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2.3 Anstellung

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Die Ausbildung in einer Maîtrise zielt seitens der Kirche eindeutig auf eine klerikale Laufbahn ab. Die einzige Möglichkeit, sich auch nach der Ausbildung unter ökonomisch einigermaßen sicheren Verhältnissen weiter mit Musik beschäftigen zu können, besteht in einer geistlichen Laufbahn. Kirche und Musik haben zu Beginn des 15. Jh. ein symbiotisches Verhältnis. Der Kirchengesang erfüllt die zentralen Aufgaben des Gottesdienstes und das kanonisierte Repertoire der gregorianischen Gesänge ist zentraler Teil der Verkündigung.

Kapelle

Als Zentrum aller gottesdienstlichen Aktivitäten ist die Kapelle eine der wichtigsten Institutionen in der Hoforganisation. Der Begriff Kapelle schließt alles mit ein, was zur Durchführung der kirchlichen Dienste notwendig ist: den Raum selbst – meist ein sakraler Raum innerhalb des Hofgebäudes – dessen Ausstattung mit allen liturgischen Gegenständen, die zur Durchführung der Gottesdienste benötigt werden, sowie das geistliche Personal. Die täglichen Gottesdienste und Stundengebete der Kapelle strukturieren den Tag und sind gleichzeitig ein wichtiger repräsentativer Teil des Hoflebens, ganz gleich, ob es sich um eine weltliche oder um eine kirchliche Hofhaltung handelt. Die Mitglieder der Kapelle sind Geistliche – Kapläne (von lat. capellani) – die als Zelebranten fungieren und zugleich den musikalischen Teil des Gottesdienstes bestreiten können.

Im 15. Jh. entwickelt sich die Kapelle zu einem zentralen Organ der Hofrepräsentation. Der kulturelle Anspruch eines Fürsten wird als Ausweis seiner moralischen Integrität angesehen, und dieser offenbart sich in der künstlerischen Qualität seiner Kapelle, was er sich einiges kosten lässt. Dies führt zu einer Spezialisierung innerhalb des Kapellenpersonals, welches nun durch Mitglieder erweitert wird, die nicht mehr zwangsläufig auch ein geistliches Amt ausüben müssen, sondern die sich vor allem als hervorragende Sänger auszeichnen. Das Amt des capellani wird so in eine geistliche und eine musikalische Tätigkeit aufgeteilt, und es werden gezielt Sänger angestellt, die auch kompositorische Fähigkeiten mitbringen, um das Repertoire der Kapelle durch neue, anlassbezogene Kompositionen zu bereichern.

Neben den Gottesdiensten haben die Kapellmitglieder auch Musikdienste im Hofleben zu verrichten, wie z.B. die musikalische Untermalung von festlichen Anlässen oder kammermusikalische Darbietungen im fürstlichen oder bischöflichen Gemach. Die Mitglieder der Kapelle leben am Hof und gehören zur unmittelbaren Entourage des Fürsten. Sie begleiten ihn daher auch auf allen Reisen, was bei Höfen ohne feste Residenz wie z.B. dem burgundischen Hof sehr häufig der Fall ist.

Neben den geistlichen und musikalischen Diensten gibt es weitere, vor allem organisatorische Arbeiten, die in einer Kapelle anstehen. Dazu zählen administrative Aufgaben der Selbstverwaltung wie die monatliche Besoldung, die Ausstattung mit Kleidung oder die Ausgabe von Naturalien.

Kanonikat

Ein wichtiges Argument für einen Musiker, die Laufbahn eines Geistlichen einzuschlagen, liegt in der damit verbundenen Sicherheit der ökonomischen Existenz. Eine solide Basis bildet das Amt eines Kanonikers einer Gemeinde, also eine geistliche Planstelle, die ein regelmäßiges Einkommen und die Versorgung mit Kost, Logis und Kleidung gewährleistet.

Pfründe

Darüber hinaus wird die Besoldung in der Kirche über Pfründen gewährleistet. Eine Pfründe ist ein Einkommen, welches auf den Erträgen eines kirchlichen Grundbesitzes basiert. Die Einnahmen eines solchen Besitzes oder einer Einrichtung können bestimmten Zwecken oder Personen zugesprochen werden. Diejenigen Sänger, die aus einer Maîtrise kommen, sind mit diesem System bestens vertraut, da auch die Maîtrisen durch Pfründen finanziert werden. Die Zuteilung von Pfründen ist sehr lukrativ und lag damals in der Verantwortung der päpstlichen Kurie, die über dieses System ihren Einfluss auf die personelle und wirtschaftliche Entwicklung der Kirche ausüben konnte. Einige Komponisten entwickeln einen großen Ehrgeiz darin, mehrere Pfründen auf sich zu vereinen und scheuen auch keine juristischen Auseinandersetzungen. Josquin beispielsweise nutzt seinen Aufenthalt in Rom und seinen direkten Draht zum Papst energisch, um sich zahlreiche Pfründen in seiner Heimatdiözese Cambrai zu sichern. Er verfügt über Kanonikat und Pfründe in der Stadtkirche von Saint-Omer, eine Pfründe des Benediktinerklosters Saint-Ghislain, Kaplansstelle und Pfründe in der Wallfahrtskirche von Basse-Yttre, zwei Pfründen von Kirchspielen bei Frasnes, Kanonikat und Pfründe an St-Géry in Cambrai.

Weitere Einkünfte

Kapellen, ursprünglich als privatkirchliche Institution eines Hofes gedacht, entwickeln sich in der Renaissance schnell zu einem wichtigen und kostspieligen Instrument der höfischen Repräsentation. Mit dem Aufblühen der italienischen Stadtstaaten im letzten Drittel des 15. Jh. kommt es zu einem regelrechten musikalischen Wettrüsten. Die Sforza in Mailand, die Este in Ferrara, der Papst in Rom oder der spanische König in Neapel konkurrieren um die besten Musiker für ihre Kapellen. Die hohe Nachfrage nach guten Sängern lässt die Preise für deren Besoldung in die Höhe schnellen. Zwar wird die Finanzierung der Kapellen auch an weltlichen Höfen über kirchliche Pfründen geregelt, aber da die Ausgaben für die Kapelle in vielen Fällen exorbitant sind, muss ein guter Teil davon zusätzlich aus dem Staatshaushalt beglichen werden, was einen nicht unbeträchtlichen Posten ausmacht. Für die franko-flämischen Sänger sind Anstellungen an italienischen Höfen sehr lukrativ. Dort ist man bereit, sehr hohe Löhne zu zahlen, welche zu den bereits gewährten Pfründen und Kirchenämtern hinzukommen. Geistliches Amt und musikalische Tätigkeit führen so zu einer doppelten Einnahmequelle. Außerdem können die Komponisten durch Auftragskompositionen wie Huldigungsmotetten und Widmungen weitere hohe Einnahmen generieren.

Stichwort

Ein neuer Leiter für die Hofkapelle von Ferrara

Eine berühmte Episode in der Geschichte über die Konkurrenz der italienischen Höfe um die besten Musiker ist die Suche von Herzog Ercole I. d’Este nach einem Nachfolger für die Leitung der Hofkapelle von Ferrara. Der musikbegeisterte Ercole, der bisweilen sogar selbst in seiner Kapelle mitsang, hatte den Ehrgeiz entwickelt, die beste Kapelle der Welt zu führen. Im Jahr 1502 waren verschiedene Agenten unterwegs, um einen neuen Leiter zu rekrutieren. Ercoles Agent Gian d’Artiganova schreibt ihm am 2. September 1502: „Ich muss Euer Gnaden mitteilen, dass der Sänger Isaac in Ferrara gewesen ist und eine Motette über eine ‚La mi la sol la sol la mi’ betitelte Fantasie geschrieben hat; diese ist sehr gut, und er schrieb sie in zwei Tagen. Daraus kann man nur schließen, dass er sehr schnell in der Kunst der Komposition ist; im Übrigen ist er gutartig und umgänglich. … er hat sich die Zeit von einem Monat für die Antwort ausbedungen, ob er dienen will oder nicht. Wir haben … ihm 10 Dukaten pro Monat versprochen … Mir scheint er gut geeignet, Euer Gnaden zu dienen, besser als Josquin, weil er zu seinen Musikern von liebenswürdigerem Wesen ist und öfter neue Werke komponieren will. Dass Josquin besser komponiert, ist richtig, aber er komponiert, wenn er es will und nicht, wenn man es von ihm erwartet, und er verlangt 200 Dukaten als Lohn während Isaac für 120 kommen will …“

Ercole entschied sich für Josquin.

Musik und Politik

Musik und Politik sind in der Renaissance auf das engste miteinander verbunden. Die Mitglieder der Kapelle gehören dank ihrer hervorragenden Ausbildung zur intellektuellen Elite ihrer Zeit. Zudem sind sie aufgrund ihrer ausgiebigen Reisetätigkeit in den europäischen Machtzirkeln hervorragend vernetzt. Sie haben einen direkten Draht zu den mächtigsten Personen des politischen Lebens, sind Teil derer Hofhaltung, möglicherweise sogar ihre Beichtväter und geben ihnen und ihrem Nachwuchs musikalischen Unterricht. Viele Komponisten haben daher ein enges persönliches Verhältnis zu ihren Dienstherren, das auch über die Zeit des Anstellungsverhältnisses hinaus häufig erhalten bleibt. Der direkte Kontakt der Kapellmitglieder zu den höchsten politischen Führungskreisen wird häufig auch für diplomatische Zwecke genutzt, sodass die Rekrutierungsreisen der Musiker auch der Beziehungspflege und dem kulturellen Austausch unter den Häusern dienen und sie mit diplomatischen Aufgaben betraut werden.

Als Heinrich Isaac im Jahr 1512 die Kapelle Kaiser Maximilians I. verlässt, um wieder in seine alte Heimat Florenz zu ziehen, hält man das am habsburgischen Hof für nützlich, da man so die Beziehungen zum Hause Medici intensivieren kann. Isaac bezieht daher weiterhin ein Einkommen von seinem ehemaligen Habsburger Arbeitgeber.

Johannes Ockeghem hat als Schatzmeister der Abtei von Tour offiziell ein direkt dem König unterstelltes politisches Amt inne.

Die enge Verbindung von Musik und Politik zeigt sich auch in vielen Kompositionen, die als Auftragswerke zu besonderen politischen Anlässen entstehen und die heute unter dem Begriff Staatsmotette eine eigene Untergattung bilden. Die Motette Nuper rosarum flores komponiert Dufay zur Weihe des Florentiner Doms 1436 und bildet die architektonischen Maße des Bauwerks im Aufbau der Motette nach. Kaiser Maximilian I. beauftragt Heinrich Isaac nicht ohne Hintergedanken, zwei Motetten (Sancti spiritus und Virgo prudentissima) für die Eröffnung des Reichstages in Konstanz 1507 zu komponieren, um seine Kampagne, sich zum Kaiser krönen zu lassen, zu untermauern.

Hohe Bildung, enge Verbindungen in die höchsten Kreise sowie in einigen Fällen gar eine juristische Ausbildung, ausgeprägtes Verhandlungsgeschick und vorteilhafte wirtschaftliche Anlagen sorgen dafür, dass der Sängerberuf im 15. und 16. Jh. in finanzieller Hinsicht sehr attraktiv ist. Viele Renaissance-Komponisten häufen im Laufe ihres Lebens beträchtliche Vermögen an. Ockeghem besitzt mehrere Häuser und Land, welches er verpachtet, Binchois’ Vermögen ist beträchtlich, wie man aus seinem Testament erfahren kann, und auch Dufay und Josquin sterben als wohlhabende Männer.

Die Musik der Renaissance

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