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V. Rolle der Zentralbank
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Der bestehende Geldkreislauf ist eine Infrastruktur, die gemeinsam von öffentlichen und privaten Institutionen betrieben wird. Dabei beschränken sich die Zentralbanken mehr oder weniger auf den von ihnen als hoheitlich definierten Bereich. Eine neue Geldform könnte auch neue Infrastrukturen erfordern, sodass einige Rollen neu zu definieren sind, einige möglicherweise entfallen könnten und teilweise auch andere Rollen entstehen werden.
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Dezentrale Netzwerke sind anders strukturiert als das bisherige Finanzsystem mit Intermediären und zentral organisierten Finanzmarktinfrastrukturen. Allerdings entwickeln sich auch die dezentralen Netzwerke weiter. Mit den Weiterentwicklungen der DLT durch anwendungsorientierte Konsortien wie R3 oder durch Softwareunternehmen wird die rein dezentrale Struktur zugunsten von Hierarchien und funktionalen Differenzierungen zunehmend aufgelöst. In einer einfachen Variante kann man bereits fünf verschiedene Rollen im Netzwerk definieren: Betreiber des Netzwerkes, Emittent von Assets, Verwahrer von Assets, Produzent von Produkten, Beobachter.38 Die ursprüngliche Idee, dass dezentrale Netzwerke eine reine P2P-Welt ohne jegliche Finanzintermediäre ermöglichen, wird vermutlich in der Reinform nicht umsetzbar sein. Gleichwohl werden zahlreiche Geschäftsprozesse sich verändern und neue entstehen, sodass auch bisherige funktionale Rollen entfallen können.
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Das bisherige Verhältnis zwischen öffentlichem Sektor und Privatsektor im Zahlungsverkehr könnte sich, insbesondere durch die Emission von Retail-CBDC, erheblich in Richtung einer Ausweitung der Rolle der Zentralbanken verschieben. Damit einher gingen vermutlich auch größere Risiken in der Zentralbankbilanz, die entsprechend abgesichert werden müssten. Hinzu kommen Implikationen für andere politische Ziele, etwa für die Umsetzung der Geldpolitik, für die Finanzstabilität oder, bei etwaigen Fehlfunktionen, Ausfällen oder Leistungseinschränkungen, für die Reputation der Zentralbanken.
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Für die konkrete Infrastruktur für Retail-CBDC werden drei Varianten diskutiert.39 Erstens, ein einstufiges Modell, in dem die Zentralbank ein Netzwerk betreibt, an dem alle Wirtschaftssubjekte teilnehmen können. Dieses „Direct CBDC“ genannte Modell brächte den größten Aufgabenzuwachs für die Zentralbank. Das möglicherweise größere Vertrauen der Bürger in staatlich betriebene Systeme würde möglicherweise kompensiert durch die zu erwartende geringe Innovativität staatlicher Strukturen. Zudem erweisen sich private Anbieter in der Regel als überlegen bei der Gestaltung von nutzerfreundlichen Dienstleistungen. Deshalb wird, zweitens, auch „Hybrid CBDC“ diskutiert. Dabei entstünde eine zweistufige Architektur, bei der die Zentralbank eine Rückfalllösung betreibt, die Nutzer aber auf Systemen privater Anbieter Retail-CBDC als Forderungen gegen die Zentralbank transferieren können. In einer dritten Variante, „Intermediated CBDC“ genannt, betriebe die Zentralbank nur ein System für die Finanzdienstleister. Unternehmen und Privatkunden wären auf privat betriebene Systeme angewiesen. Auch dort würden Token transferiert, die Forderungen an die Zentralbank repräsentieren. Andere Lösungen, bei denen Geschäftsbanken Token herausgeben, die durch Zentralbankgeld besichert sind, werden allgemein nicht als CBDC interpretiert und fallen daher unter digitales Geschäftsbankengeld.
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Geld soll vor allem stabil sein. Daher bleibt der Grundauftrag für die Zentralbank so aktuell wie eh und je. Neben der Bereitstellung von stabilem Geld hat daher das Eurosystem auch einen Sorgeauftrag für den Zahlungsverkehr, für seine Stabilität und Effizienz. Daher ist auch die Ausgestaltung der gesamten Infrastruktur zur Übertragung von Geld von direktem Interesse für die Zentralbank. Der Zahlungsverkehr und die Wertpapierabwicklung sind hochtechnische, komplexe Infrastrukturen, die höchsten Anforderungen an Ausfallsicherheit und Widerstandsfähigkeit genügen müssen. Probleme in der Transaktion mit digitalem Zentralbankgeld, selbst wenn sie in privaten Netzen auftreten, bergen auch für die Zentralbank Reputationsrisiken, die das Vertrauen in die Währung schwächen können. Daraus folgt nicht notwendigerweise, dass die Zentralbank alle Systeme selbst betreiben muss. Die Zentralbank sollte aber eine entscheidende Rolle beim Aufbau und Betrieb des Zahlungssystems für digitales Geld spielen. Bislang läuft Zentralbankgeld, abgesehen vom quantitativ weniger bedeutsamen Bargeld, ausschließlich in Zentralbanksystemen um. Sollte sich dies etwa bei der Einführung von digitalem Zentralbankgeld ändern, bestünde die Gefahr eines negativen Reputationseffektes im Falle von auftretenden Problemen in privaten Systemen. In jedem Fall wären erhebliche Überwachungs- und Eingriffsmöglichkeiten für die Zentralbank vorzusehen.
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Es folgt auch ein Vorsichtsprinzip in der Gestaltung der neuen Infrastruktur nicht zuletzt aus technischen Gründen. Noch immer entwickeln sich dezentrale Netzwerke rapide weiter. Der Einsatz dezentraler Netzwerke für die Transaktionsvolumina, die den Erfordernissen einer modernen Volkswirtschaft entsprechen, muss noch immer als technisches Neuland gesehen werden. Der Aufbau von entsprechend verlässlichen dezentralen Netzwerken in der benötigten Dimension mit der erforderlichen funktionalen Differenzierung dürfte erhebliche Zeit in Anspruch nehmen.
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Operativ bietet sich möglicherweise das Lernen in kleinen Schritten an. Eine Trigger-Anwendung ließe das bestehende Zahlungssystem unverändert, ermöglichte aber den Einsatz der DLT als Abwicklungstechnik für komplexe Geschäftsfälle. Wholesale-CBDC hätte den Vorteil, dass das benötigte Netzwerk deutlich kleiner ausfallen könnte. Zudem handelten anfangs nur Profis mit digitalem Geld, sodass eine operative Grundkompetenz unterstellt werden könnte. Digitales Zentralbankgeld für jedermann, also Retail-CBDC, wäre in jeder Hinsicht die weitestgehende Option, birgt damit die größten Risiken und erfordert die umfassendste und längste Vorbereitung.
1 Der Text gibt die Meinung des Autors wieder und nicht notwendigerweise die Position der Deutschen Bundesbank oder des Eurosystems. 2 Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, 2008, https://bitcoin.org/bitcoin.pdf (zuletzt abgerufen am 14.7.2020), S. 1. 3 Vgl. Bundesbank, Distributed-Ledger-Technologien im Zahlungsverkehr und in der Wertpapierabwicklung: Potentiale und Risiken, S. 39ff. 4 Nakamoto, Bitcoin: A Peer-to-Peer Electronic Cash System, 2008, https://bitcoin.org/bitcoin.pdf (zuletzt abgerufen am 14.7.2020), S. 2. 5 Selgin, Synthetic commodity money, S. 92. 6 Vgl. Selgin, Synthetic commodity money, S. 92–99; Baeck/Elbeck, Bitcoins as an investment or speculative vehicle? A first look, S. 32; Wu et al., Does gold or Bitcoin hedge economic policy uncertainty?, S. 171. 7 Zu den Grundlagen zu DLT und Blockchain siehe: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, Distributed ledger technology in payment, clearing and settlement – An analytical framework, 2017, Bericht des Committee on Payments and Market Infrastructures; Roßbach, Blockchain-Technologien und ihre Implikationen, Banking and Information Technology, 54–69; Brühl, Bitcoins, Blockchain und Distributed Ledgers – Funktionsweise, Marktentwicklungen und Zukunftsperspektiven, 135–142; sowie Geiling, Distributed Ledger: Die Technologie hinter den virtuellen Währungen am Beispiel der Blockchain. 8 Vgl. Böhme et al., Bitcoin: Economics, Technology, and Governance, S. 222. 9 Vgl. Neyer, The Future of Blockchain, 74–94. 10 Vgl. https://coinmarketcap.com/ (zuletzt abgerufen am 16.12.2020). Die Quelle kann als Indiz für die Marktentwicklung dienen. Die dort angegebenen Umsatzzahlen einzelner Kryptobörsen sowie der Marktkapitalisierung einzelner Krypto-Token sind jedoch nicht immer belastbar. 11 Vgl. Ethereum, Ethereum Whitepaper, 2013, https://ethereum.org/en/whitepaper (zuletzt abgerufen am 16.12.2020). 12 Vgl. beispielsweise Weber, Can Bitcoin compete with money?, 2014, Journal of Peer Production, Issue 4 (2014), available online at http://peerproduction.net/issues/issue-4-value-and-currency/invited-comments/can-bitcoincompete-with-money/; Taleb, in: Ammous, The Bitcoin Standard, Foreword, S. XIII–XIV; Broadbent, Central Banks and digital currencies, Raskin/Yermack, Digital Currencies, Decentralized Ledgers, and the Future of Central Banking; Ludwin, Why Central Banks Will Issue Digital Currency, 2016, Speech at the Federal Reserve Conference in Washington D.C., 1.6.2016, http://blog.chain.com/post/145509298356/why-central-banks-will-issue-digital-currency; Thiele/Diehl, Kryptowährung Bitcoin: Währungswettbewerb oder Spekulationsobjekt: Welche Konsequenzen sind für das aktuelle Geldsystem zu erwarten? 13 Im September 2020 beliefen sich in Deutschland die umlaufende Bargeldmenge auf 301,9 Mrd. EUR, die Guthaben der Monetären Finanzinstitute bei Zentralnotenbanken auf 887,4 Mrd. EUR und die Geldmenge M3 (ohne Bargeld) auf 3.398,6 Mrd. EUR. Vgl. Bundesbank, Statistische Fachreihe Saisonbereinigte Wirtschaftsdaten, November 2020; Bundesbank, Statistische Fachreihe Bankenstatistiken, November 2020 und Bundesbank, Zeitreihendatenbank Bargeldumlauf, 2020, https://www.bundesbank.de/dynamic/action/de/startseite/suche/statistiken/suche-im-zeitreihen-code/747632/titelsuche-in-der-zeitreihendatenbank?query=Bargeldumlauf (zuletzt abgerufen am 1.12.2020). 14 Die Zahlungsverkehrsstatistik weist für 2019 in der deutschen TARGET2-Komponente 48,2 Mio. Transaktionen in Zentralbankgeld im Wert von 209.082,3 Mrd. EUR aus. Insgesamt wurden aber bargeldlose Zahlungsinstrumente von Nicht-Zahlungsdienstleistern für 24.202,7 Mio. Transaktionen genutzt, übertrugen dabei aber „nur“ 60.593,2 Mrd. EUR. Vgl. Bundesbank, Zahlungsverkehrs- und Wertpapierabwicklungsstatistiken, Statistische Fachreihe September 2020, https://www.bundesbank.de/de/statistiken/banken-und-andere-finanzielle-unternehmen/zahlungsverkehr/zahlungsverkehrs-und-wertpapierabwicklungsstatistiken-804046. 15 Vgl. Diehl, in: Diehl et al., Analyzing the Economics of Financial Market Infrastructures, S. 28. 16 Vgl. Böhme, Bitcoin: Economics, Technology, and Governance; De Filippi/Loveluck, The Invisible Politics of Bitcoin: Governance Crisis of a Decentralized Infrastructure, 2016, Internet Policy Review, Vol. 5, Issue 4, available at SRN: https://ssrn.com/abstract=2852691. 17 Vgl. Bundesbank, Krypto-Token im Zahlungsverkehr und in der Wertpapierabwicklung, S. 39–59; Balz/Paulick, Parallelwährungen jenseits der Finanzaufsicht: Haben Bitcoin und Libra eine Zukunft?, S. 13–16. 18 Vgl. Buterin, The Search for a Stable Cryptocurrency, 2014, Ethereum Blog, November 11, 2014, https://blog.ethereum.org/2014/11/11/search-stable-cryptocurrency/ (zuletzt abgerufen am 18.12.2020). 19 Vgl. Hileman, The State of Stablecoins, 2018, available at SSRN: https://ssrn.com/abstract=3472568 or http://dx.doi.org/10.2139/ssrn.3472568. 20 Vgl. Adrian/Mancini-Griffoli, The rise of digital money. 21 Vgl. https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/legal-and-regulatory-frameworkblockchain. 22 Vgl. Balz/Diehl/Winter, Digitales Geld: Welche Optionen hat Europa? 23 Vgl. Ludwin, Why Central Banks Will Issue Digital Currency, 2016, Speech at the Federal Reserve Conference in Washington D.C., 1.6.2016, http://blog.chain.com/post/145509298356/why-central-banks-will-issue-digital-currency. Ludwin erläutert darin, wie Geschäftsbanken digitales Geschäftsbankengeld schaffen könnten und wie Zentralbanken digitales Zentralbankgeld schaffen könnten. 24 Vgl. Auer et al., Taking stock: ongoing retail CBDC projects. So gibt es in Westafrika eine eCFA-Initiative sowie auf den Marshall-Inseln, die formal keine Zentralbank haben, ebenso eine private Initiative. 25 Vgl. Adrian, Stablecoins, Central Bank Digital Currencies, and Cross-Border Payments: A New Look at the International Monetary System, 2019, Remarks by Tobias Adrian at the IMF-Swiss National Bank Conference, May 2019, https://www.imf.org/en/News/Articles/2019/05/13/sp051419-stablecoins-central-bank-digital-currenciesand-cross-border-payments (zuletzt abgerufen am 27.11.2020). 26 Vgl. Kahn, How are payment accounts special? 27 Vgl. Auer et al., Rise of the central bank digital currencies: drivers, approaches and technologies; Auer et al., Taking stock: ongoing retail CBDC projects. 28 Vgl. ECB, Report on a digital Euro, 2020, https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/Report_on_a_digital_euro~4d7268b458.en.pdf (zuletzt abgerufen am 19.12.2020). 29 Vgl. Hellwig, Bargeld, Giralgeld, Vollgeld: Zur Diskussion um das Geldwesen nach der Finanzkrise, 2018, Vortrag auf dem Bargeldsymposium der Deutschen Bundesbank 14.2.2018, https://www.bundesbank.de/resource/blob/723728/1bad30182ce1b8b4162c37a736c33f8c/mL/bargeldsymposium-2018-hellwig-data.pdf (zuletzt abgerufen am 19.12.2020). 30 Vgl. zu den in der Literatur diskutierten Implikationen Carapella/Flemming, Central Bank Digital Currency: A Literature Review, 2020, FEDS Notes, November 09, 2020, https://www.federalreserve.gov/econres/notes/feds-notes/central-bank-digital-currency-a-literature-review-20201109.htm (zuletzt abgerufen am 11.11.2020). 31 Vgl. Auer et al., Rise of the central bank digital currencies: drivers, approaches and technologies, 2020, BIS working paper No. 880, August 2020. 32 Armelius et al., E-krona design models: pros, cons and trade-offs. 33 Zum Beispiel durch Limite oder eine gestaffelte Verzinsung. Vgl. Auer et al., Rise of the central bank digital currencies: drivers, approaches and technologies; Bindseil, Tiered CBDC and the financial system. 34 Vgl. Auer/Böhme, The technology of retail central bank digital currency. 35 Vgl. Central Bank of the Bahamas, Project Sand Dollar: A Bahamas Payments System Modernisation Initiative. 36 Vgl. Eastern Caribbean Central Bank, ECCB Digital EC Currency Pilot. What you should know, 2019, https://www.eccb-centralbank.org/p/what-you-should-know-1 (zuletzt abgerufen am 19.12.2020). 37 Vgl. Binance Research (Jinze & Etienne), First Look: China’s Central Bank Digital Currency, 2019, Beitrag vom 28.8.2019, https://research.binance.com/analysis/chinacbdc (zuletzt abgerufen am 15.6.2020). 38 Vgl. Ludwin, Why Central Banks Will Issue Digital Currency, 2016, Speech at the Federal Reserve Conference in Washington D.C., 1.6.2016, http://blog.chain.com/post/145509298356/why-central-banks-will-issue-digital-currency. 39 Vgl. Auer et al., Rise of the central bank digital currencies: drivers, approaches and technologies.