Читать книгу Der Bibuka - ...Deutscher, ...Polizist ...und doch nur ein Kanacke?! - Группа авторов - Страница 11

Kapitel 7 Enttäuschte Blicke und umgelegte Hebel

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Es war ein ganz gewöhnlicher Samstagabend, an dem ich mal wieder bei meinen Freunden in meiner Heimatstadt zu Besuch war. Wir saßen wie üblich zum Vorglühen zusammen. Ich musste oft Fragen zu meinem anscheinend doch sehr interessanten Polizeistudium beantworten. Es ging dann auch in die Richtung Ausländerkriminalität.

Fein dachte ich mir. Die letzten Wochen hatte ich im Studium während meiner Kriminologiestunden genau dieses Thema. Wir hatten Vorlesungen über Kriminalstatistik und zu Hell –bzw. Dunkelfeldern gehört.

Das Ergebnis dieser Vorlesung will ich mal sehr knapp darstellen. Unter Berücksichtigung aller relevanter Daten, wie z.B. Alter, Geschlecht in prozentualer Verbindung zum Bevölkerungsanteil, die jeweiligen Hell –Dunkelfelder, Anzeigeverhalten von Bürgern und einiges mehr, konnte man sehen, dass Ausländer nicht krimineller waren als Deutsche. Zwar lagen hier zu Lande bei Ausländern die Deliktsschwerpunkte in anderen Bereichen als bei Deutschen, aber insgesamt kann man behaupten, dass Ausländer nicht krimineller waren.

Recht klugscheißerisch betete ich nun mein Wissen aus den Vorlesungen meinen Freunden vor.

Es mag ja sein, sagte man mir, dass das alles so war. Trotzdem empfand man, dass der deutsche Arzt, der falsch abrechnete, dass der deutsche Kaufmann, der bei seiner Steuererklärung betrügerisch vorging, dass der deutsche „Schlichtbürger“, der seine Haftpflichtversicherung betrog, nicht halb so schlimm war, wie der Türke, der ihnen abends in der Disco eventuell mal eins aufs Maul hauen könnte.

Das war der springende Punkt. Es gab so etwas wie die „a-soziale“, nämlich die so genannte „Gewaltkriminalität“ und eine eher anerkannte, vielleicht als Kavaliersdelikt betrachtete Kriminalität.

Also nüchtern betrachtet wurde ein Wirtschaftsverbrechen mit Relevanz im Bereich der organisierten Kriminalität als harmloser betrachtet, als die einfache Körperverletzung, die lediglich ein Vergehen darstellt und obendrein noch ein Antragsdelikt ist.

Aber so wurde es nun mal empfunden. Von Ihnen vielleicht auch? Horchen Sie doch mal in sich.

Mein heutiger, direkter Vorgesetzte hat es mal ganz treffend formuliert. Er sagte, dass es doch keinen wundern müsse, wenn man bei uns in der Stadt im Rotlichtbezirk, der eng mit der Kneipen- und Diskothekenszene verwachsen ist, abends mal in eine Schlägerei gerät. Es sei doch komisch. Er könne sich nicht erinnern, dass seine Eltern ihm mal davon erzählt hätten, dass sie abends in der Stadt bedroht oder von Ausländern geschlagen wurden. Natürlich nicht, sie trieben sich dort ja auch nicht herum.

Mein jetziger Revierbereich erstreckt sich unter anderem genau um diesen Rotlicht-, Drogen-, Kneipen- und Diskothekenbereich unserer Stadt.

Klar war und ist es hier so, dass sich hier vielleicht 1500 oder auch 2000 Ausländer herumtrieben, die ständig kriminell waren. Wenn wir mal einen kontrollierten, gab es ja meist ein ganzes Vorstrafenregister.

Lassen Sie es doch meinetwegen 3000 Ausländer sein, die ständig in meinem Revier auffallen. Ich will Ihnen mal mit ein paar Zahlen die Fakten näher bringen. Wichtig ist doch nämlich nur, dass man wissen muss, dass wir knappe 15 % ausländische Einwohner in dieser Stadt haben. Laut Polizeilicher Kriminalstatistik des BKA liegt der Anteil der erfassten ausländischen Tatverdächtigen bei ca. 1, 5 % im Bezug auf die Gesamtbevölkerung im Jahr 2007 in unserer Stadt. Quasi jeder zehnte Ausländer unserer Stadt war statistisch einmal Tatverdächtiger. Da kann es doch nicht sein, dass man wegen dieser 1, 5 % alle 15 % verteufelt. Warum fällt es allen immer so schwer, die Perspektive zu ändern und sich einzugestehen, dass eben diese 1, 5 % die negative Ausnahme sind und nicht immer nur gerade der brave, gut integrierte Ausländer aus der Gruppe der restlichen 13, 5 %, den sie dann und wann mal irgendwo kennenlernen die positive Ausnahme darstellt.

Wegen der ca. 5 % deutschen Tatverdächtigen in unserer Stadt verteufeln wir ja auch nicht alle anderen 95 % der Deutschen.

Leider muss ich hier mit Prozentzahlen arbeiten, da durch absolute Zahlen leicht Rückschlüsse auf meine Stadt und damit auf meine Dienststelle und die betreffenden Kollegen gezogen werden könnten.

Schauen Sie mal auf der Homepage des BKA vorbei und suchen Sie mal die Zahlen für Ihre Stadt heraus. Der politisch rechts-außen Denkende unter Ihnen wird jetzt laut schreien und den Einwand bringen, dass ja mittlerweile viele deutsche Täter eigentlich Ausländer sind, die eingebürgert wurden.

Denken Sie mal darüber nach! Also sind es mittlerweile Deutsche und keine Ausländer mehr. Egal welcher Herkunft. Aber auch dieses Gedankengut will ich mal mit Zahlen bedienen. Zwischen 1990 und 2007 wurden ca. 3,5 Millionen Ausländer eingebürgert. Wir haben ca. 83 Millionen Deutsche im Land. Das Ausrechnen der Täter-Quote überlasse ich Ihnen. Für mich sind es nämlich Deutsche. Fertig. Wenn hier jemand Deutsch über Begriffe wie Arier definiert und über Stammbäume diskutiert, sollte er dieses Buch einfach weglegen. Wer aus Geschichte nichts lernt, wird aus diesem Buch auch nichts lernen.

Warum also sagen sie immer über mich, den sie nur zufällig kennengelernt haben, dass ich anders bin. Dass ich die positive Ausnahme sei. Wahr ist doch, dass alle diejenigen, die das immer behaupteten, mich genauso schief angucken würden, wenn ich aus einer unserer Diskotheken käme und sie mich nicht kennen würden. Dann wäre ich doch genauso ein krimineller Ausländer, der sich hier in dem Viertel herum treibt. Oder sehen Sie das anders?

Es war ein ganz gewöhnlicher Sommertag. Das einzig besondere war, dass ich mich noch in meinem Urlaub befand. Letzte Woche hatte ich meinen dreißigsten Geburtstag und war zu meinem besten Freund gefahren, der damals in Nürnberg wohnte. Nachdem ich zurückgekehrt war, rasierte ich mir eine Glatze. Die Haare kamen ab, bis auf einen Millimeter.

Okay ich gebe ja zu, so volles Haar, dass es einem leid tun müsste, hatte ich ja nun auch nicht mehr. Es war quasi eine Notlösung. Die andere Variante wäre gewesen, das noch vorhandene Haar länger wachsen zu lassen, um damit die kahleren Stellen zu überkämmen. Dann und wann mal sieht man ja solche Personen, bei denen das funktioniert. Für mich war das jedoch keine Alternative!

Jetzt, an meinem letzten Urlaubswochenende kam mich ein guter Freund aus Frankfurt besuchen. Volkan war und ist immer noch Türke. Wir machten den Abend einen drauf, tranken Alkohol und amüsierten uns in den Szenelokalitäten. So gegen halb zwei Uhr nachts wollten wir die Disco wechseln und machten uns zu Fuß auf den Weg. Es war ein fünfminütiger Gang durch unsere Fußgängerzone. Und wie wir so durch die Stadt liefen, erblickte ich doch direkt vor Mc Donald`s eines unserer Einsatzkommandos, das dieses Wochenende anscheinend Dienst hatte. Ich sah gleich, dass es die Kollegen von meiner Dienststelle waren. Sie hatten sich offensichtlich mit Kaffee oder Ähnlichem bei dem besagten Schnellrestaurant bedient.

Sie fuhren im Schritttempo auf uns zu und waren nur wenige Meter entfernt. Ich freute mich sie zu sehen und erzählte Volkan gleich, dass es meine Kollegen waren.

Als dann der Mannschaftswagen auf unserer Höhe war, winkte ich ihnen zu und klopfte trommelnd gegen die Seitenscheibe.

Abrupt hielten sie an und ich konnte in die überraschten Gesichter meiner Kollegen sehen, die gerade drauf und dran waren aus dem Mannschaftswagen zu springen, nachdem sie die Schiebetür geöffnet hatten und sich den Störenfried schnappen wollten. Sie mussten lachen, als sie merkten, dass ich es war. Mit Glatze hatten sie mich so schnell nicht erkannt, außerdem war ja noch mein Freund Volkan dabei. Das waren ja gleich zwei Ausländer auf einmal, die sich erdreistet hatten gegen ihren Mannschaftswagen zu klopfen.

Wir unterhielten uns kurz und da ich zu betrunken und zu peinlich war, waren sie auch alle heilfroh, mich wieder losgeworden zu sein, als sie dann endlich weitergefahren waren.

Nachdem ich aus meinem Urlaub wieder zum Dienst kam, wurde ich natürlich noch einige Male durch die Kollegen auf den Abend angesprochen und für mein alkoholisiertes Verhalten ausgelacht. Aber sie gaben auch zu, dass sie erst dachten, welcher Ausländer wohl so waghalsig und unverschämt sein würde, gegen ihre Scheibe zu klopfen.

Einer von ihnen soll sogar so etwas wie: „Hier, was will der Kanake denn?“, gesagt haben. Tja, so war das. Was hatte ich vorhin gesagt? Wenn sie mich eben nicht kennen würden, wäre ich genauso ein scheiß Ausländer für viele, wie all die Anderen die sich hier so herumtrieben. Und genauso ist es leider auch.

Eine Kollegin von einer benachbarten Dienststelle hat mir auch genau das am Silvesterabend 2006 ins Gesicht gesagt. Sie umarmte mich, wünschte mir ein frohes Neues uns sagte dann mit einem Lächeln, dass ich der einzige Ausländer wäre, den sie in den Arm nehmen würde. Ich lächelte zurück und sagte, dass ich doch genauso ein scheiß Ausländer für sie sein würde, wenn sie mich nie kennengelernt hätte. Allein wegen meines Äußeren. Sie lachte, nickte und sagte „ja“. Was sollte ich da noch zu sagen..? Sie fand es damals spaßig und zwar in einer ignoranten Art und Weise, fast schon rotzfrech würde ich sagen. Jetzt in diesem Moment, während ich es gerade aufschreibe frage ich mich, was ist los mit so einer Person. Was denkt sich jemand bei solch einer Äußerung. Ist es ihr tatsächlich scheißegal? Gerade sie, die schon aus beruflichen Gründen für mehr Integration und Verständnis sein müsste, hat abgeschaltet und ist nicht mehr bereit zu integrieren. Sie wird privat so schnell keine Ausländer kennenlernen und sich noch viel weniger mit ihnen auseinandersetzen. Wahrscheinlich nur noch dienstlich und dann sicherlich voreingenommen.

Bei dieser Geschichte fällt mir noch eine andere Kollegin ein. Imke gehörte zu den Mädchen aus einer befreundeten Clique, als wir noch alle um die 18 Jahre alt waren.

Sie war nett und kam allgemein ganz gut an. Auch ich hatte ein gutes, wenn auch sehr oberflächliches Verhältnis zu ihr.

Irgendwann erfuhr ich dann, dass Imke sich bei der Polizei beworben hatte. Zwar nicht in unserem Bundesland, aber in einem benachbarten Kleineren. Sie schlug da die Laufbahn zum mittleren Dienst ein. Die Woche über war sie dann immer weg und zu den Wochenenden pendelte sie sporadisch nach Hause.

So kam es wie es in den meisten Fällen dazu, dass man sich langsam aus den Augen verlor. Und irgendwann traf auch auf sie der Spruch „aus den Augen aus dem Sinn“ zu. Jahre später traf ich sie eines Samstagabends zufällig in einem Café wieder. Wir saßen zusammen am Tresen und erzählten uns, was die letzten Jahre privat so gelaufen war. Sie war zwar ein bisschen anders geworden in ihrem Verhalten mir gegenüber, aber ich tat es damit ab zu glauben, dass sie erwachsener geworden war. Das Verhalten der meisten Menschen wird mit dem Alter doch gesetzter und man albert nicht mehr so herum. So war das halt. Doch im Laufe des Gesprächs sollte ich erfahren, dass das nicht der einzige Grund war. Imke erzählte mir von ihrem Alltag als Polizistin. Zu diesem Zeitpunkt war ich selber noch nicht bei der Polizei, sondern studierte noch Wirtschaft.

Ich kann mich leider nicht mehr an alles wortwörtlich erinnern, aber der Satz: „Da bekommst Du echt Hass auf Ausländer!“, sitzt seitdem bei mir drin. Nicht wegen der Worte, die diesen Satz bildeten, sondern es war vielmehr ihr Blick. Ihre Augen. Die Art und Weise wie sie mich in diesem Moment anschaute. Es war eine Mischung aus einem leicht vorwurfsvollen und enttäuschten Blick. Ich wusste gar nicht, wie ich reagieren sollte. Sie war doch tatsächlich der Überzeugung, dass wir Ausländer zum Großteil schlechte Menschen sind und auch noch selber daran schuld wären.

Imke erzählte, dass sie sehr viel dienstlichen Kontakt mit Ausländern hatte und dieser fast nur negativ verlief. Alle waren immer sehr aggressiv, unverschämt und, und, und. Hinterher geschoben kam dann noch die schöne Frage: „Warum seid ihr so?“ Hallo? Wieso sprach sie mich jetzt an? Was meinte sie denn mit „ihr“? Ich sagte natürlich, dass sie es nicht so verallgemeinern könnte und nicht alle Ausländer in eine Schublade gehörten. Das Übliche, was man in solch einem Moment zu so einer Frage sagt. Nur Imke schüttelte mit dem Kopf. Sie sagte, dass es nicht so wäre. Der Großteil der Ausländer sei in der Tat schlecht. Es gebe wenige Ausnahmen. Sie wüsste das, weil sie die Erfahrung gemacht hatte. Da saß sie nun vor mir. Eine Polizeiobermeisterin, die am Montag wieder ihren Dienst antreten und mit dieser Einstellung auf die Menschheit losgelassen werden sollte. Mir fehlten die Worte. Ich wusste, dass bei ihr nicht mehr alles richtig tickte. Natürlich konnte ich mir vorstellen was passiert war, aber dass sie daraufhin so sehr verallgemeinern konnte, das wollte mir nicht in den Kopf.

Jeder kennt die Sorte Ausländer, die sich auf den Straßen herumtrieb, kriminell war und ständig negativ auffiel. Aber wegen häufigen dienstlichen Kontakten mit solchen Personen, auch die Ausländer genauso zu betrachten, die man als Polizist im Dienst nicht kennenlernt, war eins der größten Armutszeugnisse in meinen Augen.

In den nächsten paar Minuten versuchte ich zu argumentieren, doch es wurde sehr schnell deutlich, dass da bei Imke ein Hebel im Kopf umgelegt war, den ich in ein paar Minuten nicht wieder kippen könnte. Ich lenkte vom Thema ab, beendete das Gespräch und verabschiedete mich. Das war ein sehr denkwürdiger Moment für mich und ihren vorhin angesprochenen vorwurfsvollen Blick dabei werde ich wahrscheinlich nie vergessen.

Leute wie Imke sind doch die Eltern, die Ihre Kinder möglichst nicht auf Spielplätze, Freizeit- und Jugendtreffs lassen, wenn es dort einen hohen Anteil an ausländischen Kindern gibt. Mit der logischen Konsequenz, dass dadurch der Ausländeranteil an solchen Orten immer weiter ansteigt.

Wie bitte soll man sich da noch als Kind in einer fremden ethnischen Gruppe hier zu Lande erfolgreich integrieren? Meinen beiden besten ausländischen Freunden und mir ist es trotzdem gelungen. Volkan kennen Sie ja schon und den mittlerweile etwas dickeren nenn ich mal Oktay. Alle drei haben wir das Abitur gemacht, studiert und sind für unseren Bekanntenkreis leider immer die so genannte positive Ausnahme. Volkan und Oktay sind in ihren Berufen sogar noch erfolgreicher als ich und leben beide mit einer deutschen Frau zusammen. Keiner von uns hat wirkliche Heimatgefühle für die Türkei. Unsere Heimat war schon seit frühester Kindheit hier. Hier in Deutschland. Trotzdem wurden wir von unseren Eltern als Türken erzogen. Ich betrachte meine Situation mit einer zweiten Kultur und Sprache als ein ungeheuer wertvolles Geschenk der Geschichte.

Ich hatte auch zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass ich mich assimilieren lassen müsste, um mich wirklich als Deutscher zu fühlen. Das ist nur Quatsch von Leuten, die sich selber noch nie vernünftig integriert haben, worin auch immer.

Bis heute habe ich nicht das Gefühl, meinen Rest an türkischer Identität ablegen zu müssen um deutsch zu sein. Das verlangen immer nur die Anderen von einem. Warum? Weil sie Angst haben. Sie haben Angst, man könnte ein Pseudo-Deutscher sein, der nur alle Vorteile genießt, nicht aber seinen emotionalen und rechtlichen Pflichten nachkommt. Auch fühlen sie sich benachteiligt, weil ich etwas an mir habe, was sie so in dieser Form nie mehr erlangen können.

Für die tut es mir leid. Da kann ich nur sagen, dass sie es so hinnehmen müssen, dass mein Herz ganz deutsch schlägt, obwohl es auch türkisch schlagen kann. Und zwar ohne dass ich mich zwischen zwei Kulturen verloren fühle.

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