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KAPITEL 9 Jorge Cyterszpiler

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Das emotionale Erbe einer Nation – ganz gleich, ob es ein echtes ist oder nur ein vermeintliches, angedichtetes – speist sich aus den Mythen, dem Glauben und der Geschichte des jeweiligen Landes. Es ist ein sich ständig im Wandel befindliches, subjektives Narrativ. Argentinien galt schon früh als eine Vorzeigenation für den Straßenfußball. Die vielen Ausweichmanöver, Dribblings und Tricks, die dort praktiziert werden, bildeten eine deutliche Antithese zu der Vorstellung, die die britischen Erfinder der Sportart, die vor allem auf körperliche Geschicklichkeit und exzellentes Kopfballspiel setzten, von ihrem Spiel hatten. Die 1919 gegründete El Gráfico nimmt für sich in Anspruch, die Zeitung gewesen zu sein, die die Idee verbreitet habe, dass der kreolische Stil dem Original einen Hauch von Argentinien verliehen habe, vom Flair und von der Eleganz dieser Nation. Als immer mehr argentinische Spieler ins Ausland verkauft wurden, die oft genug die Hoffnungen ihrer ganzen Familie schulterten, setzte sich diese Vorstellung auch international durch.

Um das Jahr 1979, in einer Zeit des politischen Chaos, in der es an verlässlichen Orientierungspunkten mangelte, wehte eine talentvolle, aber auch trügerische kreolische Brise über das schlummernde Bewusstsein Argentiniens hinweg. Sie wurde zur Verkörperung des argentinischen Geistes. Das Timing war großartig. Die Nation hatte auf ihn gewartet. Mit seinem Spielstil verkörperte Maradona den Inbegriff eines Fußballpoeten, dessen Muse das Spiel war, der besessen war vom reinen Geist des Amateursports und keine finanziellen Anreize benötigte, um sich ihm voll und ganz zu verschreiben. Er war ein Junge, ein pibe, ein Kind, das neue Tricks und Finten ersann und vorführte, nur um das Publikum jubeln zu hören und ihm seine reine Seele zu offenbaren.

Das Problem war, dass man dazu neigte, auch dann noch kindliche Genialität von ihm zu erwarten, als er lange schon kein Kind mehr war. Damit wurden ihm die typischen Entwicklungsphasen auf dem Weg zum Erwachsenwerden, das Glätten der rauen Kanten, verwehrt. Auf diese Weise entwickelt man sich zu einem Erwachsenen mit etlichen Unzulänglichkeiten, einem, der sich auf dem Spielfeld wie ein Kind benimmt, uns jedoch massiv beunruhigt, wenn er das auch im Privatleben tut. Wie bei Peter Pan muteten manche seiner Entscheidungen verstörend an, wie beispielsweise die, Franz Beckenbauer zu versetzen, als Cosmos in Buenos Aires spielte. Diego hatte schlicht keine Lust gehabt, ihn an diesem Abend zu sehen.

Den Argentinos Juniors war inzwischen klar geworden, dass sie mit Maradona eine goldene Gans in ihren Reihen hatten und sie ihn dank der Einnahmen, die sie durch ihn erzielten, noch eine Weile würden halten können. Als erster Verein Argentiniens schlossen sie einen Vertrag mit einem Trikotsponsor. »Wir werden uns gut um diesen pibe kümmern, er wird uns die Welt zeigen«, war ein Scherz, der unter seinen Mannschaftskollegen kursierte, wenn sie unter der Woche zu einem Freundschaftsspiel nach Kolumbien oder Ecuador reisten. Im Dezember 1979 flog das Team nach Barcelona für ein Spiel im Camp Nou. Jorge Cyterszpiler, ganz in seinem Element als allererster Spielerberater, ließ Maradona Interviews nur gegen Bezahlung geben.

»Maradona ist zurzeit der beste Spieler überhaupt«, sagte der Torwart der Boca Juniors, Hugo El Loco Gatti im Gespräch mit der Zeitung El Litoral. »Aber wissen Sie, was mich beunruhigt? Sein Körperbau … in ein paar Jahren wird er mit seiner Neigung zur Fülligkeit zu kämpfen haben.« Diego, der schon mit 20 Kapitän bei Argentinos war, bekam durch Freunde und seinen Spielerberater Wind von diesen Kommentaren. »Er hat dich ein Pummelchen genannt«, erzählte Cyterszpiler ihm und goss damit kurz vor der Begegnung der beiden Teams zusätzliches Öl ins Feuer.

»Ich wollte eigentlich nur ein paar Tore erzielen, aber jetzt visiere ich mindestens vier an«, entgegnete Diego. »Und dabei wird mir jedes Mittel recht sein …« Gatti entschuldigte sich noch vor dem Spiel bei Diego und erklärte ihm, dass man seine Aussage missverstanden habe. El Pelusa akzeptierte die Entschuldigung. Und dann ging es aufs Spielfeld. Maradona verwandelte einen Elfmeter, drosch einen Freistoß in die Maschen und erzielte noch einen weiteren Treffer, durch einen ›vaselina‹-Lupfer: Er stoppte den Ball mit der Brust und chippte ihn über Gatti hinweg ins Tor. Der Hattrick war komplett. Aber das war ihm noch nicht genug. Als er erneut aufs Tor zustürmte, wurde er festgehalten, den folgenden Freistoß verwandelte er erneut direkt – es war sein viertes Tor, mit dem er zugleich den 5:3-Endstand besiegelte.

Das Spiel endete unter ungewöhnlichen Umständen: Die Boca-Fans skandierten lauthals »Maradó, Maradó!«. Es war der Beginn einer großen Leidenschaft. Cyterszpiler, der Maradonas Spiele in der Regel von der Tribüne aus verfolgte und die Tricks und Finten seines Freundes dort trotz seiner körperlichen Einschränkungen nachahmte, war völlig hin und weg von dem, was sich vor seinen Augen abspielte. Es war für ihn ein unvergesslicher Abend.

Beeindruckt von seinem Talent fragte er den Freund einmal, wie er eigentlich wissen könne, dass sein Manndecker hinter ihm sei. »Ich kann es hören«, antwortete Diego daraufhin. Irgendwie schien er einen sechsten Sinn entwickelt zu haben. Für ihn lief eindeutig alles wie geplant.

Jorge Horacio Cyterszpiler war der jüngste Sohn einer hart arbeitenden polnischen Familie, die Anfang der 1970er Jahre nach Argentinien gekommen war. Sie besaßen eine Schuhfabrik, nur 200 Meter vom Argentinos-Vereinsgelände entfernt; Jorge hatte also immer schon in unmittelbarer Nähe zum Fußball gelebt, den er so sehr liebte. Sein Bruder Eduardo war Außenverteidiger gewesen und hatte es bis in die erste Mannschaft der Argentinos Juniors geschafft, doch dann wurde bei ihm Krebs diagnostiziert, und er verstarb nur sechs Monate später, mit gerade einmal 23 Jahren. Es war ein schwerer Schlag für Jorge, der seinen lang gehegten Fußballtraum daraufhin ad acta legte – für immer, wie er damals glaubte. Er konnte sich zu nichts mehr aufraffen, bis ihm der Verein von einer Nachwuchsmannschaft erzählte, die etwas ganz Besonderes zu werden versprach. Das Team half Jorge, wieder Mut zu schöpfen und sich dem Leben zuzuwenden.

»Jorge konnte nicht sein, was er sein wollte«, erklärt Guillermo Blanco. Seit einer schweren Polio-Infektion, die Cyterszpiler sich in den 1950er Jahren im Alter von zwei Jahren zugezogen hatte, als das Virus in Argentinien grassierte, war sein rechtes Bein verkümmert. Er hinkte und trug einen Stützapparat am Unterschenkel, der die Muskelschwäche ausgleichen und das Bein stabilisieren sollte. Dieser körperlichen Beeinträchtigung stand ein großer Kampfgeist gegenüber, der sich zuweilen in Anflügen von Rachsucht und Jähzorn zeigen konnte.

Jorge Cyterszpiler besaß magische Anziehungskraft, sein Schulfreund Fernando begleitete ihn, wo auch immer Jorge hinwollte – und das waren oft die Spiele der Cebollitas. Gelegentlich besuchten sie auch das Grab von Eduardo auf dem jüdischen Friedhof La Tablada, wo Jorge mit seinem verstorbenen Bruder Zwiesprache hielt. Waren die Friedhofstore geschlossen, sprach er zuweilen auch durch die Mauer mit ihm.

»Was machst du samstagmorgens?«, fragte Jorge Fernando García eines Tages. »Nichts? Dann begleite mich doch zu einem Fußballspiel. Es gibt da ein Team mit einem neuen Pelé. Ich bringe Wasser und Zitronen mit. Du wirst überrascht sein.« Jorge, der zwei Jahre älter war als Diego, konnte das Schicksal des Neunjährigen damals schon voraussehen. »Es gab auch einen richtig guten Neuner, Goyo Carrizo, der spielte wie ein junger Gott«, erinnert sich Fernando García. »Er kam von einem völlig anderen Planeten. Aber seine Lebensumstände verhinderten, dass er Karriere machte.«

Bevor er krank geworden war, hatte Eduardo freitags meistens zwei oder drei Mannschaftskameraden in das große Haus der Cyterszpilers eingeladen, dessen Türen so gut wie jedem offen standen. An Heimspieltagen war das Stadion ja ohnehin direkt um die Ecke, und wenn sie auswärts spielten, brachen sie mit dem Bus vom Vereinsgelände aus auf, sodass das Haus der Cyterszpilers auch an diesen Spieltagen ein guter Treffpunkt war. Jorge tat es seinem Bruder später gleich: Er lud fünf oder sechs Cebollitas-Spieler ein, im Haus seiner Eltern zu übernachten, statt in unterschiedlichen Bussen nach Hause zu fahren. Wenn man an solchen Freitagen bei den Cyterszpilers den Kühlschrank öffnete, kam jedes Mal ein Kind herausgekrochen, zumindest ist es in der Erinnerung so gewesen. Natürlich war das Abendessen inklusive. Toncha, Jorges Mutter, kochte eine Milanese, die alle liebten. Als jemand, der gerne Grenzen austestete, plünderte Diego dennoch liebend gerne nachts den Kühlschrank.

So begann ihre Freundschaft. Jorge bot sich mit Diego die Möglichkeit, den Tod seines Bruders zu verarbeiten und seine Liebe zum Fußball zurückzugewinnen. Er brachte nicht nur Wasser und Zitronen mit, sondern auch Bälle und Leibchen und war immer bereit zu helfen. Einmal, kurz nachdem die Cebollitas die Saison als die Besten in ihrer Altersklasse abgeschlossen hatten, bat ihn Francis Cornejo, der an Gallensteinen litt, seinen Posten zu übernehmen. »Du musst nur auf eines achten, Jorge«, sagte er, »keine Prügeleien – und habt Spaß.« Das Ganze endete in einem großen Feldkampf und blieb ein gut gehütetes Geheimnis der Jungs.

Nach Diegos Debüt in der ersten Liga 1976 entwickelte sich aus der Freundschaft zwischen ihm und Cyterszpiler nach und nach eine Geschäftsbeziehung. Ein Jahr später reiste Jorge der argentinischen U-20-Mannschaft nach Venezuela hinterher, wo die U-20-Südamerikameisterschaft ausgetragen wurde. In Caracas bewies er Unternehmergeist, indem er sich ein wenig Geld durch den Verkauf von Ledermustern und Musterschuhen verdiente. Dass Argentinien bei diesem Wettbewerb nicht über die Gruppenphase hinauskam, wird in Maradonas Autobiographie stillschweigend übergangen. Aber er wird dadurch gelernt haben, dass man nicht jedes Spiel gewinnen kann und nicht jeder Schritt ein Schritt nach vorn ist, wie Jorge es ihm immer predigte.

Cyterszpiler schrieb sich für ein Studium der Wirtschaftswissenschaften ein, besuchte letztendlich aber nur wenige Vorlesungen und Seminare – so groß war sein Vertrauen in seine intuitiven Fähigkeiten, die nach der Südamerikameisterschaft auch bestätigt wurden. Diego bat seinen Freund, ihn dauerhaft als sein Agent zu vertreten. Jorge nahm die Herausforderung an und versprach Diego, ihn zu schützen und ihm ausreichend Geld einzubringen, um sich und seiner Familie ein besseres Leben zu sichern. Don Diego und Doña Tota wussten, dass Diego bei ihm in guten Händen war. Zusammen mit Argentinos Juniors arbeitete er Diegos ersten Profivertrag aus, der die Miete eines Hauses in der Calle Argerich und eine monatliche Vergütung von 400 US-Dollar beinhaltete.

Zu jener Zeit führten die Spieler ihre Vertragsverhandlungen noch selbst, und viele wurden dabei über den Tisch gezogen, weil sie von den finanziellen und rechtlichen Dingen in der Fußballbranche überhaupt keine Ahnung hatten. Jorge nahm sich die Welt des Tennis zum Vorbild, um sich mit den Besonderheiten, die es bei Vertragsabschluss- und anderen Beratungsfragen zu beachten galt, vertraut zu machen. Sein älterer Bruder Silvio studierte Jura und half ihm mit seinem Wissen. Jorge wollte rund um Diego die bestmöglichen professionellen Strukturen aufbauen. Um zum besten Fußballer der Welt zu werden, war es seiner Meinung nach nicht nur wichtig, dass Diego in den Kader der Nationalmannschaft aufgenommen wurde, diese Mannschaft sollte am besten auch regelmäßig die WM-Finalrunden erreichen und diese gewinnen.

Auch jenseits des Spielfelds gab es etliches für ihn regeln. So stellte Jorge für Diego den Kontakt zu Roberto Cacho Paladino her, einem Arzt, der sich auf die Behandlung von Boxern spezialisiert hatte, und zu Dr. Alfredo Cahe, der zum Hausarzt der Familie wurde und Diego viele Jahre später die Nachricht vom Tod seiner Mutter übermittelte. So baute er für Diego ein Ärzteteam auf, das vom Verein unabhängig war – eine weitere Neuerung, die es im Fußball bisher nicht gegeben hatte.

Jorge wusste, was Diego, der ihm vorbehaltlos vertraute, brauchte. Er wusste, dass der vielversprechende Spieler eher temperamentvoll als bedacht agierte, weshalb sie sich charakterlich hervorragend ergänzten. Cyterszpiler setzte seinen Charme ein und vertraute auf seine Intelligenz, seinen Esprit und seine Intuition, um diejenigen zu umgarnen, die umgarnt werden mussten. Ohne jedes Vorwissen gründeten die beiden ehemaligen Straßenkinder aus Buenos Aires ein auf Jorges Ideen basierendes bahnbrechendes kommerzielles Unternehmen. Mit Hilfe von »Maradona Producciones« sollten Filme produziert, Sponsoren gewonnen und das Image von Diego entwickelt und zu Geld gemacht werden. Cyterszpiler blickte nach vorn und ließ absolut nichts anbrennen, genauso wie er es als Torwart beim Rumbolzen mit Freunden getan hatte.

So starteten der selbstbewusste 19-jährige Jorge und der ebenso fest von sich überzeugte 17-jährige Diego auf direktem Konfrontationskurs mit der Welt ins Erwachsenenleben. Es war nicht leicht, doch Jorge gelang es, Diego einen Mercedes, innerhalb von nur fünf Jahren drei noch lukrativere Folgeverträge bei Argentinos Juniors, eine der begehrten Titelstorys in der El Gráfico und natürlich öffentlichkeitswirksame Auftritte und die Bewunderung der Fans zu sichern. Als Diegos Spielerberater kümmerte er sich auch darum, gute Beziehungen zur Presse herzustellen. Während Diego bei Argentinos war, tat Jorge alles für die Journalisten, er servierte ihnen sogar Coca-Cola in der Halbzeitpause, wobei er dabei besonders überschwänglich war, wenn Diego einmal kein gutes Spiel hatte.

Der italienische Journalist Pier Paolo Paoletti ist ein großer Kenner der Maradona-Welt. In Sergio Levinskys Buch Rebel With a Cause beschrieb er die Beziehung zwischen Jorge und Diego folgendermaßen: »Was kann man über Jorge sagen? Er ist so etwas wie ein anmutiger Gnom, aber auch ein Mann mit unschätzbaren inneren Werten, den eine große Leidenschaft und die Identifikation mit Diego antreibt. Während eines Spiels lief er oft von Tor zu Tor, ohne Rücksicht auf sein schwaches Bein. Er starrte Maradona ekstatisch hinterher, ahmte jede Bewegung nach, die Diego machte. Die Verbindung war vollkommen …«

Im gleichen Buch schrieb Bruno Passarelli, der Italien-Korrespondet der El Gráfico: »Wenn am nächsten Tag ein Training oder ein Spiel bevorstand oder Diego eine andere wichtige Verpflichtung hatte, schlief Jorge auf dem Boden neben Diegos Bett, um ihn davon abzuhalten, abends auszugehen und sein eigenes Ding zu machen.«

»Jorges Zuneigung zu Diego war unendlich. Unendlich«, sagt Néstor Barrone, der zu Maradonas innerem Kreis in Barcelona gehörte. »Und wo immer er jetzt auch sein mag, ich glaube, diese Zuneigung trägt er nach wie vor in sich.«

»Alles war gelassen, gesund, vielversprechend«, meint Jorges Freund Fernando García. »Der wahre Sport bestand ehrlich gesagt in der Jagd nach Frauen. Tagsüber überlegten sie, wie sie ihre Fußballkarriere noch professioneller managen konnten, und in ihrer Freizeit drehte sich alles um Frauen. Sie waren zwei Teenager, die sehr schnell erwachsen wurden. Am ehesten er selbst war Diego meiner Meinung nach während seiner Zeit bei Argentinos Juniors, Seite an Seite mit Jorge.«

Von seiner Reise zur Junioren-Weltmeisterschaft in Japan hatte Cyterszpiler eine Profikamera mitgebracht. Mit ihrer Hilfe wollte er den großen, noch unerschlossenen US-Markt erobern. Er wollte vor laufender Kamera festhalten, wie sich Dieguito – wie die Journalisten Maradona damals nannten – zum neuen Pelé entwickelte. Er engagierte Kameramann Juan Carlos Laburu, der Diego und ihn überallhin begleitete, auch später noch, als Maradona zuerst nach Barcelona und dann nach Neapel wechselte.

Ein weiteres Projekt, an dem Cyterszpiler nach dem U-20-Sieg in Japan arbeitete, war eine Weihnachts-TV-Sendung. Alle Erlöse der unter dem Titel »Maradona’s Christmas« geplanten Show kamen der argentinischen Kinderstiftung El Patronato de la Infancia zugute. Über 2000 Zuschauer besuchten die Veranstaltung im Luna Park, jener Halle in Buenos Aires, in der Maradona später auch seine Hochzeit feierte. Es wurde ein bunter Abend mit Ballspielen, Tombolas, Musikeinlagen und anderen unterhaltsamen Programmpunkten. Neben Diego stand an diesem Abend auch Menotti auf der Bühne und sprach zum Publikum. Bei diesem Anlass wurde erstmals auch Maradona Producciones vorgestellt, die Firma, die in der Veranstaltungsbroschüre mit dem Slogan »ein Mann, ein Unternehmen« beworben wurde.

Einige der eher zynischen Pressevertreter hinterfragten die Motive, die sich hinter dieser Geschäftsgründung verbargen. Maradona sagte ihnen: »Denkt ihr, ich müsse für mich selbst die Werbetrommel rühren? Habt ihr vergessen zu erwähnen, dass alle Erlöse an El Patronato gehen? Das tut weh. Ich war selbst arm, als ich jung war, und ich weiß, wie es ist, wenn man keinen Ball in Größe fünf [Erwachsenengröße] hat.«

Tatsächlich aber kamen infolge des Events zahlreiche Werbeverträge zustande. Diego schloss zunächst einen Vertrag mit Coca-Cola und dann mit Puma ab. Puma war sein erster Sponsor unter den Sportartikelherstellern, und er trug die Schuhe und Sportkleidung des Unternehmens aus Herzogenaurach viele Jahre lang. Jorge Cyterszpiler verlangte für damalige Verhältnisse ein Vermögen von den Sponsoren, dennoch akzeptierten viele seine Bedingungen, darunter Agfa-Gevaert, Maurizio de Souza Producciones, TSU Cosméticos, Della Penna.

Jorge war auch derjenige, der Diegos ersten Transfervertrag aushandelte, als dieser seine Zeit bei Argentinos beendete. Viele weitere Verträge sollten folgen, doch 1985, als Diego für Neapel spielte, zogen sie einen Schlussstrich unter ihre Partnerschaft ebenso wie unter ihre Freundschaft. »Ich habe Diego geliebt, ich liebe ihn und werde ihn immer lieben«, sagte Cyterszpiler 2015. »Ich will nicht schlecht über ihn reden. Er ist der Inbegriff von Freundschaft. Ich werde nie ein schlechtes Wort über ihn verlieren.«

2002 feierte er sein 25-jähriges Berufsjubiläum, und die gesamte argentinische Fußballprominenz kam zu seiner Party, angefangen bei Julio Grondona, dem Präsidenten des argentinischen Fußballverbands, begleitet von vielen der Menschen, mit denen er im Laufe seiner Karriere verbunden war, bis hin zu Maradonas Eltern. Maradona selbst blieb der Feier fern. »Er ist Diegos bester Freund, ist es immer gewesen«, sagte Tota an diesem Tag über Jorge.

Cyterszpiler schaffte es, sich neu zu erfinden, und machte auch ohne Maradona weiter. Zunächst trat er eine Zeitlang nicht mehr als Spielerberater auf, sondern organisierte Veranstaltungen für die Entertainment-Branche sowie eine erfolgreiche Tour für die Nationalmannschaft. Als der ehemalige Fußballer und spätere Trainer Miguel Ángel Brindisi auf der Suche nach einem Agenten war, wandte er sich an Jorge, der daraufhin die Verantwortung für mehr als 200 internationale Transfers übernahm. Er stellte einen Kontakt zwischen dem argentinischen Fußballmarkt und Russland her und machte ein Vermögen, wobei auch ein paar Fehler unvermeidlich waren.

Maradona traf Jorge noch einmal 2011, während er als Trainer für Al-Wasl in den Vereinigten Arabischen Emiraten arbeitete. Er wollte sich einen seiner Schützlinge, Juan Ignacio Mercier, für den Verein sichern und lud Jorge in sein Haus auf der arabischen Halbinsel ein. Das Treffen verlief freundschaftlich, und der Transfer kam zustande. Danach sahen sich die beiden allerdings nie wieder.

Das gut laufende Beratungsgeschäft füllte Jorge leider nicht aus. Es verschaffte ihm nicht die Freude und Genugtuung, die er brauchte, um sich jeden Morgen glücklich und frohgemut wieder an die Arbeit zu machen. Und dann kam es zu seiner Scheidung, die ihn aus der Bahn warf und das Tor zu einem Teufelskreis öffnete, dem er nicht mehr entkommen konnte. Jorges Therapeut beobachtete seine Entwicklung voller Sorge, da es eine Zeit gab, in der ihm alles freudlos erschien und ihn nichts dazu bewegen konnte, morgens das Bett zu verlassen. 2017 reiste er nach Europa und kam unter anderem nach Malaga, wo er mit einem seiner früheren Klienten, dem ehemaligen Manchester-City-Spieler Martín Demichelis, zu Mittag aß. »Nicht bei dir zu Hause, Martín«, bat Jorge. Er wollte vermeiden, dass Demichelis’ Frau mitbekam, in was für einer Verfassung er war. »Rückblickend würde ich heute sagen, dass Jorge wahrscheinlich damals schon wusste, was er tun würde, und dass dieses Mittagessen ein Abschiedsbesuch war«, sagte Demichelis im Gespräch mit Diego Borinsky.

Sieben Tage später, am 7. Mai 2017, einem Sonntag, logierte Cyterszpiler in einem Hotel in Puerto Madero, ganz in der Nähe von Buenos Aires. Sein Zimmer hatte die Nummer 707. Sobald er allein war, stürzte er sich vom Balkon sieben Stockwerke in die Tiefe. Er wurde 58 Jahre alt.

Als Maradona erfuhr, was geschehen war, schüttelte er den Kopf und suchte nach einem Grund: »Eine Frau lässt dich leiden, aber sie sollte dich nicht töten … Ich glaube, bei Jorge sind wir alle am Steuer eingeschlafen.«

Maradona

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