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Kapitel 26 Vermißtensuche

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Nach dieser verheerenden Sintflut setzte Lütet Manninga Himmel und Hölle in Bewegung, um seine Pflegetochter zu finden. In allen Häusern bis zur letzten armseligen Hütte fragten seine Boten nach Adda tom Brook. Sie blieb verschwunden. Vielleicht, es konnte sein, dass die Beschreibung eines blonden Mädchens von fünfzehn Jahren zu nichtssagend war? So viele blonde, blauäugige Mädchen dieses Alters gab es. Jedenfalls brachte keiner der Boten die erlösende Nachricht. Aber einer brachte einen schmutzigen Mantel mit, den er irgendwo aufgefunden hatte - Addas Mantel!

Sich selbst und vor allem seiner Frau, machte Manninga schwere Vorwürfe. Aber das half ja nichts, Vorwürfe brachten Adda nicht zurück.

Von morgens bis abends war Lütet Manninga unterwegs, um die Sturmflutschäden aufzunehmen und die angeschwemmten Leichen zu identifizieren, soweit noch möglich. Zum Glück befand Adda sich nicht unter den bereits aufgefundenen Opfern. So blieb noch ein kleiner Hoffnungsschimmer, dass sie mit dem Leben davongekommen sein könnte. Aber ebensogut bestand die Möglichkeit, dass sie anderswo an Land getrieben worden war oder gar unter den Trümmern seines eigenen Hauses begraben lag. Vielleicht - mochte Gott es verhütet haben - hatten die gewaltigen Fluten sie auch ins offene Meer geschwemmt? Dann würde ihre Leiche wohl niemals aufgefunden werden. Sollte Lütet Manninga schon jetzt Keno tom Brook benachrichtigen? Nein, besser nicht. Manninga fürchtete sich davor. Das konnte den alten Mann umbringen, wusste Lütet doch, wie sehr Keno an seiner Enkeltochter hing. Solange es noch Hoffnung gab, wollte er seine Befürchtungen nicht äußern. Früh genug würde Keno das entsetzliche Unglück erfahren müssen...

Kaltleuchtend standen Mond und Sterne am Himmel. Es schien, als hauche der weiße Mond den Frost über das notleidende Land. - Unergründliche Kräfte der Natur, sie können den Menschen verzweifeln lassen.

Unter den Hufen von Manningas Pferd brach knisternd dünnes Eis. Wie viele Menschen wird der plötzliche Kälteeinbruch elendiglich erfrieren lassen? Lütet Manninga fühlte sich erschöpft und am Ende seiner Kraft. Endlich daheim oder zumindest fast daheim, denn richtig zu Hause hatte er sich hier auf seinem Uthof noch nie gefühlt. Seine Frau lebte zurzeit, für den Übergang, auf der Itzinga-Burg, und hier auf dem ‚Uthof’ nahe von Norden gab es niemanden, mit dem er vernünftig hätte reden können. Müde rutschte er aus dem Sattel, übergab das Tier wortlos dem herbeigeeilten Pferdeknecht, stiefelte steifbeinig ins Haus. Die vergangenen Tage waren so anstrengend gewesen, dass er zuweilen glaubte, im Stehen einschlafen zu müssen. Nein, er wollte an diesem Abend niemanden mehr sehen noch sprechen, nur noch schlafen, schlafen, schlafen...

Ein neuer Tag erwachte und brachte manchem die Gewissheit, nicht nur Hab und Gut, sondern auch einen lieben Menschen verloren zu haben. Er schenkte aber auch das Glück der Wiedersehensfreude. Viele Tränen wurden in diesen Tagen geweint, solche aus Freude, mehr noch aus Leid.

Der Kampf gegen das Nahrung spendende und Leben vernichtende Element ‚Wasser’ ist gar zu ungleich. Diesmal sind die Friesen unterlegen, aber sie geben nicht auf. Sie lieben ihr Land am Meer und sie trotzen dem ‚Blanken Hans’. Neue Deiche werden errichtet und auch wieder zerstört. Und abermals baut das tapfere, stolze Volk der Friesen neue Deiche, höher, breiter, weniger steil; das Meer lehrt sie, der ständigen Bedrohung zu begegnen, sich mit neuen Mitteln und neuer Arbeitsweise zu wehren. Und sie trotzen der See Land ab und bebauen es, und die Nordsee erobert es irgendwann zurück. Ein steter Kampf. Kann es einen Sieger geben?

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