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2.4.2 Die Rolle des Komponisten

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Mit der Entstehung des musikalischen Kunstwerks ändert sich auch die soziale Stellung des Komponisten. Dieser tritt Anfang des 15. Jh. als solcher noch nicht in Erscheinung, da es das Berufsbild des Komponisten noch nicht gibt. Dies spiegelt sich auch in der Überlieferungssituation polyphoner Kompositionen, die in den handschriftlichen Quellen der Kapellen in der Mehrzahl anonym überliefert sind. Die Autorschaft spielt im Zusammenhang mit der liturgischen Funktion der Stücke noch keine Rolle und verträgt sich wohl auch nicht mit der christlichen Demut eines komponierenden Geistlichen. Eine musikalische Laufbahn ist an die Bedingungen eines geistlichen Berufes geknüpft, und die kompositorische Tätigkeit ist nur eine unter vielen beruflichen Pflichten, die im Rahmen der Anstellung in einer Kapelle zu erfüllen sind.

Das Selbstverständnis des Komponisten

Dufays Vorgänger im Amt des Kapellmeisters der päpstlichen Kapelle, welches dieser in den 1430er Jahren übernimmt, war ein in musikalischer Hinsicht nicht weiter in Erscheinung getretener Bischof. Dies deutet daraufhin, dass die herausgehobene Stellung Dufays in der Kapelle nicht in Zusammenhang mit seiner kompositorischen Tätigkeit steht, sondern mit den repräsentativen und administrativen Aufgaben zusammenhängen, wie z.B. die Gehaltsauszahlungen an die anderen Kapellmitglieder und der direkte Ansprechpartner des Papstes zu sein. Gleichzeitig aber nutzt Dufay seine gehobene Stellung und die Musikbegeisterung des Papstes, um sich im Laufe seiner Zeit in Rom mehrere Pfründen zu sichern, mit dem Ziel, sich von dem ökonomischen Zwang einer institutionellen Anstellung unabhängig zu machen. Diese Unabhängigkeit, die er spätestens in den 1440er Jahren mit seiner Rückkehr nach Cambrai erreicht hat, nutzt er schließlich, um sich systematisch seiner Komponistenlaufbahn zu widmen. Er stellt mit Simon de Mellet († 1481) einen eigenen Kopisten ein, der für ihn Handschriften anlegt, die neben der Neuordnung des liturgischen Corpus der Kathedralskapelle auch den Zweck haben, sein eigenes kompositorisches Werk in der Art einer Gesamtausgabe zu komplettieren und zusammenzufassen. (Leider ist keine dieser Handschriften überliefert – man weiß von ihnen nur aus den buchhalterischen Aufzeichnungen Mellets – sodass davon auszugehen ist, dass zahlreiche auch größere Werke Dufays verschollen sind.)

Auch wenn Dufays Beruf eigentlich derjenige eines Kanonikers war, verstand er sich selbst durchaus als Komponist, dessen geistliche Laufbahn dazu diente, ihm ein Dasein als Komponist zu ermöglichen. Zwar besteht in der Kombination Geistlicher und Komponist kein Widerspruch, aber die Idee, die Tätigkeit des Komponierens als berufliche Hauptkomponente zu interpretieren, ist neu, und Dufay kann für sie als Pionier gelten in einer Zeit, in der es den Beruf des Komponisten noch nicht gibt.

Komposition als Beruf

Das Selbstverständnis Dufays als Komponist spiegelt sich auch in der Wahrnehmung seiner Zeitgenossen, die mit der Zeit ebenfalls beginnen, den Wert einer Komposition als solcher zu schätzen. Und mit der Wertschätzung der sinnlichen Qualitäten einer Komposition erwacht auch die Bewunderung für deren Schöpfer. Dieser wird nicht mehr nur als ein musikalischer Handwerker, als cantor, angesehen, sondern für sein musikalisches ingenium bewundert. Dies führt im Bereich des Kapellenpersonals zu einer weiteren Spezialisierung, indem nicht mehr nur zwischen den Aufgabenbereichen Priester und Sänger unterschieden wird, sondern für Letzteren speziell auch solche Musiker eingestellt werden, die vor allem durch ihr kompositorisches Talent herausragen. Obwohl Jacob Obrecht mangels organisatorischer Begabung für eine Führungsposition in einer Kapelle offenbar ungeeignet ist – im Jahr 1485 wird er nach nur einem Jahr als Chormeister der Kathedrale von Cambrai wieder abgesetzt – gelingt es ihm, insbesondere dank seiner außergewöhnlichen kompositorischen Fähigkeiten, gute Posten zu bekleiden, bis hin zur bestbezahlten Stelle in der damaligen Musikwelt, der des Hofkapellmeisters von Ferrara. Die Anerkennung, die sich ein Musiker als Komponist verdienen kann, zahlt sich mit der zunehmenden Wertschätzung seiner Werke auch finanziell aus, sodass die geistliche Laufbahn als ökonomisches Fangnetz nicht mehr unabdingbar ist. Der ebenfalls äußerst fruchtbare Komponist Heinrich Isaac verzichtet als einer der Ersten auf eine geistliche Laufbahn. Mit seiner Anstellungsurkunde am habsburgischen Hof, die er am 3. April 1497 in Innsbruck unterschreibt, und die ihn als „componist und diener“ ausweist, wird der Beruf des Komponisten erstmals aktenkundig. Und fünf Jahre später erhält Josquin den Vorzug vor Isaac als Leiter der Hofkapelle in Ferrara aufgrund seiner als besser eingeschätzten kompositorischen Fähigkeiten.

Steigende Popularität

Die Erfindung des Notendruckes ist ein weiterer wichtiger Multiplikator für das Ansehen des Komponisten. Petrucci, der im Jahr 1501 seinen ersten Notendruck, eine Sammlung verschiedener, teils anonymer Chansons veröffentlicht, kommt schon im darauffolgenden Jahr auf die Idee, mit dem Liber primus missarum von Josquin eine komplette Ausgabe exklusiv einem einzigen Komponisten zu widmen. Der Name Josquin ist in der öffentlichen Wahrnehmung damals bereits ein Garant für hohe kompositorische Qualität, und der Druck verkauft sich so gut, dass Petrucci ihm weitere Exklusivdrucke von Obrecht, Brumel, Ghiselin, de la Rue, Agricola und de Orto sowie zwei weitere Bände mit Josquin-Messen folgen lässt. Petrucci nutzt die guten Namen der Komponisten sehr erfolgreich zur Vermarktung seiner Drucke. Und umgekehrt sorgt die exponentielle Verbreitung der Drucke, mit der die Musik nun auch bürgerliche Schichten erreicht, dafür, dass die Komponisten als solche wahrgenommen und verehrt werden. Das Musikverlagswesen, das sich in der Folgezeit in vielen Städten etabliert, bietet für die Komponisten eine von der Kirche unabhängige Einnahmequelle und damit die Möglichkeit einer unabhängigen Existenz. Ebenfalls einträglich sind Kompositionen mit exklusiven Widmungen, die sich die Adressaten in der Regel einiges kosten lassen.

Für die Komponisten Lasso und Palestrina sind die Einnahmen aus ihrer kompositorischen Arbeit wichtige Grundlage ihrer wirtschaftlichen Existenz und die Anlässe der Kompositionen dienen ausschließlich dem Interesse, Geld damit zu erwirtschaften.

Wissens-Check

– Beschreiben Sie die Verbindung von geistlichem Beruf und musikalischer Tätigkeit.

– Wie war die musikalische Ausbildung organisiert?

– Welche Einkünfte hatte ein Komponist der Renaissance?

– Wie entwickelt sich der soziale Status eines Komponisten im Laufe des 15. und 16. Jh.?

– Was sind die Merkmale, die aus einem Musikstück ein Kunstwerk machen?

Die Musik der Renaissance

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