab geht. Ich stell mich dann auf und geh den Berg wieder hoch. Mit all den Konsequenzen, die dieser Aufstieg dann der Situation abverlangt.

Ich will hier jetzt nicht voller Selbstlob behaupten, dass ich ein absoluter Gewinnertyp bin. Schon oft, schon sehr oft bin ich auf die Schnauze gefallen und hab mir dabei wehgetan. Aber um es zu verstehen, muss man es vielleicht noch ursprünglicher betrachten. Damit meine ich, solange mir niemand mein Leben nimmt, gibt es immer noch eine Möglichkeit die Sache zu bewältigen. Betrachten muss man es nämlich von dem Standpunkt aus, dass es immer ein geringeres Übel als den Selbstmord oder den Tod allgemein gibt, um mit einem Problem fertig zu werden.

Was soll ich also über einen Kollegen denken, der bei der Arbeit ständig schlecht über den „Schlichtausländer“ aus dem Dienstalltag spricht. Ich weiß es doch selber, dass viele Ausländer im Umgang mit der Polizei recht forsch sind. Sie lassen sich nichts sagen, verstricken sich allzu oft in Widerstandshandlungen, sind oft beleidigend und, und, und. Auf Dauer frustriert das einige Kollegen halt. „Sollen sie sich doch in ihre Heimatländer verpissen!“ Hört man dann oft. Oder Sprüche wie: „Schon wieder diese Kanaken!“ Manchmal benutzen sie auch das Wort „Kuffnucken“. Was immer das auch bedeuten mag… Um Missverständnissen vorzubeugen, diese Beschimpfungen fallen nicht in Gegenwart der Betroffenen, sondern erst nach dem Einsatz in den Räumlichkeiten der Dienststelle oder auf dem Streifenwagen.

Aber all das passiert in meiner Gegenwart. Keiner dreht sich dann um und fragt mich, ob es mich stört. Oder ob ich ein Problem damit habe, dass diese Begriffe ständig fallen. Nun ganz ehrlich gesagt liegt es auch daran, dass die Kollegen mit denen ich arbeite sehr schnell merken, dass sie in meiner Gegenwart keine Angst haben müssen, dass ich auf dienstlicher Ebene ein Problem aus diesen verbalen Entgleisungen machen werde. Wenn sie meine Kollegen interviewen würden, bin ich mir sicher, dass alle sagen werden: „Nein! Niemals würde der deswegen ein Vieraugengespräch mit dem Vorgesetzten suchen.“

Manchmal hat es den Anschein, dass diese Situation sich wie eine Lawine ausweitet. Einer der Kollegen, der mich länger und besser kennt, fängt an in meiner Gegenwart Türkenwitze oder ausländerfeindliche Sprüche auf spaßiger Basis zu machen. Vielleicht ruft er sogar nach mir und zwar nicht mit meinem Namen, sondern mit: „Ey Türke!“.

Und dann ist die Reaktion von den Kollegen, die mich eben noch nicht solange kennen oder gerade erst kennengelernt haben immer gleich.

Sie gucken erst merkwürdig und sind fast peinlich berührt, weil sie nicht wissen, wie ich auf solche Beschimpfungen reagieren werde. Aber dann sehen sie etwas, was einige Personen als fatal betrachten. Jedenfalls haben mir schon einige Personen (Ausländer und Deutsche) gesagt, dass sie es nicht gut finden. Sie sehen nämlich, dass man es mit mir machen kann. Da sitzt dann unser Türke, also ich, und lasse mich aufgrund meiner ausländischen Herkunft beschimpfen. Und obendrein habe ich sogar noch ein Lächeln dafür über. Die Folge ist dann fast immer, dass sich die anderen Kollegen diese Frechheiten dann auch herausnehmen. Es wird zur Normalität. Es ist dann plötzlich nicht mehr schlimm, wenn man sich laut über Kanaken aufregt und ich dabei bin. Keiner hat dann mehr diesen anfänglich merkwürdigen Blick.

Es wird ganz gewöhnlich.

Aber soll ich nun tatsächlich meinem Freund oder gutem Kollegen, mit dem ich ein vertrautes Verhältnis habe, mit dem ich mir schon oft auf forsche Art und Weise voller Ironie übelste Beschimpfungen an den Kopf geworfen habe, das nun nicht mehr durchgehen lassen, weil dies auf andere Kollegen die eben genannte Auswirkung hat?

Es ist ja nun mal tatsächlich so, dass es mich nicht stört oder beleidigt. Aber das will ich jetzt nicht pauschalisieren. Es ist genauso wie mit den Witzen. Es kommt immer darauf an, wer seine Äußerung wie, aus welchem Beweggrund und in welcher Situation macht.

Es gab auch schon den Kollegen, der sich aus irgendwelchen Gründen über die „Dreckskanaken“ oder die „Neger“ bzw. die „Bimbos“ aufgeregt hatte, mit dem ich daraufhin eine Diskussion anfing. Und das soll schon was heißen. Denn wenn es mir schon zu viel wird, dann glaube ich war es wirklich zu viel an politisch rechter Motivation, die den jeweiligen Kollegen zu seiner Aussage bewegt hatte.

Solche Diskussionen endeten oft damit, dass ich Argumente aus der Zeit des Imperialismus heranziehen oder an das Prinzip der Vernunft erinnern musste. Die jeweiligen Diskussionspartner wollten mir dann immer etwas von „Pech gehabt“ und „sollen sie sich doch in ihre Heimat verpissen“, erzählen. Nun, wie soll man bei solchen Gegenargumenten eine Diskussion führen, bei der jemand zur Einsicht kommt. Gar nicht. Es geht nicht.

Der Bibuka - ...Deutscher, ...Polizist ...und doch nur ein Kanacke?!

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