Читать книгу Die Geschichte Hessens - Hans Sarkowicz - Страница 6

Vorwort

Оглавление

Gibt es eine hessische Identität? Etwas, das alle Hessen verbindet, ganz gleich, ob sie in Bad Karlshafen oder Neckarsteinach leben?

Mit dieser Frage beschäftigte sich Ende 2016 eine wissenschaftliche Tagung im Wiesbadener Landtag. Anlass war die Verabschiedung der Hessischen Verfassung durch eine Volksabstimmung vor 70 Jahren. Eine eindeutige Antwort konnten die Historiker nicht geben. Die Identifikation mit dem eigenen Bundesland, so hieß es, sei weniger stark als mit der Region, in der man lebe. Sprachliche Gemeinsamkeiten, die lange erheblich zur Identitätsbildung beigetragen hätten, verlören stark an Bedeutung. Einig war man sich aber, dass Georg August Zinns Ausspruch »Hesse ist, wer Hesse sein will« auch heute noch Gültigkeit besitze. Der Hessische Ministerpräsident hatte diesen programmatischen Satz 1961 beim ersten Hessentag in Alsfeld gesprochen und damit auf die (erfolgreiche) Integration der »Heimatvertriebenen« verwiesen.

Fast vierhundert Jahre lang, von 1567 bis 1945, war Hessen geteilt. Nach dem Tod Philipps des Großmütigen hatten sich die Landgrafschaften Hessen-Kassel und Hessen-Darmstadt gebildet, die lange Zeit die Entwicklung Hessens bestimmten. Aber sie waren nicht die Einzigen. Auch die Waldecker und Nassauer Fürsten, die zahlreichen kleineren Herrschaften, die geistlichen Würdenträger und die zeitweise sehr mächtigen Freien Reichsstädte hatten ein gewichtiges Wort mitzureden. Eine hessische Identität konnte sich unter diesen Voraussetzungen allerdings nicht entwickeln, höchstens eine Loyalität der Untertanen gegenüber ihren jeweiligen Herrschern oder politischen Institutionen.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und mit der Herausbildung des Bundeslandes Hessen wurde die Frage nach gemeinsamen Werten neu gestellt. Das war und ist kein einfacher Prozess. Noch immer scheint es Trennendes zwischen dem Norden und dem Süden zu geben, noch immer scheinen Ressentiments nicht ganz abgebaut. Aber eins vereint (fast) alle Hessen und das seit Jahrhunderten: die Bereitschaft, Fremde und Flüchtlinge aufzunehmen und zu integrieren, ohne dass die Neubürger ihre Traditionen, Sitten und Gebräuche aufgeben müssen. Diese Weltoffenheit duldet keinen engen Identitätsbegriff und öffnet den Blick auf die eigene Geschichte, die nur selten gradlinig verlief.

Auf Schritt und Tritt begegnen wir den Zeugnissen der Vergangenheit; denn Hessen ist besonders reich an bedeutenden Burgen, Schlössern, Kirchen, Klöstern oder stattlichen Bürgerhäusern. In den zahlreichen Museen wird das präsentiert, was von früheren Zeiten übriggeblieben ist oder vor der Zerstörung gerettet wurde. Das können keltische Schmuckstücke sein oder Alltagsgegenstände aus dem Mittelalter, die Erinnerung an das einst blühende jüdische Leben in Hessen oder an eine Grenze, die Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg in zwei ungleiche Hälften teilte.

Diese historischen Zeugnisse sind aber von sich aus stumm. Keine Burg sagt uns, wer sie erbaut hat und warum. Und wenn wir einen Tontopf vor uns sehen, wissen wir noch nicht, wie die Menschen vor zweihundert oder mehr Jahren gelebt haben. Geschichte verlangt danach, erzählt zu werden, und ist mehr als Lehrbuchwissen. Sie ist Teil unserer Gegenwart. Nur kennen muss man sie. Das ist gerade bei der hessischen Geschichte nicht leicht; denn an ihr haben sehr unterschiedliche Kräfte mitgewirkt. Hessen lag immer in der Mitte Deutschlands, war Durchgangsland und ein in zahllosen Kriegen heiß umkämpftes Aufmarschgebiet.

Mit dem vorliegenden Buch wollen wir den Knoten entwirren helfen und eine leicht lesbare Einführung in die hessische Geschichte geben. Der Band soll der wissenschaftlichen Forschung keine Konkurrenz machen, aber er beruht auf ihren Ergebnissen. Dafür sei allen hessischen Historikern an dieser Stelle herzlich gedankt.

Die Geschichte Hessens

Подняться наверх