Читать книгу Die Geschichte Hessens - Hans Sarkowicz - Страница 14
Die Klöster Fulda und Lorsch
ОглавлениеDie rasch einsetzende Bonifatius-Verehrung machte Fulda zu einem besonders attraktiven Kloster, das bald 600 Mönche zählte. Bereits vier Jahre nach der Gründung, 748, war eine Klosterschule eingerichtet worden, an der unter anderen der spätere Biograf Karls des Großen, Einhard, seine Erziehung erhielt. Der 780 in Mainz geborene Universalgelehrte Rabanus Maurus machte sie Anfang des 9. Jahrhunderts zum kulturellen Zentrum des fränkischen Reichs. Vor allem in seiner Zeit als Fuldaer Abt (822 bis 842) zog das Kloster bedeutende Schüler an.
»So ist Fulda die geistige Heimat zweier der bedeutendsten Männer der Jahrhundertmitte, des besten Lateiners seiner Zeit, Walahfrid Strabo von der Reichenau, und des bedeutsamsten deutschen Dichters, Otfried von Weißenburg. So knüpfen die drei großen Werke der mittleren Karolingerzeit: Tatian, Heliand, Otfrieds Evangeliengedicht an Fulda an. Sie bezeugen die Mittelstellung Fuldas im geistigen Getriebe des 9. Jahrhunderts. In neuer Weise war so das Kloster seiner alten Pflicht treu geblieben, Kreuzungspunkt zu sein für die Wege von Westen nach Nordosten und Südosten.«15
Von herausragender Bedeutung war das Kloster auch deshalb, weil in seinem Skriptorium wichtige Werke von der Antike bis zur damaligen Gegenwart kopiert wurden. Auf diese Weise ist auch die Germania des Tacitus und ein Fragment des ältesten germanischen Heldenliedes, des Hildebrandslieds, überliefert worden. Die Fuldaer Klosterschule konnte lange ihre Bedeutung wahren. Noch Ulrich von Hutten wurde dort unterrichtet.
Ein ebenso bedeutendes geistiges Zentrum wie Fulda war das Kloster Lorsch, von dem heute noch die so genannte Königshalle oder Torhalle zeugt. Auch das ehemalige Klosterarreal gehört heute, wie der Obergermanisch-Raetische Limes, zum Weltkulturerbe. Gestiftet wurde das Kloster um 764 von Cancor, einem Grafen im Oberrheingau aus dem Adelsgeschlecht der Robertiner. 772 übertrug die Familie das Kloster an Karl den Großen und damit an den Sohn und Nachfolger Pippins. Der Frankenherrscher revanchierte sich und erhob Lorsch, wie wenig später auch Fulda, zur Reichsabtei. Mit den Klöstern, die unter seinem Schutz standen, schuf sich Karl der Große an wichtigen Orten seines Reiches neben den Pfalzen weitere Zentren weltlicher und geistlicher Macht. Karl der Große hielt sich gern in Lorsch auf, ebenso wie in seiner Pfalz in Ingelheim oder in Frankfurt.
Zu den Aufgaben des Klosters zählten: »der Gebetsdienst für den Herrscher, die Dynastie und das Reich, jährliche Abgaben und – was uns Heutigen zu Recht fremd anmutet – die Gewährleistung militärischer Dienste. Zwei weitere Aufgaben treten hinzu: Erschließung und Kultivierung neuer Siedlungsräume im nahegelegenen Odenwald […] und schließlich eine Aufgabe, die uns erst durch die jüngere Forschung immer deutlicher vor Augen tritt: die Rolle Lorschs als eines Zentrums der Verdichtung und der Vermittlung von Wissen«16. Dazu diente auch, wie in Fulda, das Skriptorium, in dem Handschriften von antiken Autoren kopiert wurden.
Von besonderer Bedeutung für Lorsch waren die reichen Schenkungen, die das Kloster zu einem der größten rechtsrheinischen Grundbesitzer machte. So übereignete Einhard, der als Laienabt sieben Klöstern vorstand, 819 die Mark Michelstadt der Reichsabtei.
Einhard war um 770 in Mainfranken geboren worden. Für die Jahre 788 bis 791 ist belegt, dass er im Kloster Fulda Urkunden kopierte. Dabei fiel er als so begabt auf, dass ihn der Abt Baugulf nach Aachen an den Kaiserhof schickte. Damit begann sein steiler Aufstieg bis zum engsten Berater Karls des Großen. 815 schenkte ihm der Kaiser die Güter Michelstadt und Mühlheim, das spätere Seligenstadt. An beiden Orten erbaute Einhard eindrucksvolle Kirchen, für die er auf abenteuerliche Weise Reliquien aus Rom beschaffen ließ. 830 zog er sich vom Hof zurück und starb am 14. März 840 als Abt des von ihm gegründeten Klosters Seligenstadt. Einhard verdanken wir vor allem eine Lebensbeschreibung Karls des Großen, die Vita Karoli Magni, ein Werk, so der Einhard-Kenner Josef Fleckenstein »das nach Form und Gehalt vom antiken Erbe zehrt, ein Zeugnis der Bildungsbemühungen des Karlshofes, das die Geschichtsschreibung der Zeit auf eine neue, höhere Stufe hebt. Wir sehen noch heute Karl den Großen, den schon seine Zeitgenossen ›Vater Europas‹ nannten, mit den Augen Einhards«17.