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III. 25 Jahre nach der Habilitationsschrift
ОглавлениеObwohl dem aufmerksamen Leser sicher nicht entgangen ist, dass die Taeger’-schen Gedanken, Argumente und Lösungsvorschläge nach wie vor fast durchweg Gültigkeit haben, kann eine Notwendigkeit zur Weiterentwicklung des Computerrechts anno 1995 zum modernen Informationsrecht des Jahres 2020 nicht verkannt werden. Diese Weiterentwicklung allein auf eine gewandelte Terminologie zu reduzieren wäre sicherlich zu kurz gegriffen. Nicht richtig wäre demgegenüber aber auch, von vollständig neuen technischen Entwicklungen auszugehen.
Schon vor 25 Jahren wurde die Körperlichkeit der Software vor dem Hintergrund verschiedener Rechtsfragen diskutiert, insbesondere, ob eine „datenträgerlose Übergabe“ eines Computerprogramms dazu führt, die Sacheigenschaft zu verneinen, die Einordnung als Kauf abzulehnen und dem Programm auch die Eigenschaft als Produkt im Sinne des § 2 ProdHG abzusprechen. Taeger argumentierte im Hinblick auf diese letztgenannte Fragestellung,61 nach dem Gesetzeszweck sei darauf abzustellen, dass der Softwareanbieter mit der Übergabe eines unsicheren Programms eine Gefahrenquelle beim Kunden eröffnet habe. Produkthaftungsrechtlich sei es unerheblich, ob das fehlerhafte Programm auf einem vom Hersteller übergebenen Datenträger verkörpert war und dann im System des Anwenders installiert wurde oder ob das Computerprogramm auf elektronischem Wege direkt im Zielrechner des Anwenders installiert wurde. Für die Anwendbarkeit des ProdHG sei nicht erforderlich, dass der Programmhersteller bereits in seinem eigenen Herstellungsbereich das Programm auf einem Datenträger aufbringe. Jedes andere Ergebnis würde im Übrigen auch dazu führen, dass den Herstellern von Computerprogrammen mit der körperlosen Übergabe eine Flucht aus der Produkthaftung möglich wäre.
Diese Gedanken müssen unter Berücksichtigung der technologischen Weiterentwicklung fortgeführt werden.
Richtig ist zunächst, mit Taeger eine einheitliche Zuordnung zum Produktbegriff des § 2 ProdHG zu fordern, unabhängig davon, ob Software auf einem körperlichen Trägermedium geliefert oder unkörperlich überlassen wird.62 Hier wird man aber nicht stehen bleiben können. Im Zeitalter schneller Datenverbindungen wird der Nutzer die Software immer häufiger überhaupt nicht auf seine eigene Hardware herunterladen, sondern lediglich im Wege der Telekommunikation auf die Software zugreifen, die auf dem Server des Anbieters verbleibt und dort abläuft. Die Bedeutung des Vorrätighaltens auf eigener Hardware schwindet. Dennoch eine haftungsrechtliche Differenzierung zwischen datenträgergebundener und nicht datenträgergebundener sowie stationärer oder Online-Nutzungsermöglichung zu treffen, erscheint willkürlich und auch im Ergebnis nicht überzeugend.63
Nicht überzeugend wäre es aber auch, dem Produktbegriff eine zwingende Körperlichkeit zuzuweisen mit dem Argument, eine Ausnahme dürfe allein für die im letzten Teilsatz des § 2 ProdHG namentlich genannte Elektrizität gemacht werden. Bereits an anderer Stelle wurde darauf hingewiesen, es wäre verfehlt, die Europäische Produkthaftungsrichtlinie sowie das deutsche ProdHaftG auf die Risiken der „alten Ökonomie“ zu beschränken und die verkörperte Information als das Wirtschaftsgut der modernen Welt unberücksichtigt zu lassen.64 Vielmehr müssen bestehende Regeln soweit als möglich auch auf die Entwicklungen der digitalen Welt angewendet werden. Weder Taeger noch der Europäische Richtliniengeber noch der deutsche Gesetzgeber konnten vor einem Vierteljahrhundert diese Entwicklungen vorhersehen. Es scheint daher geboten, die Produkteigenschaft von Software bereits de lege lata nicht mehr von ihrer Verkörperung abhängig zu machen, auch nicht durch die Bezugnahme auf die Verkörperung beim Anwender, und nicht auf eine Anpassung de lege ferenda zu warten.65 Seit Computersoftware online verfügbar gemacht werden kann und vom Anwender entweder heruntergeladen und stationär gespeichert oder aber auch online genutzt werden kann, kommt der Verkörperung auf Datenträger zwecks Überlassung keine entscheidende Funktion mehr zu. Die Anwendung der Produkthaftungsregelungen kann nicht davon abhängig sein, ob die Software auf einem Datenträger – einer beweglichen Sache – verkörpert ist oder nicht. Die Zielsetzungen sowohl der Europäischen und deutschen Produkthaftung, Schadensausgleich und Prävention, erfordern keine Differenzierung, sondern scheinen eine Gleichbehandlung geradezu zu fordern. Andernfalls – und hier kann erneut auf die Worte Taegers zurückgegriffen werden – bestünde für die Softwarehersteller eine technikbedingte Möglichkeit zur Flucht aus der Produkthaftung.