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Kapitel 7.
Оглавление»Denn der Mensch ist wie das Vieh,
und es ist alles eitel.«
Es war der Stallbursche, der Susannas Leichnam am anderen Morgen in der Jauchegrube entdeckte. Ihr weißer, runder Arm ragte aus dem stinkenden Kot und Schlick empor. Ein Schreck durchfuhr den armen Knecht, und in ihm regte sich das Gewissen. Hatte nicht auch er schuld an diesem Unglück? Warum hatte er weggeschaut, als der unheimliche Mönch die Frau auf seinen Armen entführte?
Auf klappernden Holzschuhen rannte er in die Schankstube, wo die Hausfrau das vom Auswurf der Zecher verschmutzte Stroh zusammenkehrte. Stammelnd brachte er die schlimme Kunde hervor, die Hausfrau ließ krachend den Besen fahren und raffte die Röcke. Schreiend rannte sie über den Hof, und bald versammelte sich die ganze Familie und das Gesinde um den grausigen Fund in der Jauchegrube.
Nur der Stallbursche wandte sich in die andere Richtung, gab Fersengeld und wollte zum Stadttor entweichen. Der Fund machte ihn gewiß verdächtig. Er fühlte bereits die schneidende Schlinge um seinen Hals. Doch an der Stadtmauer griffen ihn hessische Landsknechte auf. In voller Gewißheit, einen weiteren Aufständischen gefangen zu haben und gegen guten Beutepfennig an die fürstlichen Richter im Feldlager vor den Stadttoren überantworten zu können.
Claudius beobachtete derweil das Spektakel im Hof und die Bergung der Leiche vom Fenster der Schlafkammer aus. Mit Stirnrunzeln und Kopfschütteln verfolgte er die Geschehnisse. »Der Bogenwaldler ist fürwahr ein ungestümer Teufel«, flüsterte er zu sich selbst.
Dann schlüpfte er rasch in sein weißes Ordensgewand, hüllte sich in den schwarzen Kapuzenumhang der Dominikaner – Skapulier genannt –, und machte sich auf den Weg, um zu retten, was zu retten war. Die Flucht des Stallburschen war ihm nicht entgangen, sie schien die Lösung seines Problems. Auf leichten Sandalen schlich Claudius am Bett des Ritters vorbei, der schnarchte hinter zugezogenen Bettvorhängen wie ein Russenbär. Nein, ein Gewissen hatte der freilich nicht. Der Dominikaner lächelte bitter. Ja, seine Wahl hatte den Rechten getroffen, auch wenn es Mühe machte, dessen hitziges Temperament zu dämpfen und ihn vor Entdeckung zu bewahren.
Niemand achtete auf den Mönch im schwarzen Umhang, der sich die Stiegen in den Hof herunterstahl und zum Tor hinaus flitzte. Hausmutter Dörthe stand da und ergab sich ganz ihrem Wehgeschrei. Ihr Mann, der Wirt, wußte sie nicht zu beruhigen. Er zitterte vor Angst. Ein Mord in seinem Hause, zu dieser Zeit. Gewiß, es mußte sich um die Tat des schrecklichen Ritters handeln, doch sollte er etwa Anklage erheben? Was für ein Gedanke, man würde ihn mit dem Rest der Familie aufknüpfen, gleich neben all den anderen Rebellen.
Sich dessen besinnend, wandte er sich gegen seine Frau und schlug ihr kräftig ins Gesicht. »Weib, mäßige dich! Willst du die Gewaltrichter und Landsknechte auf uns ziehen?« Dörthe erstarrte. Ihre jüngste Tochter krallte sich in ihre Röcke und schluchzte leise. Die Knechte zogen Susannas Leichnam aus der stinkenden Brühe, die Mägde rannten mit fliegenden Röcken zum Brunnen, schöpften kübelweise Wasser und reinigten den besudelten Leichnam.
Ganz deutlich sah man nun die häßlichen, blutroten Würgemale an ihrem weißen Hals. Halb entblößt war außerdem der schöne Leib. Erneut hob Dörthe ihre Stimme.
Auf der Galerie ertönten nun kräftige Tritte. Der Ritter von Bogenwald. Er reckte sich kurz und gähnte, dann schrie er in den Hof herab: »Ist das Eure Art, einen hohen Gast zu wecken. Still, Weib, oder ich schneide Euch die Zunge selbst aus dem Mund! Was krakeelt Ihr so garstig?«
Erschrocken fuhr der Wirt herum. »Es ist nichts, Herr. Nichts. Ein grauslicher Unfall. Meine Tochter muß bei Nacht und auf dem Gang zum Abort«, er wies zitternd auf den Abtritt nahe der Grube, »ausgerutscht und so unglücklich gefallen sein, daß sie in der Jauche ertrank. Versteht den Kummer einer Mutter.«
Der Ritter stieg die Stufen herab und befahl den Leuten, beiseite zu treten. Vor ihm lag Susanna mit weitaufgerissenen, blutigen Augen. Ein häßliches Bild. Doch in seinen Augen flackerte ein lustvoller Blick, der noch dem Teufel zur Ehre gereicht hätte.
Der Ritter wandte sich um, zog seinen gefürchteten Dolch. »Ei Wirt, was lügt Ihr? Das kann kein Unfall gewesen sein. Seht Ihr denn nicht die Würgemale an ihrem Hals.« Triumphierend zeigte er auf die gräßliche Wunde. »Die Frau wurde ermordet, feige ermordet. Warum belügt Ihr mich?«
Drohend trat er auf den Wirt zu, der sich vor Wut über seine unbedachten Worte am liebsten selbst die Zunge abgebissen hätte. Ja, das war die Kunst der hohen Herren. Ihm die Worte im Munde zu verdrehen und ihn als Mörder hinzustellen. Nun saß er richtig in der Klemme. Denn würde der Ritter als Zeuge aufstehen und dem Halsgericht von dieser offensichtlichen Lüge berichten, so hatte sein letztes Stündlein gewiß geschlagen. Was wog das Wort eines einfachen Wirts gegen das eines Edelmannes?
Sprachlos vor Entsetzen stand nun auch Dörthe da. Zu erschrocken, um weiter zu jammern. Stattdessen warf sie sich vor dem Ritter auf die Knie und flehte: »Hoher Herr, schimpft meinen Mann keinen Lügner. Er ist ein aufrechter, ehrenwerter Mann. Es war der Schreck, der ihn von einem Unfall sprechen ließ. Denn wer, wer sollte unserer guten Susanna so Übles tun?«
Der Ritter stieß die Frau beiseite, um weiter auf die Leiche zu schauen, deren Anblick ihm Genuß zu verschaffen schien. »Gute Susanna, sagt Ihr? Mir scheint, so gut war Eure Susanna nicht. Schaut doch, diese Sausuhle trägt ihren Rock nicht mehr! Scheint, sie hat sich wie ein loses Kußmaul an einen strammen Burschen rangemacht.«
Susannas Schwester, wiewohl zart und unschuldig, wollte diese Worte nicht leiden. Tapfer trat sie hervor, reckte ihr Kinn und sprach: »Herr, Ihr redet böses Zeug. Meine Schwester war eine sittsame Frau, das weiß ich gewiß. Niemanden hat sie geliebt als ihren Ehegemahl und für niemanden freiwillig die Röcke gehoben.«
Der Ritter blickte spöttisch auf das hübsche Mädchen herab. An ihr hätte er seine Lust noch lieber gesättigt. Sie war, da bestand kein Zweifel, wirklich noch keusch. Ihre tapfere Rede amüsierte ihn, das ganze Pack war ja schon in seiner Hand. Ihm ausgeliefert auf Gedeih und Verderb. Doch bevor er eine Antwort geben konnte, klang vom Hoftor her das Rasseln von Schwertern und das Wehklagen eines jungen Burschen.
»Schont mich, Ihr Herren. Der Mönch spricht nicht die Wahrheit. Ich hab’s nit getan. Ich hab’s nit getan.« Die Landsknechte führten den Stallburschen vor und grüßten den Ritter.
»Herr, wir sehen, Ihr kennt den Fall. Ein Mönch gab uns Kunde, daß dieser Kerl eine junge, unschuldige Magd getötet haben soll.«
»Und geschändet«, fügte der Ritter maliziös hinzu, bückte sich zur Leiche und hob mit seinem Dolch die Stoffetzen über Susannas Scham an, die ebenfalls von Schnitten durchzogen war. Dörthe brach jammernd zusammen, ihre kleine Tochter lief auf sie zu, um ihr Trost zu spenden. Der Stallbursche beteuerte weiter seine Unschuld.
»Still«, bellte ihn der von Bogenwald an, »oder sollen wir dich der peinlichen Befragung auf der Folter unterziehen? Der Graf von Mansfeld führt gewiß genug Werkzeug mit sich. Und neben den paar Bauernburschen finden wir auch noch Zeit für einen Lumpen wie dich. Kerl, du bist ohnehin des Todes, also gestehe.«
Wimmernd hing der Bursche in den Armen der Landsknechte, der Ritter hielt seinen Dolch gegen seine Kehle. Vor Angst machte er sich die Hosen naß, er hörte schon das Splittern und Krachen von Knochen, wie er es von vielen Richtspektakeln kannte und wie er es sich gern ausgemalt hatte für den kommenden Richttag, nicht ahnend, daß seine eigenen Knochen dabei zu Schaden gehen sollten.
Nein, er wollte nicht so qualvoll sterben. Und da der Tod ihm gewiß war, hoffte er auf eine schnelle Begegnung. So bekannte er den Mord an der Wirtstochter Susanna, den er nicht begangen hatte.
Im Hoftor verborgen stand der Dominikaner, schnippte ein Stäubchen von seinem weißen Gewand und sprach ein kurzes lateinisches Gebet.
Ein Kapuzinermönch, der eben in diesem Moment von außen das Tor passierte, wunderte sich über den Predigermönch, der vor einem Gasthof seine Gebetsstunde hielt. Noch mehr hätte er sich gewundert, wäre er des Lateinischen besser mächtig gewesen.
»In nomine patria et filia«, schnarrte der Dominikaner, was zu deutsch soviel hieß wie »Im Namen das Vaterland und die Tochter«. Barer Unsinn also. Doch auch ohne das Küchenlatein vollständig zu verstehen, hielt der Kapuziner den hageren Kerl für keinen bemerkenswerten Diener des Herrn. Sein Lächeln stünde einem Aasvogel zu Gesicht, schoß es ihm durch den Kopf. Und mit diesem Gedanken eilte Fresenius weiter, in der linken Hand einen schweren Sack. Ein gutes Stück Arbeit lag noch vor ihm.