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Die Heilige Elisabeth

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Das ostfränkische und später Heilige Römische Reich (Deutscher Nation) war in viele kleine Grafschaften aufgeteilt, die von einer adligen Oberschicht beherrscht wurden. Diese führenden Familien wiederum heirateten untereinander, sodass sich vielfältige verwandtschaftliche Beziehungen ergaben. Durch Erbfälle konnten sich so bei einzelnen Adelssippen erheblicher Grundbesitz ansammeln. Ein Beispiel dafür sind die Thüringer Grafen, die im 12. Jahrhundert durch geschickte Heiratspolitik und glückliche Erbschaften nicht nur über ihr Stammland, sondern auch fast über das gesamte nördliche Hessen regierten. Seit 1130 durften sie den Titel »Landgraf« tragen.

Ihre härtesten Konkurrenten waren die Mainzer Erzbischöfe, die als Erzkanzler eine ganz besondere Stellung im Reich einnahmen. Der Konflikt zwischen Mainz und Thüringen (später Hessen) bestimmte die Geschichte (Nord-)Hessens über Jahrhunderte.

Die Thüringer Landgrafen, zu deren Besitz auch Kassel und Marburg gehörten, regierten von der Wartburg aus. Dort hatte Hermann I. einen Musenhof mit weiter Ausstrahlung begründet. Die Bedeutung der Thüringer war so gewachsen, dass der Landgraf erfolgreich für seinen Sohn um die ungarische Königstochter Elisabeth werben konnte. Bereits mit vier Jahren wurde Elisabeth zunächst seinem ältesten Sohn versprochen und nach dessen Tod dem designierten Thronfolger Ludwig. 1221 und damit im Alter von 14 Jahren heiratete Elisabeth den seit 1217 regierenden Landgrafen Ludwig IV., der nur sieben Jahre älter war als sie. In kurzen Abständen gebar sie drei Kinder, ehe Ludwig im September 1227, während der Vorbereitungen zum Kreuzzug Kaiser Friedrichs II., im Feldlager in Otranto einer Fiebererkrankung erlag.

Elisabeth war tief geprägt von den Armuts- und Barmherzigkeitsgedanken des gerade heiliggesprochenen Franz von Assisi. Schon nach der Geburt ihres ersten Kindes wandte sie sich von den höfischen Idealen ab und suchte Erfüllung in Buße, Bedürfnislosigkeit und Dienst am Nächsten. Unterstützt wurde sie dabei von einem der einflussreichsten Kleriker ihrer Zeit, dem Kreuzzugs- und Ketzerprediger Konrad von Marburg. Er vermittelte ihr seine sozialrevolutionären Ideen, die sich gegen die Verschwendungssucht des höfischen Lebens wandten und die Ausbeutung der Landbevölkerung anprangerten. Unter seinen wachsamen und strengen Augen wurde Elisabeth zu religiöser Inbrunst angehalten, der sie sich ganz hingab.

Noch zu Lebzeiten ihres Mannes widmete sie sich daher den Armen, pflegte Kranke und ließ in der großen Hungersnot 1226 Brot verteilen.

»Die Entscheidung der jungen Landgräfin, sich den Zielen des Franziskus anzuschließen, ist vor dem Hintergrund (des) allgemeinen religiösen Aufbruchs zu sehen. Sie fügt sich voll in vergleichbare Lebensentscheidungen zahlreicher anderer Frauen und Männer zu Beginn des 13. Jahrhunderts, die aus ihren adeligen oder bürgerlichen Lebensformen ausbrachen und ein religiöses Leben in Buße, Armut und Selbsterniedrigung anstrebten.

Dennoch stellt der Schritt Elisabeths einen Sonderfall dar. Keine andere Persönlichkeit vergleichbar hohen Ranges hatte sich bisher so rückhaltlos wie Elisabeth den Impulsen der religiösen Armutsbewegung geöffnet und sich damit einem so extremen Kontrast zwischen höchstem sozialen Stand und wörtlich begriffener Nachfolge Christi ausgesetzt.«20


Die älteste Darstellung der Heiligen Elisabeth auf einem Fenster der Marburger Elisabethkirche aus dem Jahr 1240

Nach dem Tod ihres Mannes setzte der Papst Konrad von Marburg als weltlichen und geistlichen Vormund für Elisabeth ein. Sie ging nach Marburg und gründete dort ein Hospital, in dem sie mit eigener Hand die Elendsten und Ärmsten versorgte. Für keinen noch so niedrigen Dienst war sie sich zu schade. Als sie am 17. November 1231 im Alter von nur 24 Jahren starb, wurde sie bereits wie eine Heilige verehrt. Drei Tage lang soll ihr Körper allen preisgegeben worden sein, die sich Reliquien davon abtrennen wollten. Die Elisabeth-Verehrung war so groß, dass der Deutsche Orden die Gunst der Stunde nutzte und als Grabstätte die Elisabethkirche errichten ließ, wo ihre Reliquien in einem goldenen Schrein aufbewahrt wurden. Schon 1235, also nur vier Jahre nach ihrem Tod, wurde Elisabeth von Papst Gregor IX. heiliggesprochen. Neben dem Deutschen Orden und der Kirche nutzte auch ihre Tochter Sophie von Brabant die Popularität Elisabeths. Als 1247 das thüringische Landgrafenhaus erloschen war, setzte sie ihren Sohn Heinrich, den Enkel Elisabeths, als Erben durch.

1Lutz Fiedler: Die Alt- und Mittelsteinzeit. In: Fritz-Rudolf Herrmann/Albrecht Jockenhövel (Hrsg.): Die Vorgeschichte Hessens. Stuttgart 1990, S. 70.

2Ebenda S. 110.

3Rolf Gensen: Von den eiszeitlichen Mammutjägern zu den ersten Hessen. In: Uwe Schultz (Hrsg.): Die Geschichte Hessens. Stuttgart 1983, S. 12 f.

4Jens Lüning: Eine Weltpremiere: Kleider machen Leute – Kopfputz, Hüte und Schmuck ebenfalls. Einleitung: Wie kann man das heute noch wissen? In: Ders. (Hrsg.): Die Bandkeramiker. Erste Steinzeitbauern in Deutschland. Rahden 22012, S. 216-218.

5Albrecht Jockenhövel: Die Bronzezeit. In: Herrmann/Jockenhövel (Hrsg.), a. a. O., S. 195 f.

6Fritz-Rudolf Herrmann: Der Glauberg und die Kelten. In: Bernd Heidenreich/Klaus Böhme (Hrsg.): Hessen. Geschichte und Politik. Stuttgart 2000, S. 17.

7Fritz-Rudolf Herrmann: Der Glauberg. Fürstensitz, Fürstengräber und Heiligtum. In: Das Rätsel der Kelten vom Glauberg. (Ausstellungskatalog) Stuttgart 2002, S. 107.

8Albrecht Jockenhövel: Frühe Germanen in Hessen. In: Herrmann/Jockenhövel (Hrsg.), a. a. O., S. 296.

9P. Cornelius Tacitus: Germania. Bericht über Germanien. Übersetzt von Josef Lindauer. München 1977, S. 47-49.

10Jürgen Kneipp/Matthias Seidel: Die Chatten. Ein germanischer Stamm im Spiegel der archäologischen Funde. In: Dorothea Rohde/Helmuth Schneider (Hrsg.): Hessen in der Antike. Die Chatten im Zeitalter der Römer bis zur Alltagskultur der Gegenwart. Kassel 2006, S. 67.

11Gabriele Rasbach: Hassia est divida in partes tres. In: Archäologie in Deutschland 1/2016, S. 31.

12Dietwulf Baatz: Die Römer, Eroberer und Lehrmeister. In: Uwe Schultz (Hrsg.), a. a. O., S. 29.

13Elias Neuhof: Nachricht von den Alterthümern in der Gegend und auf dem Gebürge bey Homburg vor der Höhe. Hanau 1777, S. 8 f.

14Margot Klee: Der römische Limes in Hessen. Regensburg 2009, S. 28.

15Helmut de Boor: Die deutsche Literatur von Karl dem Großen bis zum Beginn der höfischen Dichtung. München, 8. Auflage o. J., S. 44 f.

16Hermann Schefers; Lorsch und die Karolinger. In: Heidenreich/Böhme (Hrsg.), a. a. O., S. 52.

17Josef Fleckenstein: Einhard. In: Hans Sarkowicz/Ulrich Sonnenschein (Hrsg.): Die großen Hessen. Frankfurt am Main/Leipzig 1996, S. 20.

18Widukind von Corvey, zit. n. Gerd Althoff: Die Wetterau und die Konradiner. In: Heidenreich/Böhme (Hrsg.), a. a. O., S. 72.

19Zit. n. Gregor K. Stasch: Einleitung. In: Ders./Frank Verse: König Konrad I. Herrschaft und Alltag. Fulda 2011, S. 9.

20Matthias Werner: Hinwendung zur religiösen Armutsbewegung. in: Dieter Blume/Matthias Werner (Hrsg.): Elisabeth von Thüringen – Eine europäische Heilige. (Katalog) Petersberg 2007, S. 102.

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