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b) Fehler eines Produkts gem. § 3 ProdHG
ОглавлениеEinen weiteren Schwerpunkt seiner Ausführungen setzte Taeger beim Fehlerbegriff des ProdHG und seiner Anwendung auf Computerprogramme.16
Der Begriff des Fehlers gem. § 3 ProdHG ist nicht deckungsgleich mit dem vertragsrechtlichen Mangelbegriff.17 Die vertraglichen Mängelhaftungsvorschriften betreffen die Gebrauchs- und Funktionsfähigkeit sowie den Wert einer Sache, wie sie vom Vertragspartner aufgrund des jeweiligen Vertrags erwartet werden darf. Das vertragliche Mängelhaftungsrecht schützt dementsprechend das wirtschaftliche Nutzungs- und Äquivalenzinteresse des Vertragspartners an einem mangelfreien Vertragsgegenstand.18 Demgegenüber schützen das ProdHG, wie sich § 3 ProdHG unmittelbar entnehmen lässt, aber auch die Produzentenhaftung nach § 823 Abs. 1 BGB das Integritätsinteresse19 jedes Benutzers und jedes Dritten daran, dass die Sache die Sicherheit bietet, die von der Allgemeinheit berechtigterweise erwartet werden darf.20 Trotz der seitens der Softwareindustrie stereotyp wiederholten Einschätzung, Computersoftware könne niemals fehlerfrei hergestellt werden,21 geht die begründete Erwartung der Anwender von Computerprogrammen dahin, dass diese die Integritätsinteressen nicht verletzen und keine Rechtsgüter durch den bestimmungsgemäßen Programmgebrauch beeinträchtigt werden.22 Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis ist es daher auch erwägenswert, die berechtigten Sicherheitserwartungen des Anwenders sowie gegebenenfalls auch sonstiger Dritter hinsichtlich der Einhaltung eines bestimmten Sicherheitsniveaus etwa gegenüber den bereits erwähnten Virenangriffen in die Betrachtung einzubeziehen.23 Definiert man diese Sicherheitserwartungen sodann dahingehend, dass Software vor Systemabstürzen und Datenverlusten schützen muss, erweisen sich zahlreiche Programme namhafter Hersteller als fehlerhaft sowohl im Sinne des ProdHG als auch der Produzentenhaftung, denn die manchmal eklatanten Sicherheitsmängel sind nicht nur in Fachkreisen unstreitig, sondern auch von den Herstellern längst als Problem erkannt.24 Das nicht selten anzutreffende deutliche Unterschreiten berechtigter und nach dem Stand der Technik erfüllbarer Sicherheitsbelange stellt daher einen Konstruktionsfehler der Software dar.25
Rechtsprechung und Schrifttum unterscheiden grundsätzlich drei Fehlerkategorien, wenngleich nicht übersehen werden darf, dass diese Einteilung für die Haftung des Herstellers unerheblich ist.26 In jedem Fall muss das Produkt dem aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt des Inverkehrbringens entsprechen.
– Konstruktionsfehler: Diese führen infolge einer fehlerhaften Konzeption oder Planung dazu, dass das Produkt unter dem gebotenen Sicherheitsstandard bleibt,27 für eine gefahrlose Benutzung ungeeignet ist, und haften dementsprechend der ganzen Serie an.28 Übertragen auf den Bereich der Computersoftware bedeutet dies, dass alle Fehler, die etwa bei der Programmkonzeption, der Programmierung oder der Kompilierung entstanden sind, der Gruppe der Konstruktionsfehler unterfallen.29 Unerheblich ist demgegenüber, ob der betreffende Fehler bereits im Quellcode oder erst im Maschinencode vorhanden ist. Zu den Konstruktionsfehlern zählt auch das Unterschreiten berechtigter und nach dem Stand der Technik erfüllbarer Sicherheitsbelange,30 wenn also im Rahmen der Entwicklung Sicherheitsvorkehrungen unterblieben sind, die zur Gefahrenvermeidung objektiv erforderlich und nach objektiven Maßstäben zumutbar sind.31 Gegebenenfalls ist auch die Nichteinhaltung der Datenschutzvorgaben als Konstruktionsfehler zu kategorisieren.32
– Fabrikationsfehler: Sie entstehen während der Herstellung des jeweiligen Einzelprodukts und haften daher auch nur einzelnen Exemplaren an. Zu dieser Gruppe zählen auch die sog. Ausreißer, die trotz aller zumutbarer Vorkehrungen nicht zu vermeiden sind. Für den Softwarebereich können beispielhaft Kopierfehler, sonstige Übertragungsfehler und ungenügende Virenkontrolle während der Duplizierung angeführt werden.33
– Instruktionsfehler: Diese fallen unter den Begriff der Darbietung nach § 3 lit. a ProdHG und bestehen in einer mangelhaften Gebrauchsanweisung und/oder nicht ausreichenden Warnung vor gefahrbringenden Eigenschaften, die der als solcher fehlerfreien Sache anhaften.34 Die Instruktions- und Warnpflicht kann deutlich herabgesetzt sein, wenn das Produkt an Fachpersonen in den Verkehr gebracht wird.35 Sie sind aber keineswegs schon allgemein deshalb ausgeschlossen, weil das Produkt von Fachpersonal verwendet wird.36 Ist das Produkt für unterschiedliche Benutzergruppen bestimmt, muss auf das Wissen und Gefahrensteuerungspotenzial der am wenigsten informierten und zur Gefahrsteuerung kompetenten Gruppe Rücksicht genommen werden.37
Zu den Instruktionsfehlern im Bereich der Computersoftware zählen etwa Fehler in den Benutzerhandbüchern oder einer gegebenenfalls vorhandenen Online-Hilfe. Daneben ist zu berücksichtigen, dass wie bei allen Instruktions- und Warnpflichten neben allgemeinen Verhaltenshinweisen, der sogenannten Anwendungswarnung, noch die bei Nichteinhaltung zu erwartenden Schäden geschildert werden müssen, der sogenannten Folgenwarnung Rechnung getragen werden muss.38 Daher muss mit hinreichender Deutlichkeit auf bestimmte Gefahren, etwa des Datenverlusts, der nicht gewährleisteten Datenintegrität oder eines zu befürchtenden Systemstillstands, hingewiesen werden. Bei kritischen Aktionen muss ferner gegebenenfalls auf eine vorher durchzuführende Datensicherung verwiesen werden. Hinsichtlich der bei den Instruktions- und Warnpflichten zu wählenden sprachlichen Anforderungen und solchen an die Ausführlichkeit ist auf den jeweiligen Kenntnisstand eines durchschnittlichen Anwenders dieses Programms abzustellen.39 Bei einem Betriebssystem für Großrechner, mit dem nur Fachpersonal arbeitet, sind geringere Anforderungen zu stellen als bei Programmen, die überwiegend von Personen mit niedrigem fachspezifischem Kenntnisstand eingesetzt werden.