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Prolog

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Robert hat die letzten Häuser der kleinen Stadt hinter sich gelassen und strebt seinem Lieblingsplatz zu, eine Bank am Waldrand, weit nach Westen zu. Von ihr hat man einen großartigen Blick über die Stadt unten im Tal, ein Blick, der Ruhe gibt. Und die braucht Robert nach dem filmreifen Ende einer langjährigen Beziehung zu Ilse. Das ist mehr als vier Wochen her, Mitte März, stand er plötzlich alleine da. Dabei war doch alles so schön gewesen. Robert fühlte sich geborgen. Ilse sah das wohl grundlegend anders. Ihm klingen die Worte des Abschieds noch in den Ohren. An diesem Tag, als er von der Arbeit nach Hause kam und seine Freundin mit gepackten Koffern vor der Haustür antraf. Robert muss da wohl frühere Zeichen in der Beziehung falsch gedeutet haben, so mutmaßt er heute leicht ironisch. Fest steht, bis heute hat er die Trennung nicht verarbeitet. Er versucht mit sich ins Reine zu kommen. Darüber sprechen kann er nur mit seinem Freund Franz Obermann, dem das größte Taxiunternehmen in der Stadt gehört, Roberts Schwester lebt in Australien, seine Eltern sind tot.

Robert beschleunigt seinen Schritt kann jetzt die Bank schon erkennen. Er stutzt. Das kann doch nicht wahr sein. Da sitzt ein Mensch! Noch nie war das bisher der Fall! Robert hat das Gefühl, alles ist gegen ihn. Nicht einmal allein kann er auf seiner geliebten Bank sitzen! Er kommt mit der Zeit näher und erkennt, dass dieser Mensch eine Frau ist, die offenbar völlig vertieft in einem Buch liest. Er verlangsamt seinen Schritt, um nicht zu schnell in die Verlegenheit zu einem Gespräch zu kommen. Dazu ist er nicht bereit. Als er den Weg verlässt und auf die Bank zugeht, erhebt sich die Frau, die sich als gut aussehende junge Dame entpuppte, steckt das Buch in einen weißen Beutel, den sie sich im Gehen umhängt, blickt ihn an und sagt:

„Es tut mir leid. Es ist schon spät. Ich muss zur Bahn. Auf Wiedersehen!"

Robert ist verblüfft und absolut sprachlos. Im Eilschritt entschwindet, wie Robert zu sich sagt, die Lichtgestalt auf dem oberen Weg in Richtung Stadt. Bald ist sie nicht mehr zu sehen. Was Robert noch auffiel, als er nachdenklich hinter ihr herblickte, sie war schwarz gekleidet.

Auf dem Boden sieht Robert ein Papier liegen, ein Lesezeichen, wie es sich herausstellt. Robert liest den Spruch, der darauf steht. Er ist von Cicero und somit zweitausend Jahre alt.

„EIN RAUM

OHNE BÜCHER

IST WIE

EIN KÖRPER

OHNE SEELE."

Robert kommt ins Grübeln. Ein neues Problem tut sich auf. Eine innere Stimme sagt ihm: Finde diese Frau wieder. Was hatte sie wohl in der Stadt zu tun? Diese Lichtgestalt in schwarz? Fragen über Fragen. Die Trennung von Ilse ist urplötzlich in den Hintergrund getreten.

Als die Sonne untergeht, ist Robert auf dem Rückweg. Das Lesezeichen hat ihn in seinen Bann gezogen oder etwa die Frau, der das Lesezeichen gehört?

Seele an Seelchen

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