Читать книгу Festschrift für Jürgen Taeger - Группа авторов - Страница 17
I. Einleitung1
ОглавлениеDer Begriff „Connected Cars“ ist seit einigen Jahren in aller Munde; allgegenwärtig ist die Diskussion um die industrieweite Entwicklung hin zum autonomen Fahren. Während aber der vollautomatisierte Autopilot in Europa jedenfalls aus regulatorischen Gründen noch Teil eines Zukunftsszenarios bleibt, ist die Konnektivität im Allgemeinen in der Automobilbranche schon lange Realität: Im Jahr 2019 waren knapp ein Fünftel aller in Deutschland verkauften Neuwagen mit dem Internet verbunden.2 Als mit dem Internet verbundene Gegenstände zählen damit diese Kraftfahrzeuge gemeinsam mit vielen weiteren Alltagsgegenständen – vom intelligenten Kühlschrank bis hin zur Smartwatch – zu den Bestandteilen des ebenfalls viel diskutierten „Internet of Things“. Fast bedeutsamer ist aber die Klassifizierung der vernetzten Fahrzeuge als sog. „Embedded Systems“, also als in einen technischen Kontext eingebettete elektronische Systeme.3 Wesentlicher Bestandteil eines solchen Gegenstandes ist die integrierte Software („Embedded Software“4).
Wie jede andere Software auch, benötigt die in Autos integrierte Software gelegentlich Updates. Zum einen kann sie als Teil des Fahrzeugs mangelhaft und damit Gegenstand von Mängelgewährleistungsansprüchen des Käufers gem. §§ 434, 437ff. BGB sein. Zum anderen können sich auch in einer (weitestgehend5) fehlerfrei programmierten Software nachträglich Sicherheitslücken6 auftun, die durch entsprechende Updates (sog. „Patches“) geschlossen werden müssen. Daneben können Softwarehersteller aber auch ein rein wirtschaftliches Interesse an der ständigen Weiterentwicklung bereits in Umlauf gebrachter Software haben, beispielsweise um die Kunden durch verbesserte Leistung an das Produkt und die Marke zu binden.
Software steuert freilich schon wesentlich länger Alltagsgegenstände und insbesondere auch Kraftfahrzeuge. Während die verwendete Software, man denke beispielsweise an elektronische Bremssysteme (EBS) oder elektronische Spurhalteassistenten, bisher im Rahmen der Wartung in der Werkstatt aktualisiert werden musste, eröffnet die Vernetzung der Automobile mit dem Internet eine grundlegend andere Möglichkeit der Durchführung von Updates: Sog. Over-the-Air-Updates („OTA-Updates“) ermöglichen – wie auch bei Betriebssystemupdates auf Handys oder sonstigen Geräten – das Einspielen von Updates bequem über das heimische WLAN oder über im Auto installierte Schnittstellen zum mobilen Netzwerk. Nicht nur erübrigt sich auf diese Weise der Gang in die Werkstatt, vielmehr können Updates wesentlich schneller und damit häufiger installiert werden.
Nun stellen sich eine Vielzahl bisher noch ungeklärter rechtlicher Fragen im Zusammenhang mit solchen OTA-Updates. Diskutiert wird beispielsweise, ob die Nutzer vernetzter Gegenstände auch außerhalb der Mängelgewährleistung einen Anspruch auf die Funktionsfähigkeit des Gerätes erhaltende Updates haben.7 Fragen werden zudem mit Blick auf die straßenverkehrsrechtliche Zulässigkeit aufgeworfen,8 wie auch im Rahmen des Produktsicherheitsrechts gefragt wird, ob und unter welchen Umständen Hersteller behördlich zur Durchführung sicherheitsrelevanter Updates verpflichtet werden können.9
Ebenfalls viel besprochen wurde und wird die Produkt- und Produzentenhaftung von Softwareherstellern.10 Bislang unbeantwortet geblieben ist aber die Frage, wie sich die Möglichkeit der Durchführung von OTA-Updates insbesondere auf die Produktbeobachtungspflicht aus §§ 823ff. BGB auswirkt. Diese Lücke möchte der folgende Beitrag schließen. Es soll aufgezeigt werden, in welchem Umfang Hersteller von Connected Cars zur Produktbeobachtung in Hinblick auf die integrierte Software verpflichtet sind (II.) und dass sich aus der Produzentenhaftung eine Pflicht zur Bereitstellung von zur effektiven Gefahrenabwehr erforderlichen Updates ergibt (III. 1.). Geklärt werden soll zudem die Frage, inwiefern die Hersteller mit Hinblick auf vorgenannte Updates auf die Mitwirkung des Nutzers des Wagens angewiesen sind (III. 2.).
Die Praxis der vergangenen Jahre hat – wie bereits oben angerissen – gezeigt, dass insbesondere auch Automobilhersteller regelmäßig Updates zur Verfügung stellen, die das für die Mangelbeseitigung bzw. für die Gefahrenabwehr erforderliche Ausmaß deutlich übersteigen. Diskutiert werden soll daher auch, inwiefern solche freiwilligen Updates mit im Rahmen der Produzentenhaftung zwingend notwendigen Updates verknüpft werden dürfen (II. 2. c) cc)) und wie es sich auswirkt, wenn diese freiwilligen Updates nicht ausgereifte oder schlicht straßenverkehrsrechtlich nicht zulassungsfähige Technologien beinhalten (II. 2. c) dd)).
Da die rechtliche Beurteilung je nach Softwarekomponente stark variieren kann, beschränkt sich dieser Beitrag auf grundlegende Bestandteile des vernetzten Fahrzeuges, mithin auf die integrierte Software zur Steuerung des Betriebs des Fahrzeugs (sog. „Betriebssoftware“).