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4 › III. Sitz

III. Sitz

4III › 1. Wahl und Festlegung des Sitzes der SE in der Satzung

1. Wahl und Festlegung des Sitzes der SE in der Satzung

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Die Satzung hat eine Bestimmung über den Sitz der SE zu enthalten. Dieser (Satzungs-)Sitz muss innerhalb der EU oder in Island, Liechtenstein und Norwegen liegen (Art. 7 S. 1 SE-VO). Zudem legt Art. 7 S. 1 SE-VO fest, dass sich der Sitz in dem Mitgliedstaat befinden muss, in dem sich die Hauptverwaltung, also der Verwaltungssitz der SE befindet.[1] Hintergrund dieses Einheitlichkeitsgebots ist die Schaffung eines einheitlichen Anknüpfungspunktes für das Gesellschaftsstatut bei internationalen Auseinandersetzungen[2] sowie die Schaffung eines einheitlichen Bezugsortes für die Anknüpfung zahlreicher materiell rechtlicher Regelungen. Es ist mithin nicht zulässig, einen internationalen Doppelsitz zu begründen.[3]

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Jedem Mitgliedstaat ist es nach Art. 7 S. 2 SE-VO darüber hinaus zu überlassen, festzulegen, dass in seinem Hoheitsgebiet eingetragene SE ihren Sitz und ihre Hauptverwaltung am selben Ort haben müssen. In diesen Grenzen ist also auch die Gründung eines nationalen Doppelsitzes der Gesellschaft möglich.[4] Von der Ermächtigung in Art. 7 S. 2 SE-VO hatte der deutsche Gesetzgeber ursprünglich in § 2 SEAG a. F. Gebrauch gemacht, indem er festlegte, dass die „Satzung der SE […] als Sitz den Ort zu bestimmen [hat], wo die Hauptverwaltung geführt wird“. Mit dieser Regelung hatte der deutsche Gesetzgeber die Freiheit der Sitzwahl so weit wie möglich eingeschränkt.

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Im Zuge des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)[5] wurde § 2 SEAG a. F. jedoch ersatzlos gestrichen. Es reicht nunmehr für SE mit Satzungssitz in Deutschland aus, dass Sitz (Satzungssitz) und Hauptverwaltung (Verwaltungssitz) in Deutschland liegen; diese müssen sich nicht am selben Ort befinden. Fallen Verwaltungs- und Satzungssitz auseinander, ist der Satzungssitz gesetzlicher Anknüpfungspunkt.[6]

4III › 2. Satzungssitz vs. Hauptverwaltungssitz

2. Satzungssitz vs. Hauptverwaltungssitz

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Mit der Streichung des § 2 SEAG a. F. wurde die Bindung an den Ort der Hauptverwaltung gelockert und die freie Sitzwahl in Deutschland ermöglicht. Der noch unter Geltung des § 2 SEAG a.F. bestehende Meinungsstreit darüber, wie der Begriff „Hauptverwaltung“ auszulegen und zu bestimmen ist, hat damit an Brisanz verloren.[7] Da Art. 7 S. 1 SE-VO das internationale Auseinanderfallen von Satzungs- und Hauptverwaltungssitz untersagt und über Art. 64 Abs. 1 SE-VO sanktioniert, bleibt die Frage aber dennoch von Bedeutung.

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Sitz i. S. d. Art. 7 S. 1 SE-VO meint den Satzungssitz, d. h. den in der Satzung angegebenen Sitz des Unternehmens.[8] Der Begriff der Hauptverwaltung ist in der SE-VO hingegen nicht definiert und mitunter auch schwer zu bestimmen.

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Auch der EuGH musste bisher nicht im Detail über den Begriff des Hauptverwaltungssitzes entscheiden. Lediglich in einer Entscheidung führte der EuGH aus, dass es sich beim Verwaltungssitz um den „wahren Sitz“ handele.[9]

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Nach deutschem Rechtsverständnis handelt es sich bei der Hauptverwaltung eines Unternehmens um den effektiven Verwaltungssitz.[10] Da sich die Auslegung der SE-VO nicht nach dem in der Normenhierarchie nachrangigen nationalen Recht richten kann, ist der Begriff der Hauptverwaltung europäisch auszulegen.[11] Bei der Wahl zwischen den Auslegungsmethoden ist zudem zu berücksichtigen, dass möglichst eine solche Anwendung findet, die eine EU-weit einheitliche Auslegung des Begriffes und damit auch EU-weite Rechtssicherheit gewährleistet. Maßgeblich kann daher allein eine verordnungsautonome Auslegung des Begriffs sein.[12] Da die SE-VO wenige Anhaltspunkte für die Auslegung bietet, kann letztlich nur der Sinn und Zweck maßgebliches Auslegungskriterium sein.

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Entscheidend für die Beurteilung, wo der Verwaltungssitz liegt, muss letztendlich eine wertende Beurteilung darüber sein, wo die wesentlichen Strategieüberlegungen und Entscheidungen für die Gesellschaft getroffen werden.[13] Hierfür kann zum Beispiel der Ort, an dem die Hauptversammlung abgehalten wird, herangezogen werden oder der Ort, an dem die maßgeblich an der Leitung beteiligten Organe den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit entfalten.

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Aber auch anhand dieser Kriterien ist es in Zeiten moderner Kommunikation nicht immer möglich, eine klare Zuordnung zu treffen. Aufgrund der Internationalität vieler Unternehmen liegt es nicht fern, dass auch die Entscheidungsträger sich in unterschiedlichen Mitgliedstaaten aufhalten. Viele Entscheidungen werden per E-Mail, Telefon oder unter Verwendung anderer Kommunikationsmittel getroffen. Eine Anknüpfung an den Ort, an dem die leitungsbeeinflussenden Entscheidungen getroffen werden, dürfte in diesen Fällen nur schwer vorzunehmen sein.

4III › 3. Folge bei Auseinanderfallen von Satzungssitz und Hauptverwaltung

3. Folge bei Auseinanderfallen von Satzungssitz und Hauptverwaltung

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Befinden sich Satzungs- und Verwaltungssitz in unterschiedlichen Mitgliedstaaten, liegt ein Verstoß gegen Art. 7 S. 1 SE-VO vor. Wird dieser Mangel vor der Eintragung der SE entdeckt, darf die SE nicht in das Handelsregister eingetragen werden.[14]

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Wird die SE dennoch eingetragen, ist sie wirksam entstanden und gegründet. Allerdings greift Art. 64 SE-VO ein. Nach dieser Bestimmung sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, dieses Auseinanderfallen zu beenden, indem die SE dazu verpflichtet wird, entweder ihre Hauptverwaltung wieder im Sitzstaat zu errichten oder ihren Satzungssitz nach dem Verfahren des Art. 8 SE-VO an den Ort des Hauptverwaltungssitzes zu verlegen. Diesen Regelungsauftrag hat der deutsche Gesetzgeber durch § 52 Abs. 1 SEAG erfüllt. Hiernach gilt das internationale Auseinanderfallen von Satzungs- und Hauptverwaltungssitz als Satzungsmangel i.S.d. § 262 Abs. 1 Nr. 5 AktG und das Registergericht hat die SE aufzufordern, diesen innerhalb einer bestimmten Frist zu beheben. Wird der Mangel nicht innerhalb dieser Frist behoben, ist die Zwangsliquidation einzuleiten.[15]

4III › 4. Konformität mit der Niederlassungsfreiheit

4. Konformität mit der Niederlassungsfreiheit

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In der Literatur finden sich zahlreiche Beiträge zur Frage der Konformität des Art. 7 Abs. 1 SE-VO mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV).[16] Spätestens mit der Cartesio-Entscheidung hat der EuGH jedoch klargestellt, dass Art. 7 Abs. 1 SE-VO europarechtskonform ist.[17] Zwar wird durch Art. 7 Abs. 1 SE-VO die Wegzugsfreiheit beschränkt, da die Hauptverwaltung nicht aus dem Mitgliedstaat, in dem sich der Satzungssitz befindet, verlegt werden darf. Diese Beschränkung ist jedoch hinzunehmen, da sich die Gesellschaft durch Festlegung ihres Sitzes dem jeweiligen materiellen Recht freiwillig unterworfen hat und jederzeit die Möglichkeit besteht, den Satzungssitz nach Art. 8 SE-VO zu verlegen.

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