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2.4 Konflikte, Widersprüche und Alternativen

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Schulalternativen

Charakteristisch für das Schulsystem ist also, dass es der vielleicht wichtigste Apparat für die Tradierung der Kultur ist, und ebenso charakteristisch, dass es weitgehend auch ein Instrument dafür ist, die jeweils herrschende Kultur aufrechtzuerhalten. Diese Diagnose wird erst dann schwierig, wenn wir über Alternativen nachzudenken beginnen.

 Kann der Unterricht tatsächlich allein von den Interessen und Neigungen der Kinder aus organisiert werden, also „vom Kind aus“, wie es manche reformpädagogische Strömungen postulierten, oder sollte der herrschende Fächerkanon – von den sprachlichen und mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern bis zu den historischen, sozialwissenschaftlichen und musischen Fächern – verbindlich beibehalten werden?

 Sollte das Lernen von Lesen und Schreiben zugunsten von ikonischen Praktiken fallengelassen werden, da die modernen Computerhieroglyphen eher ein Bildverstehen erfordern als Buchstabenkenntnis?

 Autonomisierung der Schule? Muss jede Thematik, die gerade gesellschaftlich en vogue ist, in der Schule verhandelt werden oder sollte Schule sich darauf beschränken, den tradierten Lehrplan zu exekutieren?

Ähnlich ambivalent liest sich die Diskussion um die Autonomisierung der Schule, was ja sehr schön klingt, zugleich aber die Arbeit in der Schule stärker formalisieren und damit den Organisationsgrad von Schule erhöhen wird (vgl. TENORTH 2004). Auch wenn Schule nicht dem typischen Modell bürokratischer Organisation entspricht, da sie zwar von außen normiert, aber immer noch durch die Beteiligten realisiert wird, verändert allein schon die Einführung von Ganztagsschulen, die mehr sein sollen als Verwahranstalten mit pädagogischer Betreuung, massiv die bisherige Zeitautonomie von Lehrerinnen und Lehrern, die nicht nur nachmittags unterrichten, sondern die Organisation ihrer Schule selbst in die Hand nehmen müssen. Selbst reformwillige Pädagogen zweifeln, ob allein durch mehr Schule sich bessere Schulen entwickeln. Die Geschichte der Pädagogik kennt jedenfalls neben den schulreformerischen Programmen zahllose reformpädagogische Versuche, Schule konkret zu verbessern, wobei diese Erfahrungen denjenigen mit der sogenannten Regelschule ähneln, da auch hier Scheitern und Gelingen näher beieinander liegen als die pädagogischen Hoffnungen erwarten lassen. Auch wenn also die alltägliche Arbeit in der Schule bisweilen wie das absurde Geschäft eines pädagogischen Sisyphos anmutet, der Tag für Tag unermüdlich den Stein hügelaufwärts wälzt, ohne jemals den Gipfel zu erreichen, gibt es keinen Grund zur Resignation. Die pädagogische Arbeit in der Schule bleibt, ebenso wie das Nachdenken über die Schule, zwar anstrengend, es ist aber unhintergehbar.

Einführung in die Theorie der Schule

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