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Reise-Tagebuch 0. IN AMERIKA (1854)

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Nachtrag zu meinem Reise-Tagebuch, Sommer 1854:

Ob man es mir glauben wird oder nicht: Ich war schon während meiner Schulzeit in Amerika! Natürlich ist damit nicht der Kontinent Amerika gemeint, sondern die Ansiedlung eines Spinnereibetriebes, die teils zu Penig, teils zu Arnsdorf in der Amtshauptmannschaft Rochlitz gehörte. Der Sohn unseres Nachbarn arbeitete in der dortigen 1836 gegründeten Kattunfabrik. Er hatte da eine Braut und wollte demnächst heiraten. Da er von zu Hause von seinen Eltern als Aussteuer Bettgestell, Strohsack, Zudecke und einige andere Gegenstände bekam, sollten diese auf einem kleinen Leiterwägelchen zu ihm hingeschafft werden. Seine Mutter fragte mich, ob ich ihm diese Sachen nach Amerika bringen und dann das Wägelchen wieder mit nach Hause nehmen würde, wofür ich drei Kreuzer erhalten sollte. Das war fast ein Vermögen für mich. Natürlich sagte ich zu.

Als es so weit war, machte ich mich am Morgen auf den Weg. Da ich ja das Handwägelchen hinter mir herzog, musste ich den weiteren Weg über Penig und die Peniger Brücke nehmen und nicht den kürzeren mit dem Kahn über die Mulde. Es war schon ziemlich später Nachmittag, als ich dort bei dem Sohn unseres Nachbarn ankam. Da er sich aber noch bei der Arbeit befand, musste ich warten, bis es fast dunkel wurde. Er nahm mich mit zu seinen zukünftigen Schwiegereltern, wo auch seine Braut wohnte. Hier bekam ich zuerst ein tüchtiges Abendbrot, was ich von zu Hause in dieser Menge überhaupt nicht kannte. Ich glaube, so satt gegessen wie an diesem Abend hatte ich mich noch nie. Hier erfuhr ich auch auf meine Frage, warum dieses kleine sächsische Amerika überhaupt so hieß: Weil man diese Ansiedlung und die Fabrik nur über die Zwickauer Mulde erreichen konnte, musste man ein kleines Fährboot besteigen, das an einem Seil von einem zum anderen Ufer, also über den Teich gezogen wurde. „Über den Teich“ aber zogen damals diejenigen, die nach Amerika fuhren, also nannte man die Ansiedlung einfach „Amerika“. Ich durfte in dieser Nacht bei den Schwiegereltern unseres Nachbarsohnes, die ein eigenes kleines Häuschen besaßen, schlafen. In diesem Haus würde auch später das junge Paar wohnen. Am nächsten Morgen, nachdem ich Kaffee getrunken und zwei große Stücke Brot mit Marmelade gegessen hatte, machte ich mich mit dem Leiterwägelchen wieder auf den Rückweg. Für die braven Leute schien es selbstverständlich zu sein, mir auch noch ein belegtes Brot mit auf den Heimweg zu geben, denn der war ja für einen Schuljungen doch sehr lang und anstrengend.

Und so war ich tatsächlich schon während meiner Schulzeit in Amerika gewesen.

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