Читать книгу Atlan-Paket 16: Im Auftrag der Kosmokraten (Teil 2) - Hans Kneifel - Страница 21
2.
ОглавлениеDer beißende Gestank war noch auszuhalten. Sobald der ätzende Dunst die Nasenschleimhäute ausgetrocknet hatte, nahm man ihn kaum mehr wahr.
Die Hitze war dagegen schon schlimmer. Gut sechzig Grad herrschten zwischen den Maschinen, und nicht einmal die nachträglich installierten Ventilatoren vermochten Linderung zu schaffen.
Am ärgsten aber war das monotone Tropfen, von dem niemand zu sagen vermochte, woher es kam.
»Plop ... plop ... plop ...« Unablässig wiederholte es sich. Tolden lauschte angestrengt. Es kam von rechts, wo mannsdicke Druckschläuche zwischen den Aggregaten verlegt waren.
Fluchend schob der Daila sich weiter. Die gebückte Haltung machte ihm zu schaffen. Und überall stieß er auf Verkrustungen von Öl und Staub.
Seine Tätigkeit an Bord eines Raumschiffs hatte Tolden sich anders vorgestellt. Deshalb also war ein undefinierbares Grinsen im Gesicht des Kommandanten erschienen, als sie um den Preis für die Passage Richtung Aklard feilschten. Musan'J'irkis war ein Schlitzohr, soviel stand inzwischen fest.
Zehn Stunden Arbeit, fünf Stunden Ruhepause – Tolden wäre sogar noch auf mehr eingegangen, nachdem der Ngomi ihm erklärt hatte, dass der Kurs der STERNENLEUCHTEN bis auf zehn Lichtjahre an Aklard heranführte. Von leichter Wartungsarbeit hatte er geredet, dabei aber wohlweislich verschwiegen, was es bedeutete, die meiste Zeit über bäuchlings in schmierigen Ablagerungen herumzukriechen. Was schon von außen her zu erkennen gewesen war, traf auf den Maschinenraum erst recht zu: Es gab wohl kein Aggregat, das nicht irgendwann mit völlig unzureichenden Mitteln repariert oder zumindest zu besserer Leistung hochfrisiert worden war.
Liebend gern hätte Tolden einen letzten Blick auf den in der Schwärze des Alls versinkenden Planeten geworfen. Immerhin war er auf Cirgro aufgewachsen. Aber anstatt den Reiz der Unendlichkeit hautnah mitzuerleben, zwängte er sich zwischen eng stehenden Maschinenblöcken hindurch, die ihm kaum genügend Platz ließen, sich umzudrehen. War dies die neu gewonnene Freiheit?
»Du grübelst viel zu viel«, murmelte er vor sich hin. »Denke lieber daran, dass du in vier oder fünf Wochen endlich auf Aklard sein wirst.«
Irgendwo vor ihm tropfte Öl. Wenngleich es nicht die Ursache des nervtötenden Geräuschs war, musste er sich darum kümmern. Soweit er es überblickte, gehörte das betreffende Teil zum Gestänge der zentralen Landestütze. Eine lockere Dichtung war die Ursache. Kopfschüttelnd fragte Tolden sich, weshalb der Defekt nicht längst behoben worden war. Andererseits gab der Zustand des Schiffes seiner ersten spontanen Einschätzung Recht, dass die Ngomis zwar gute Kaufleute sein mochten, sonst aber zwei linke Hände besaßen, und dass Chrrtl schon seines Körperbaus wegen auch nicht gerade den Typ eines in jeden Kabelschacht hineinkriechenden Technikers darstellte.
Nirgendwo an Bord hatte sich ein passender Overall auftreiben lassen. Tolden trug nun lediglich einen einfachen Umhang und zwei Gürtel, in denen alle möglichen Werkzeuge steckten.
Die Dichtung musste schon seit längerem lecken, denn beide Feststellschrauben saßen nicht nur unverrückbar fest, sie waren sogar angerostet. Mit aller Kraft rüttelte Tolden daran, bis die eine endlich nachgab, die andere aber abbrach. Trotzdem versiegte das auslaufende Öl. Er konnte zufrieden sein.
»Plop – plop – plop ...«
Täuschte er sich, oder wurde das Tropfen an anderer Stelle tatsächlich hektischer? So gut es ging, versuchte Tolden, sich zu orientieren. Der scharf abgegrenzte Lichtstrahl seiner Stablampe fraß sich durch die Schatten zwischen den einzelnen Maschinenblöcken.
Aus dem steten Tropfen wurde ein dünnes Rinnsal. Tolden richtete sich halb auf; das Geräusch kam eindeutig von den Druckschläuchen. Einer von ihnen hatte sich aus seiner Verankerung gelöst und ... Der Daila fand nicht einmal mehr die Zeit für einen entsetzten Aufschrei. Ein fürchterlicher Schlag riss ihn von den Beinen. Gleichzeitig war nur mehr klebrige, übel riechende Schwärze um ihn her, die ihm in Mund, Nase und Ohren eindrang.
Krampfhaft rang Tolden nach Luft, er versuchte vergeblich sich aufzurichten. Der Druck der ausströmenden Flüssigkeit war zu stark und der Boden zu glitschig.
Endlich, nach einer Zeitspanne, die wie eine kleine Ewigkeit anmutete, obwohl in Wirklichkeit nur Sekunden vergangen sein mochten, endete der Ausbruch. Auf allen Vieren brachte der Daila sich aus der Gefahrenzone. Ihm war übel, und seine ungeschützten Hautpartien fühlten sich an, als wären sie vereist worden.
Später vermochte er nicht mehr zu sagen, wie viel Zeit er benötigt hatte, um den Maschinenraum zu verlassen. Tolden wusste nicht einmal mehr, wie er es trotz des klebrigen Schleiers vor Augen überhaupt geschafft hatte.
Nie wieder ein Raumschiff!, war der einzige Gedanke, der ihn beseelte, als er sich endlich am Schottrahmen hochzog und den dicken Flügel aufgleiten ließ.
Ein gellender Schrei hallte durch den Korridor.
Nur schemenhaft erkannte der Daila Chrrtl, der sich blitzschnell herumwarf und wild mit seinen Flügelstummeln schlagend davonhastete, als sei der Leibhaftige hinter ihm her.
*
»Er bringt Unglück! Ich wusste es von Anfang an.« Anklagend deutete Chrrtl auf den Daila, der, sich keiner Schuld bewusst, mit übergeschlagenen Beinen in einem Sessel Platz genommen hatte. Ihm gegenüber saß Musan'J'irkis, doch der Kommandant wurde von den üppigen Polstern fast erdrückt. Es gehörte wenig Phantasie dazu, zu erkennen, dass die STERNENLEUCHTEN für andere Wesen als die Ngomis gebaut worden war.
Tolden hatte das Gefühl, vor einem Tribunal zu stehen. Dabei war er sich absolut keiner Schuld bewusst.
»Er kann seine wahre Natur nicht leugnen«, fuhr Chrrtl aufgeregt fort. »Ich sage dir, er gehört zu den Dämonen, die uns bei jeder Gelegenheit das Leben schwer machen. Wundern würde es mich nicht, wenn er übernatürliche Fähigkeiten besäße.«
»Er ist ein Daila«, winkte Musan'J'irkis ab, als sei damit alles gesagt, was es zu sagen gab.
»Kein wirklicher Daila würde sich ständig das Gesicht schwärzen«, widersprach Chrrtl heftig. »Erst mit Schlamm, nun mit Öl, und in einigen Stunden wird er etwas anderes finden, um seinem unheilvollen Drang nachzugeben.«
»Das war ein Unfall«, widersprach Tolden zögernd. »Als Techniker solltest du erkennen können, dass der Druckschlauch geplatzt ist.«
»Geplatzt oder absichtlich aufgerissen?«, ereiferte sich Chrrtl. »Woher soll ich das wissen.«
»Das ist tatsächlich die Frage«, nickte Musan'J'irkis bedächtig.
»Wir müssen ihn uns vom Hals schaffen.«
»Nach Cirgro zurückkehren? Das kommt überhaupt nicht in Frage. Damit würden wir unseren gesamten Zeitplan durcheinanderbringen.«
»Dann lehne ich jegliche Verantwortung ab«, protestierte Chrrtl.
Der Kommandant schwieg. Zumindest hatte es den Anschein, als denke er angestrengt nach.
Tolden starrte auf seine Hände. Nervös und ungeduldig zugleich presste er die Fingerspitzen gegeneinander.
»Jedenfalls weigere ich mich, diesen ...« Chrrtls Nackenfedern, die einzigen, die an seine Abstammung erinnerten, sträubten sich zu einem farbenprächtigen Kranz. »... diesen Fremden länger in meiner Nähe zu haben.«
Der Kommandant bedachte Tolden mit einem forschenden Blick. »Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was ich mit dir noch anfangen könnte. Andererseits kann ich dich nicht einfach aussetzen. Es ist nur ...«
»Ja?«, machte der Daila.
»Wir waren uns einig, dass du die Passage abarbeitest. Das wird nun kaum mehr möglich sein.« Nachdenklich begann er, auf seiner Unterlippe zu kauen. Schließlich wandte er sich an das Vogelwesen: »Du solltest im Maschinenraum nach dem Rechten sehen. Ich brauche dich nicht mehr.«
»Er ist gefährlich.« Anklagend deutete Chrrtl auf den Daila.
»Mit ihm werde ich schon fertig.« Musan'J'irkis wartete geduldig, bis das Schott zufiel.
»Jetzt wieder zu dir«, sagte er zu Tolden. »Du bringst mich in einen argen Zwiespalt. Zwar scheinst du doch ein ehrliches Gemüt zu haben, andererseits darf ich es mit meinem Techniker nicht verderben.«
»Wie viel verlangst du?«
Ein Lächeln huschte über das Gesicht des Kommandanten. »Ich sehe, du verstehst schnell. Fünfhundert, das ist sicher nicht zuviel.«
»Ich gebe dir alles, was ich noch besitze.«
»Zeig her!«
Tolden brachte eine Handvoll Münzen zum Vorschein.
»Fünf?« Dem Kommandanten verschlug es beinahe die Sprache. »Ich fürchte fast, Chrrtl hat Recht.« Sein Blick fiel auf die Kette um Toldens Hals. »Schmuck nehme ich natürlich auch. Was hast du da?«
»Nur ein einfacher Stein«, wehrte der Daila ab.
»Ein Glücksstein ...«, vermutete Musan'J'irkis und bewies damit, dass er mehr von den Verhältnissen auf Cirgro wusste, als er bislang zugegeben hatte. »Ich mache dir ein Angebot: Die STERNENLEUCHTEN bringt dich nach Aklard, und du gibst mir dafür den Stein.«
Tolden schüttelte den Kopf.
»Was hast du dagegen einzuwenden? Du willst doch nach Aklard?«
»Aber nicht um diesen Preis.«
»Chrrtl hat also Recht. Besser, wir trennen uns so bald wie möglich wieder. Es gibt viele einsame Welten in Manam-Turu, die noch nie von einem Raumschiff besucht wurden.«
»Willst du mir drohen?«
Lässig lehnte der Kommandant sich zurück. »Natürlich musst du dich nicht sofort entscheiden. Ich bin großzügig – aber ich kann auch keine Almosen geben. Allein der Unterhalt für ein Schiff wie die STERNENLEUCHTEN verschlingt enorme Beträge.«
Tolden wollte die Münzen wieder an sich nehmen, doch Musan'J'irkis war schneller. »Ich behalte sie als Anzahlung«, grinste der Ngomi. »Es ist sowieso herzlich wenig.«
Tolden war, wie man so schön sagt, vom Regen in die Traufe gekommen. Auf Cirgro hatte er nicht länger bleiben können, weil ihn der in den letzten Tagen sprunghaft angewachsene Freundeskreis über kurz oder lang um den Glücksstein gebracht hätte, aber nun war er womöglich noch schlimmer dran.
*
Tolden gab sich alle Mühe, Chrrtl aus dem Weg zu gehen. Im Lauf mehrerer Tage lernte er so ziemlich die gesamte Besatzung des Frachters kennen, die überwiegend aus den zwerghaften Ngomis bestand. Es waren aber auch zwei Echsenwesen an Bord, die dem Daila in Größe und Statur nicht nachstanden. Tolden fand heraus, dass die Echsen in demselben Sonnensystem wie die Ngomis beheimatet waren. Obwohl er nur wenig von solchen Dingen verstand, erschien es ihm seltsam, dass sich auf engem Raum nebeneinander zwei so verschiedene Völker entwickelt hatten. Aber womöglich waren die Vorfahren eines von beiden gestrandete Raumfahrer gewesen.
Stundenlang kauerte Tolden vor dem winzigen Monitor in seiner Kabine und ließ die sternenübersäte Schwärze des Weltraums auf sich wirken. Irgendeiner dieser winzigen leuchtenden Punkte mochte die rötlich-gelbe Sonne Suuma sein, deren zweiter Planet Aklard war.
Ein schönes Gefühl, der Heimat endlich näherzukommen. Tolden schlief wenig während der ersten Tage. Nicht nur das zeitweise wieder aufflackernde Heimweh war daran schuld, sondern auch das dumpfe, unablässig durch das Schiff hallende Dröhnen der Triebwerke. Man musste schon daran gewöhnt sein, um es nicht mehr wahrzunehmen.
Der Eindruck, dass einzelne Sterne näher rückten, entsprang einer Täuschung. Um einen solchen Effekt sichtbar zu machen, war das Schiff viel zu langsam. Selbst mit höchsten Beschleunigungswerten erreichte es nur annähernd halbe Lichtgeschwindigkeit, und wären nicht die gelegentlichen, nur Minuten währenden Linearetappen gewesen, die STERNENLEUCHTEN hätte sich, gemessen an den kosmischen Entfernungen, kaum merkbar bewegt.
Toldens Hoffnung, Aklard so schnell wie möglich zu erreichen, wich zunehmend einer realistischeren Beurteilung. Er musste froh sein, wenn er die Heimatwelt überhaupt in absehbarer Zeit wiedersah. Diese neue Einschätzung der Sachlage wurde durch einen Zwischenfall ausgelöst, der sich nach Bordzeit in den Morgenstunden des fünften Tages ereignete.
Tolden schreckte aus einem keineswegs tiefen Schlaf auf, als das allgegenwärtige Brummen der Konverter sich schlagartig veränderte. Ein neuerlicher Übertritt in den Linearraum stand bevor.
Das Abbild einer ringförmigen Gaswolke auf dem Monitor verschwamm. Es machte dem eintönigen, wesenlosen Wallen des Zwischenraums Platz. Vergeblich versuchte Tolden, irgendein konstant bleibendes Muster zu erkennen.
Träge flossen die Sekunden dahin.
Täuschte der Daila sich, oder währte der Flug diesmal länger als zuvor? Irgend etwas schien nicht zu stimmen, obwohl er sich vergeblich darüber klarzuwerden versuchte, was. Es war wohl nur eine Ahnung, die ihn furchtsam reagieren ließ.
Das Flimmern auf dem Monitor irritierte. Tolden wollte den Schirm abschalten, doch seine Hand drang in die Konsole ein, als bestünde diese längst nicht mehr aus fester Materie.
Entsetzt zog er den Arm zurück. Seine Finger waren unversehrt. Trotzdem brach ihm der Schweiß aus. Was geschah in diesem Augenblick mit der STERNENLEUCHTEN?
Es war still geworden ringsum.
Instinktiv tastete Tolden nach dem Glücksstein auf seiner Brust. Der Stein fühlte sich kalt an. Und er pulsierte.
Mit einer blitzschnellen Bewegung zog der Daila die Kette über seinen Kopf. Ein eigentümliches rotes Leuchten ging von dem Kristall aus.
Die STERNENLEUCHTEN befand sich noch immer im Zwischenraum. Wie viel Zeit mochte inzwischen vergangen und wie groß die Entfernung sein, die das Schiff zurückgelegt hatte? Musan'J'irkis musste Auskunft geben. Tolden ging auf das Schott zu, wollte in die Zentrale. Aber auch der Öffnungsmechanismus reagierte nicht; dafür erwies sich sogar die dicke, stählerne Wand als durchlässig. Der Daila zögerte nur einen kurzen Augenblick, bevor er entschlossen weiterging. Ein flüchtiger Widerstand war zu spüren, ganz so als tauche man in irgendeine Flüssigkeit ein. Dann veränderte sich die Umgebung.
Für Tolden war es, als schwebe er zeitlos dahin, er empfand seine Bewegungen als zeitlupenhaft langsam, und lediglich das Leuchten des Glückssteins ließ ihn seine Umgebung erkennen. Ob der Stein die Energien des Linearraums absorbierte? Aber weshalb nicht schon bei den vorangegangenen Flügen mit mehrfacher Überlichtgeschwindigkeit? Oder bedurfte es, um eine Reaktion zu erzielen, eines bestimmten Sättigungsgrades? Tolden ahnte, dass er eine plausible Antwort wohl nie erhalten würde.
Wo befand er sich?
Eine Welt aus Gitterstäben war seine neue Umgebung, baumdicke, zerfurchte Säulen ragten auf, so weit er blicken konnte. Sie verloren sich irgendwo in der Unendlichkeit.
Tolden begann zu rennen.
Die Gitterstruktur wurde rasch größer, je weiter er kam. Bald befanden sich nur noch wenige Säulen in seinem Sichtkreis; ihre Oberflächen und vor allem die Nahtstellen, an denen sie verbunden waren, erinnerten mehr und mehr an die zerklüftete Landschaft eines atmosphärelosen Mondes.
Panik breitete sich in Toldens Denken aus. War die STERNENLEUCHTEN auf einem unbekannten Himmelskörper gestrandet? Dann würde er Aklard nie erreichen.
Seine Finger verkrampften sich um den Glücksstein, der inzwischen Eisestemperatur besaß. Obwohl er stehen blieb, stürzte er unaufhaltsam weiter auf eine der Gitteröffnungen zu, die sich wie ein alles verschlingender Moloch vor ihm auftat. Kilometerdick mussten die metallenen Begrenzungen bereits sein, die von ausgedehnten Höhlensystemen durchzogen wurden.
Vergeblich sträubte der Daila sich gegen den Sog, der ihn erfasst hatte. Erst als sich weit vor ihm ein Fleck fahler Helligkeit abzuzeichnen begann, wurde er ruhiger.
Die Helligkeit breitete sich aus wie die Morgendämmerung an einem nebligen Morgen. Annähernd kugelförmige Konturen zeichneten sich darin ab.
Planeten?
Sie bewegten sich rasend schnell, doch allem Anschein nach auf wohlgeordneten Bahnen.
Ehe Tolden weiter darüber nachdenken konnte, ob er sich ungeschützt im luftleeren Raum befand, fiel er an den ersten Welten vorbei. Sie besaßen in der Tat erkennbare Oberflächenkonturen, von einigen schimmerten sogar blaue Ozeane herauf.
Tolden stürzte dem Leuchten im Zentrum entgegen. Er wollte schreien, aber die Furcht lähmte seine Stimmbänder. Wie ein winziger Meteor würde er in der Korona der Sonne verglühen.
Entsetzt stellte der Daila fest, dass mehrere Sonnen sich gegenseitig umkreisten. Je näher er kam, desto deutlicher erkannte er aber auch, dass zwischen ihnen eine weite Leere gähnte.
Die Kälte des Glückssteins in seiner Rechten wurde unerträglich. War dieser kleine Kristall an allem schuld? Impulsiv schleuderte Tolden ihn von sich. Er hatte nichts mehr zu verlieren, und Aklard war wohl so oder so unerreichbar geworden.
*
Sein Körper fühlte sich an, als wäre er gnadenlos zusammengestaucht und anschließend auf einer Streckbank wieder zu seiner ursprünglichen Größe gedehnt worden. Jeder Herzschlag schien das Blut siedendheiß durch die Adern zu pumpen, und in den Schläfen dröhnte es schlimmer als das Tosen einer Springflut an felsiger Küste.
Das Gefühl, in einen endlosen Abgrund zu stürzen, wich nur zögernd. Zurück blieben eine schmerzhafte Verspannung der Muskeln und ein drängendes Würgen im Magen.
Vor seinen Augen tanzten grell bunte Ringe einen verwirrenden Reigen. Mühsam versuchte er, die bleischweren Lider wenigstens einen Spalt weit zu öffnen. Es gelang ihm zwar nur unvollkommen, aber die blendende Lichtfülle ließ dennoch Tränen in seine Augen schießen. Ein schmerzerfülltes Stöhnen rang sich über seine Lippen.
Das einsetzende Rumoren, begleitet von merklichen Vibrationen des Bodens, weckte Toldens Erinnerung. Die Konverter des Unterlichtantriebs waren soeben angesprungen. Das bedeutete, dass die STERNENLEUCHTEN den Linearraum verlassen hatte.
Toldens Hände zuckten zur Brust empor, tasteten dann den Hals entlang. Der Glücksstein, für den er auf Cirgro sein ganzes Vermögen ausgegeben hatte, war samt der Kette verschwunden.
Er selbst hatte ihn fortgeworfen – und Augenblicke später war plötzlich alles anders gewesen.
Tolden bemühte sich, weniger hastig zu atmen. Irgendwie würde er schon über den Verlust des Steines hinwegkommen. Nur dass er sein Leben gerettet hatte, zählte.
Der Daila lag neben dem noch immer geschlossenen Schott. Als er aufstehen wollte, ließ ein jäher Schwächeanfall ihn taumeln. Er musste an der Wand Halt suchen. Ein Blick auf seine Armbanduhr zeigte ihm, dass diese stehen geblieben war. Vorausgesetzt, das Digitalchronometer über dem Bett zeigte die richtige Zeit an, waren inzwischen nicht einmal zehn Minuten vergangen. Vielleicht hatte die STERNENLEUCHTEN in dieser Spanne fünf Lichtjahre zurückgelegt, kaum aber mehr als das Doppelte.
Toldens Hals war ausgetrocknet, die Zunge klebte am Gaumen. Schwerfällig wandte er sich um, wollte der Kühlbox ein frisches Getränk entnehmen. Dabei fiel sein Blick auf die Kette, die halb unter dem aufgeklappten Bett lag.
Bilder der Erinnerung drängten sich in sein Bewusstsein: Er sah sich selbst, als er die Kette mit dem Glücksstein von sich schleuderte.
Wie sie unter dem Bett lag, konnte sie nur von da aus geworfen worden sein, wo er die Besinnung wiedererlangt hatte.
Tolden stutzte. Zögernd fuhren seine Finger über die Wand. Sie war glatt, ohne spürbare Unebenheiten.
Wieder war ihm, als zögen die Bilder eines Films an ihm vorbei.
Die Wand hatte keinen Widerstand geboten – ganz so, als hätte ihre atomare Struktur jeden Zusammenhalt verloren gehabt. War er, anstatt durch sie hindurchzutreten, in sie eingedrungen?
Gab es einen Mikrokosmos?
Tolden bedachte den Glücksstein mit einer Reihe überaus misstrauischer, zugleich aber auch nachdenklicher Blicke, ehe er sich doch dazu durchrang, ihn wieder umzuhängen. Die Heimkehr nach Aklard war ihm wichtiger als das Risiko, das er möglicherweise einging. Falls der Kristall nicht nur in der Lage war, die Psi-Kräfte dailanischer Mutanten zu absorbieren, sondern zudem über andere, unbekannte Fähigkeiten verfügte, befand er sich eben wieder in Gefahr. Ihm blieb keine andere Wahl.
Hastig öffnete Tolden die Kühlbox und entnahm ihr ein alkoholisches Getränk. Er trank ohne abzusetzen, aber wesentlich besser fühlte er sich danach nicht. Er gewann nur ein wenig Abstand zu den Geschehnissen. Und er begann sich zu sagen, dass man ihn auf Cirgro auslachen und einen Narren schimpfen würde, sobald er von solchen Befürchtungen berichtete. Kein Daila würde bereit sein, einer haarsträubenden Spekulation wegen auf seinen Glücksstein zu verzichten. Immerhin war er selbst das beste Beispiel dafür.
Außerdem – bestand wirklich eine Gefahr? Je länger er darüber nachdachte, desto mehr erschien es ihm, als wäre alles nicht der Rede wert.