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b) Verfassungsrechtliche Schranken der Höhe der Abgabenbelastung

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Während nichtsteuerliche Abgaben verfassungsrechtliche Begrenzungen ihrer Höhe in sich tragen, stellt sich die Frage entsprechender Grenzen im Steuerrecht verschärft. Steuergerechtigkeit wird üblicherweise als Verteilungsgerechtigkeit und damit als Gleichheitsproblem verstanden[259]. Dabei wird jedoch übersehen, dass auch die Höhe der Belastung als vertikale Dimension der Steuergerechtigkeit i.w.S. relevant ist. Im steuerverfassungsrechtlichen Bereich steigert sich das Problem noch dadurch, dass regelmäßig nur einzelne Steuern betrachtet werden, die kumulative Steuerbelastung im Vielsteuersystem der deutschen Rechtsordnung unterbelichtet bleibt[260]. Bis in die Gegenwart fortwirkend hat hier die These Ernst Forsthoffs, da der Steuerstaat den Rechts- mit dem Sozialstaat verbinde, sei eine verfassungsrechtliche Überprüfung der Höhe der Steuerbelastung nicht möglich[261], eine dogmatische Auseinandersetzung jenseits politischer Vorverständnisse behindert und eine „Immunisierung“[262] der Eigentumsgarantie gegenüber Besteuerungsvorgängen befördert, obgleich historisch kein Zweifel daran bestand, dass die Besteuerung einen Eigentumseingriff darstellt[263]. Nicht erklärt werden konnte mit diesem Postulat, warum in dem qualitativ wie quantitativ neben dem Polizeirecht wichtigsten Bereich der Eingriffsverwaltung der Grundrechtsschutz wenn nicht ausgeschlossen, so doch entscheidend eingeschränkt sein solle. Entgegen den Annahmen von Forsthoff stellt dies nicht die Verwirklichung, sondern eine kaum zu begründende Ausnahme von Rechtsstaatlichkeit, nämlich von Rechtsbindung dar[264].

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Nachdem bereits früh in Abgrenzung zu einem weiteren einflussreichen Missverständnis Forsthoffs[265] geklärt werden konnte, dass Besteuerung verfassungsrechtlich niemals Enteignung sein kann[266], war die Rechtsprechung des Gerichts – und ist diejenige des Ersten Senats bis in die Gegenwart[267] – geprägt durch die logisch nur schwer nachzuvollziehende Feststellung, dass die Auferlegung öffentlicher Abgaben grundsätzlich die Eigentumsgarantie schon tatbestandlich nicht berühre[268], dieses Grundrecht aber verletzt sei, wenn der Pflichtige übermäßig belastet und dadurch seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigt werden, die Abgabe also erdrosselnde Wirkung besitze[269]. Außerhalb konsistenter Grundrechtsdogmatik[270] wurde und wird so die Berührung des Schutzbereichs an die Verletzung des Grundrechts gekoppelt, die Frage der tatbestandlichen Einschlägigkeit mit der Frage der Rechtfertigung eines Eingriffs vermengt.

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Diese Konsequenz vermied der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts in seiner Entscheidung zur Vermögensbesteuerung nach Einheitswerten[271]. Der Senat knüpft an ein Vorverständnis der Eigentumsgarantie an, welches jenseits substanzhafter Eigentumsvorstellungen und damit auch unter Umgehung der Frage nach dem eigentumsrechtlichen Schutz des „Vermögens als solchem“ Eigentum im Sinne eines Handlungsspielraums aus den dem Eigentümer zustehenden Vermögenswerten auffasst[272]. Angesichts des Versagens der überkommenen grundrechtlichen Schranken-Schranken wird im Wege einer quantifizierten verfassungsrechtlichen Grenze judiziert, dass die Gesamtsteuerbelastung – im konkreten Fall bezogen auf die kumulativen Wirkungen von Vermögen- und Einkommensteuer – „bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe der hälftigen Teilung zwischen privater und öffentlicher Hand“ verbleiben solle. Dieser sog. steuerrechtliche Halbteilungsgrundsatz[273], der vom Ersten Senat niemals akzeptiert wurde, ist inzwischen auch vom Zweiten Senat aufgegeben worden[274]. An seine Stelle soll der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit treten; eine abwägend-dynamische Schranken-Schranke der Eigentumsgarantie soll den strikten Zahlenwert ersetzen und damit zugleich den politischen Gestaltungsspielraum des Steuergesetzgebers hinsichtlich der Höhe der Steuerbelastung vergrößern.

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Es gehörte zu den gesicherten Erkenntnissen der Grundrechtsdogmatik, dass eine Verhältnismäßigkeitsprüfung hinsichtlich des Fiskalzwecks von Steuergesetzen nicht möglich sei. Der Zweck-Mittel-Relation des Übermaßverbots fehle das abwägungstaugliche Ziel, da der Fiskalzweck als solcher „maßlos“ sei[275]. Zu Recht wurde ganz überwiegend[276] der Versuchung widerstanden, die konkret zu finanzierenden Staatsaufgaben für diese Abwägung heranzuziehen. Dies würde nicht nur der finanzverfassungsrechtlichen Grundentscheidung der Trennung von Einnahmen und Ausgaben widersprechen, sondern stellte letztlich wohl einen weit stärkeren Übergriff in den Politikbereich der Legislative dar, als eine Quantifizierung der Steuerhöchstbelastung oder eine wertende Beurteilung von Belastungsgrenzen allein aus der Belastungswirkung heraus. Die Allgemeinheit dieser Feststellung ist allerdings inzwischen für steuerrechtliche Ausnahmetatbestände, die etwa die Umgehung bestimmter steuerlicher Regelungen verhindern sollen und damit einen abwägungsfähigen Zweck umzusetzen suchen, relativiert worden[277]; für Lenkungszwecke von Steuern galt er nie, da der Sachzweck – ganz ähnlich wie etwa im Recht der Gefahrenabwehr – ein abwägungstaugliches Ziel darstellt[278].

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Ist der Schutzbereich der Eigentumsfreiheitsgarantie des Art. 14 GG thematisch einschlägig und vermag der sog. Halbteilungsgrundsatz allenfalls in Sondersituationen als effektive Schranken-Schranke zu wirken, stellt sich die Frage nach der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung eines durch die Auferlegung einer Steuer oder sonstigen Abgabe bewirkten Eingriffs neu: Sofern und soweit der Weg der Quantifizierung versperrt ist, bleibt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als relevantes verfassungsrechtliches Widerlager[279]. Die Formulierung der Sozialpflichtigkeit des Eigentums in Art. 14 Abs. 2 GG deutet auf eine wertend-abwägende Bestimmung der Grenze hin[280]; andere Textstellen des Grundgesetzes wie Art. 106 Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 Alt. 2 GG[281] verdeutlichen, dass eine übermäßige Steuerbelastung einen Verfassungsverstoß darstellt. In seinem Beschluss vom 18. Januar 2006 hat der Zweite Senat eine Art abgeschwächte oder eingeschränkte Verhältnismäßigkeitsprüfung kreiert[282]: Der Fiskalzweck sei hinsichtlich der Geeignetheit und der Erforderlichkeit kein tauglicher Abwägungsgesichtspunkt, wohl aber die Verhältnismäßigkeit i.e.S., d.h. die Angemessenheit des Steuereingriffs[283]. Wie dies geschehen soll und ob der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in dieser Weise aufspaltbar ist, harrt der Konkretisierung[284]. Zur Identifizierung einer besonders hohen und damit besonders rechtfertigungsbedürftigen Steuerbelastung soll (auch) der internationale Belastungsvergleich dienen. Vor dem Verdikt der Übermäßigkeit und damit Verfassungswidrigkeit steht noch eine Darlegungspflicht des Gesetzgebers zur Rechtfertigung dieser Last. Auch hier zeigt sich – wie so oft in neueren Judikaten[285] – die Tendenz, durch Darlegungspflichten des Gesetzgebers entweder die bei isolierter Prüfung des Gesetzes womöglich drohende Verfassungswidrigkeit abzuwehren bzw. durch die vom Gesetzgeber dargelegten Begründungen Argumente und Ansatzpunkte für eine Abwägung zu erhalten. Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit dieser neue Ansatz tragfähig ist.

Elftes Kapitel Haushalts- und Abgabenrecht§ 67 Abgabenrecht › C. Steuerrecht

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