Читать книгу Migräne & Co. - Hanspeter Hemgesberg - Страница 14
Migräne: Die Krankheit
ОглавлениеDefinition
Bei der Migräne handelt es sich um eine in Episoden und in unregelmäßigen Abständen ‚anfallsmäßig‘ wiederkehrende Form eines chronischen primären einseitigen Kopfschmerzes (Halbseiten-Kopfschmerz).
Migräne ist eine der häufigsten neurologischen Erkrankungen.
Vorkommen und Häufigkeit (Epidemiologie)
Laut letzten Erhebungen leiden in Deutschland rund 18 Millionen Menschen unter/an Migräne in deren verschiedenen Verlaufsformen.
Die Dunkelziffer ist sehr beträchtlich. Denn ca. 15% – d.s. ca. 12 Millionen Menschen – der Menschen mit wiederkehrenden Kopfschmerzen wissen nicht, dass es sich bei ihren Kopfschmerzen um eine Migräne-Form handelt.
Etwa 12 bis 14% aller Frauen und 6 bis 8% aller Männer in Deutschland leiden unter Migräne. Bei Klein- und Schulkindern bis zur Pubertät (>12 Jahre) sind 4 bis 5% betroffen.
Bleibt noch die ‚traurige’ Notiz, dass im letzten Jahrzehnt die Zahl der Migräne-Kranken („Migräniker“) von knapp 15 Millionen auf derzeit ca. 18 Millionen sich vergrößert hat.
Die Prävalenz (d.i. die Häufigkeit einer Krankheit oder eines Symptoms in einer Bevölkerung zu einem bestimmten Zeitpunkt) der Migräne wird in verschiedenen Quellen unterschiedlich hoch angegeben und liegt bei 2-10%. Untersuchungen deuten an, dass die Prävalenz der Migräne in den Industrieländern seit 1970 um den Faktor 2-3 zugenommen hat. Frauen sind etwa dreifach häufiger betroffen als Männer.
Die Migräne tritt häufig bei jungen bis mittelalten Patienten auf. Frauen berichten oft über ein Verschwinden der Migräneattacken nach Eintritt der Menopause.
Migräne tritt in sozial schwachen Schichten häufiger auf als im Bevölkerungsschnitt.
Und:
Bei Ärzten (zumal Kopfschmerzspezialisten), die schwerpunktmässig Migräne und andere chronische Kopfschmerzen behandeln, liegt die Prävalenz der Migräne bei über 60%!
Entstehung und Pathomechanismen
Die (Er-)Kenntnisse über die Ursache und den Entstehungsweg der Migräne sind derzeit nicht vollständig, heißt:
„Bis heute (Stand Frühjahr 2021) sind die Ursache(n) für die Migräne immer noch nicht eindeutig erforscht!“
Es bestehen (Prüfung mit objektiven Mittel) lediglich Hypothesen, die einer weitergehenden Validierung und Ergänzung bedürfen. Auf Grund der in den letzten Jahrzehnten beobachteten starken Zunahme der Migräne-Prävalenz (Prävalenz = Rate der zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem bestimmten Zeitabschnitt an einer bestimmten Krankheit Erkrankten – im Vergleich zur Zahl der Untersuchten –) in den Industrieländern scheinen Lebensstilfaktoren eine Rolle zu spielen.
Ein fortgeschrittener Erklärungsansatz ist die durch Serotonin-Freisetzung vermittelte Entstehung der Migräne. Ausgangspunkt ist dabei die Freisetzung von Serotonin () aus Axon-Endigungen (Axon = Neurit, d.i. der Fortsatz einer Nervenzelle/Neuron, der elektrische Nervenimpulse vom Zellkörper/Soma wegleitet) der Dura mater (= harte, äußere Hirnhaut) bzw. Thrombozyten („Blutblättech – sie spielen eine wichtige Rolle bei der Blutgerinnung).
Das freigesetzte Serotonin führt einerseits an den Blutgefäßen der Dura mater zur Synthese und Sekretion von Stickstoffmonoxid/NO (mit der Folge: Gefäßerweiterung und pulsierender Kopfschmerz). Andererseits werden durch die Serotonin-Wirkung als Entzündungsmediatoren (d.s. körpereigene Stoffe, die eine Entzündungsreaktion des Körpers einleiten oder aufrechterhalten) wirksame Neuropeptide () (z.B. Calcitonin Gene-Related Peptide/CGRP – es wird durch daselbe Gen wie das Hormon Calcitonin kodiert – CGRP zählt zu den stärksten gefäß-erweiternden Substanzen und es spielt eine sehr wichtige Rolle bei den Krankheitsvorgängen und Funktionsstörungen der Migräne) freigesetzt.
Durch Erregungsausbreitung werden zudem Strukturen des ZNS angeregt, wodurch die Entstehung von Symptomen wie Schmerz, Übelkeit und Erbrechen erklärbar werden.
Viele potenzielle Auslöser, sogen. „Migräne-Trigger“ – d.s. Faktoren, die eine Migräne ‚anstoßen‘ und auch zusätzlich ‚verstärken‘ können, sie sind aber ‚nicht Ursache‘ für eine Migräne! –, wurden für Migräne identifiziert; zu ihnen gehören:
- Regelmäßiger und/oder erhöhter Konsum von Coffein
- Regelmäßiger und/oder erhöhter Genuss von Rotwein
- Regelmäßiger und insbes. erhöhter Genuss von Alkohol (bes. Bier, Sekt/Champagner, Schnaps)
- Regelmäßiger und/oder erhöhter Konsum von Tabakwaren
- Regelmäßiges Auslassen von Mahlzeiten bzw. unregelmäßige Essens-Einnahme, bes. auch spät-abendliche oder nächtliche Mahlzeiten
- Bestimmte Lebensmittel (Lebensmittelauslöser variieren von Person zu Person – insbesonder Histamin- und Tyramin-haltige Lebensmittel in lange gelagerten Nahrungsmitteln wie u.a. Hartkäse, Dauerwurst [Salami], Roher Schinken, Sauerkraut, Saure Bohnen – aber auch Trockenfrüchte und reife Bananen)
- Flüssigkeitsmangel über längere Zeit
- Übermäßige afferente (zu einem Organ hinführende) Reize (z.B. Blitzlichter grelles Licht u.a.in Discos, starke Gerüche, laut-dröhnende und/oder schrille Geräusche)
- Wetterwechsel, bes. Föhnwind, starke Gewitterfronten
- anhaltende Kälte (bzw. Exposition in Kälte)
- Länger bestehender Schlafmangel bzw. unregelmäßiger und nicht ausreichender und unterbrochener Schlaf
- Stress – körperlich, seelisch, geistig
- Psychische und/oder psycho-soziale Belastungen (Schikanierungen, Herabsetzungen, Mobbing u.a.)
- Hormonelle Faktoren, besonders Menstruation und wechselnde Blutspiegel von Östrogen, Orale Kontrazeptiva („Antibaby-Pille“), (in seltenen Fällen) Schwangerschaft (im 1. und 2. Trimenon/Trimester)
- Hormon-Behandlungen (über längere Zeit)
- Exposition gegenüber Schwermetallen (u.a. Aluminium, Blei, Cadmium, Quecksilber, Arsen) und Chemikalien (insbes. Kohlenmonoxid/CO)
- Schädel-Hirn-Trauma
- Gehirn- und/oder Hirnhaut-Entzündungen (Enzephalitis, Meningitis)
- zerebrale Durchblutungsstörungen, Zustand nach Hirnschlag/ Schlaganfall
- Zustand nach Hirnblutung
- Zustand bei Liquor-Unterdruck-Syndrom (erniedrigter Druck im Subarachnoidal-Raum, d.i. ein Raum des ZNS, in dem sich der Liquor cerebrospinalis/Nervenwasser befindet)
- Halswirbelsäulen-Syndrom/Nackenschmerzen
- Costen-Syndrom (Komplex von neuralgischen Ohren- und Kopfschmerzen – kranio-mandibulare Dysfunktion)
- erbliche Veranlagung („familiäre hemiplegische Migräne“)
Migräne hat eine Ko-Morbidität mit Depressionen und Psychosen. Die Migräne ist eventuell ein Risikofaktor für junge Frauen, einen Schlaganfall zu erleiden, sofern die Migräne mit Aura vergesellschaftet ist, sowie bei gleichzeitigem Konsum von Nikotin, und Ovulationshemmern (Kontrazeptiva/Antibabypille).
Ebenfalls kennt man seit neuestem die Ko-Morbidität mit dem offenen/persistierenden Foramen ovale (PFO = ein kleines Loch zwischen den beiden Vorhöfen des Herzens; ein PFO ist ein Risikofaktor u.a. für einen Schlaganfall).
Es gibt hingegen keine Ko-Morbidität mit der Epilepsie (zerebrales Anfallsleiden).
Neuere Untersuchungen laufen hinsichtlich der Ursache für Migräne dahin hinaus, dass eine „Übererregbarkeit der Hirnrinde“ (Cortex cerebri) vorliegt.
Ich zitiere aus Publikationen von Prof. Dr. Andreas Straube (Neurologe, Ludwig-Maximilian-Universität München).
… „Wie Aura und Kopfschmerzen pathophysiologisch zusammenhängen, ist noch nicht vollständig geklärt. Die These, dass sie auf zwei unterschiedlichen Pathomechanismen beruhen könnten und daher unabhängig voneinander auftreten können, ist stark umstritten. Eine andere Erklärung ist wahrscheinlicher: Beide beruhen auf demselben Pathomechanismus und zwar der Übererregbarkeit der Zellen der Hirnrinde. Die Zellen setzen verstärkt Kalium-Ionen in den Zellularraum frei, der Ionenhaushalt wird gestört. Dies führt zu einer Depolarisation (Verminderung des Membran-Potentials; d.h. des Ladungsunterschieds (Polarisation) der beiden Seiten einer biologischen Membran. Die Depolarisations-Schwelle ist die elektrische Spannung, bei der ein Aktionspotential ausgelöst wird), die sich über die Hirnrinde ausbreitet:
Eine Welle von Hyperaktivität (Überaktivität) zieht über den Cortex (Cortical spreading depression/CSD = Streu-Depolarisation), vor allem auch über das Sehzenrum, was die genannten visuellen Symptome auslöst.
Der Aktivitätswelle folgt eine Inhibitionswelle. Der Hypothese zufolge entwickeln alle Migränepatienten Auren, bei einem Großteil bleiben sie aber subklinisch“. …
… „Erreicht die Depolarisationswelle den Trigeminus-Nerv (= 5. Hirnnerv), wird auch dieser aktiviert. Dieser Gesichtsnerv ist für das Übermitteln von Schmerzsignalen verantwortlich. Eine Aktivierung führt dann zum Empfinden von Kopfschmerzen.“ …
… „Wahrscheinlich ist es so, dass die Schwelle, wann trigeminale Fasern aktiviert werden, von Mensch zu Mensch unterschiedlich hoch liegt“. …
… „Bei Personen mit einer hohen Schwelle würden/werden die trigeminalen Fasern nicht aktiviert, und der Kopfschmerz bleibt aus. Dies ist bei Personen mit isolierten Auren der Fall.
Bei einer niedrigen Schwelle, springe/springt die Aktivität auch auf den Trigeminusnerv über, und die charakteristischen Migränekopfschmerzen entstünden/entstehen.
Bei manchen Familien treten gehäuft isolierte Auren auf. Diese Personen haben vermutlich eine genetische Veranlagung für eine Übererregbarkeit im Cortex, dabei aber eine hohe Erregungsschwelle der trigeminalen Fasern.“ … (Ende Zitierung)
Zusammengefasst:
Pathophysiologisch wird die Kopfschmerzphase der Migräne-Attacke durch neurogene Aktivierung im Bereich der Trigeminus-Kerne () initiiert. Darauf folgt eine neurogen-inflammatorisch (nerval-entzündlich) bedingte Vasodilatation (Gefäß-Weitstellung) meningealer Gefäße mit Triggerung von trigemino-vasculären Nozizeptoren () [= durch schädliche Einwirkungen = Noxen spezifisch erregbarer Rezeptor = Empfangseinrichtung für spezifische Reize].
Migräne-Kopfschmerzen sind auf ein gestörtes Gleichgewicht von Reizeinströmen und einer Übererregung von Nervenzellen im Migräne-Zentrum im Hirnstamm (peri-aquäduktales Grau) zurückzuführen. Von dort gelangen elektrische Impulse über Neuronen zur Hirnhaut und vermitteln eine sterile, perivaskuläre Entzündung der Gefäße in der Pia mater. Im Detail stimuliert die neuronale Überaktivierung im Hirnstamm die Schmerzweiterleitung über afferente C-Fasern des Nervus trigeminus an das Gehirn (trigemino-thalamischer Weg). Der Schmerz wird von den meisten Betroffenen als sehr heftig empfunden. Während der Schmerzattacke werden folgende vasoaktive Neuropeptide ausgeschüttet:
Serotonin
Histamin
Substanz P (P = Pain = Schmerz)
Neurokinin A (früher ‘Substanz K’, d.i. ein Peptid aus der Gruppe der Tachykinine. Das Peptid kommt zumeist zusammen mit dem Tachykinin Substanz P insbesondere im Zentralnervensystem, im Rückenmark und im Magen-Darm-Trakt vor)
CGRP (Calcitonin Gene-Related Protein)
Die Freisetzung der Proteine und Peptide beruht offenbar auf spontanen Entladungen im Trigeminuskerngebiet. Diese sind auf eine genetisch determinierte Störung in einem Ionenkanal zurückzuführen. In Folge kommt es zur Leukozytenaktivierung, einer Vasodilatation der Blutgefäße und einer erhöhten Gefäßpermeabilität (inklusive der Blut-Hirn-Schranke/BHS). Hirngewebe und Meningen schwemmen auf, was wiederum Schmerzimpulse verursacht und das Schmerzempfinden weiter verstärkt.
Ergänzende Angaben:
Gesichert oder belegbar sind die Ursachen bei der „Migraine cervicale“ und der „Cluster-Neuralgie“ („Histamin-Kopfschmerz“) per Diagnostik und eindeutigen Befunden.
Weitgehend gesichert dürften auch die Ursachen sein für die „Menstruelle Migräne“ und auch für die „Psychogene Migräne“.
Aber bei allen anderen Formen tut sich die Medizin nach wie vor recht schwer!
Zur Ursache - der „Pathogenese“ - der Migräne äußerte sich Prof. Dr. HansCarl Diener (Neurologische Klinik der Uni Essen) bereits im Spätherbst 1997 (publiziert in „Medical Tribune“ Nr. 44/97), dass sich...
... „Hinweise darauf mehren, dass der Migräne doch ein molekularer Hintergrund zukommen könnte; es sich also um eine Erkrankung des „Ionen-Kanals“ () handeln könnte und zwar für einen spezifischen Kalzium-Kanal (P/Q), wobei dessen „alpha-1-Untereinheit“ verändert zu sein scheint“ ...
Alles noch „reichlich graue Theorie“!
Fakt ist allemal:
Bei Migräne & Co. handelt es sich um ein komplexes + aus mehreren und verschiedenen Faktoren (= multifaktoriell) sich zusammensetzendes Geschehen.
Dabei spielen neben genetischen Faktoren auch psycho-somatische Aspekte eine wichtige Rolle, wie die Karlsruher Ärztin und Schmerztherapeutin Naschmil Pollmann (Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren, Heft 6/1999) so treffend schreibt.
Der Kieler Kopfschmerz-Migräne-Schmerz-Spezialist, Prof. Dr. Hartmut Göbel schreibt dazu u.a. (Buch: Die Kopfschmerzen, 1997):
... „eine typische Migräne-Persönlichkeit scheint es nicht zu geben; bisher hat sich kein einheitliches Bild heraus kristallisieren können.“ ...
Ein Lichtblick:
Unbestritten und unstrittig ist heute, dass der Neurotransmitter „Serotonin“ [= Indol-Derivat; = ein Biogenes Amin, beim Menschen synthetisiert aus der Aminosäure „L-Tryptophan“ – in Zentralnervensystem (ZNS), Lunge, Milz und spezifischen Zellen der Darmschleimhaut und gespeichert in Thrombozyten = „Gewebshormon“ und u.a. wichtig zur Anregung der Peristaltik, der Vasodilatation (Gefäßerweiterung) bzw. Gefäßzusammenziehung (Vasokonstriktion) und der Steigerung des Muskeltonus im Atmungstrakt] im Migräne-Geschehen eine wesentliche Rolle spielt.
Unumstritten ist ferner, dass das „trigeminovasculäre System“ – oder der „trigeminovasculäre Reflexbogen“ [d.s. Interaktionen zwischen Nerven und Gefäßen] – beim Migräneanfall eine Rolle spielt und, dass im Anfall diverse Neuropeptide getriggert werden, welche dann eine sogen. „neurogene Entzündung“ auslösen und unterhalten.
Hochaktuell sind Forschungshinweise, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Zusammenhang besteht zwischen Migräne und dem Vasokonstriktor (= Blutgefäß verengend/engstellend wirkende Substanz) „Endothelin“ (). Eine Variante des ‚Endothelin-Typ-A-Rezeptor-Gens’ scheint in der Entstehung/ Auslösung der Migräne eine wichtige Rolle zu spielen.
„Dopamin-System und Migräne“ …
… so lautete der Titel einer Veröffentlichung der Schmerzklinik Kiel (Prof. Dr. Hartmut Goebel) vom 12. März 2009.
Aus dieser Publikation darf ich auszugsweise zitieren: …
… „Dopamin ist ein Nervenbotenstoff. Er vermittelt Informationen zwischen Nervenzellen. Dopamin spielt eine wichtige Rolle in der Entstehung von Gefühlen, wie z.B. Freude, Glück, aber auch Angst und Schmerz. Der Dopaminvorrat ist beim Menschen individuell unterschiedlich. Bei hoher Konzentration reagieren Menschen emotionaler und intensiver. Im Alter sinkt die Dopamin-Konzentration, vielleicht ein Grund dafür, warum mit dem Fortschreiten der Jugend Menschen ruhiger und weiser wirken - und vielleicht auch weniger Migräne haben? In den letzten Jahrzehnten mehrten sich die wissenschaftlichen Hinweise auf eine bedeutsame Rolle von Dopamin in der Entstehung der Migräne. Migräne-Patienten sind besonders empfindlich auf dopamin-ähnliche Wirkstoffe. Diese erzeugen bei ihnen Migräne-Ankündigungs-Symptome wie z.B. Gähnen, Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen und andere Migräne-Symptome. Dopamin-Blocker können dagegen erfolgreich zur Migränebehandlung eingesetzt werden. Gene des Dopamin-Systems zeigen bei Migräne-Patienten zudem eine Reihe von Besonderheiten.
Dopamin-Rezeptoren finden sich zahlreich im Gehirns, im sogen. trigemino-vasculären System, in dem Migräneschmerz erzeugt wird.“ …
In einer neuen großen internationalen genetischen Studie haben Forscher der Universität Köln, der Universität New York und der Schmerzklinik Kiel neue Belege für eine Verbindung zwischen Migräne und zwei Genen des Dopamin-Systems gefunden. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Dopamin-Beta-Hydroxylase und das Dopamin-Transporter-Gen.
Diese Erkenntnisse sind ein weiterer wichtiger Schlüssel für das Verständnis der Migräne-Entstehung und der Entwicklung neuer Therapieverfahren.
Zur Pathogenese der Migräne soll abschließend noch einmal Prof. HansCarl Diener (Migräne-Kongress im Rahmen der 31. Fortbildungsveranstaltung für Hals-Nasen-Ohren-Ärzte) zitiert werden, der u.a. ausführte:
... „Wenn sie einen Migräne-Patienten zu 10 Ärzten aus 9 verschiedenen Fachrichtungen schicken, dann haben sie gute Chancen, dass er mit 15 verschiedenen Diagnosen wieder zu ihnen kommt!“ ...
(ohne jeden zusätzlichen Kommentar meinerseits!)
Neben der Bedeutung des Serotonins und des trigeminovasculären Systems (s.o.) scheint es nach neuestem medizinischem Wissensstand eindeutige Hinweise dafür zu geben, dass es sich bei der Migräne um eine genetisch vermittelte funktionelle Störung der Gehirn-Durchblutung im Rahmen des schon oben genannten multi-faktoriellen Geschehens handelt. Nach neuen Forschungs-Ergebnissen wird die Ursache – oder eine der Ursachen oder auch eine wesentliche Mitursache – in einer umschriebenen (= auf ein bestimmtes und begrenztes Hirn-Areal) Entzündung an den Arterien der Hirnhäute gesehen. Ausgelöst wird die „Entzündung“ durch eine zu plötzliche und zu schnelle Aktivierung von Steuerungsvorgängen des Nervensystems (so formulierte es Prof. H. Göbel auf einem Migräne-Workshop am 21.06.2000 in Kiel) und diese führen dann zu einer übermäßigen Freisetzung von „Gehirn-Botenstoffen“ - hier von sogen. „Schmerz-Botenstoffen“, den „Kininen“ – an den Nerven-Zellen.
Gleichzeitig wird die Sensibilität für Schmerzen („Schmerz-Empfinden“) an spezifischen peripheren Schmerzrezeptoren deutlich gesteigert.
Außerdem – dies als „typische Entzündungs-Mechanismen“ – wird die Synthese (= Bildung im eigenen Organismus) von speziellen Entzündungs-Mediatoren, von „Prostaglandinen“, signifikant gesteigert.
Ferner kommt es zur vermehrten Freisetzung von „Biogenen Aminen“, so Histamin und Serotonin und zu einer gesteigerten Durchlässigkeit (= Permeabilität) der Zellmembranen.
Folge ist eine lokale ‚Vergiftung’ des Gehirns durch die zu starke Ansammlung von körpereigenen Botenstoffen. Gleichzeitig kommt es zu einer übersteigerten Synthese von Stickoxid (NO – d.i. ein sogen. „freies Radikal“, welches bei der Entstehung bes. aber beim Auslösen einer Migräne möglicherweise eine wichtige Rolle spielt) und somit zu einer hochgradigen Gewebe-Übersäuerung!
Das Gehirn versucht sich durch zwei – sonst probate – Schutz-Mechanismen selbst zu helfen, die allerdings bei der Migräne völlig sinnlos sind: Durch Übelkeit und Erbrechen soll die Vergiftung beseitigt werden und durch Einleitung einer Entzündungsreaktion soll die Störung im Gehirn behoben werden.
Ebenso unstrittig ist, dass bei der Migräne die genetische Disposition (= erbliche Veranlagung) eine Rolle spielt.
Bei einer seltenen Variante der Migräne, der sogen. familiären hemi-plegischen Migräne, sind heute 3 Gen-Defekte auf Chromosom 19 bzw. 1 und 2 bekannt, die bei über 70% (!) aller Betroffenen vorliegen.
Es ist auch nicht auszuschließen, dass möglicherweise ähnliche und/ oder andere identische Gen-Defekte auch bei den anderen „Migräne-Typen“ vorliegen (können). Auf einen Nenner gebracht:
Viele Faktoren können eine Migräne auslösen und unterhalten!“
Dazu die nachfolgende Graphik:
Einen Migräne-Anfall können auslösen …
[als Einzelfaktor, wie auch in der variablen Kombination]
Vorschädigung durch Vorerkrankung(en)
Psychosoziale Problematik
Herde, Störfelder, energetische/elektro-magnetische Blockaden
Stress und Schlafmangel und/oder Mangel an Entspannung
Schadstoffbelastungen/Toxine + Umwelteinflüsse
Fehlernährung und Genussmittelkonsum
Konstitutionelle Faktoren
Bewegungsmangel
Fehlhaltungen der WS (bes. HWS)
Stoffwechselstörungen/-schäden
Hormonelle Fehlregulation
Gen-Polymorphismus (Polymorphismus = Vielgestaltigkeit/Verschieden-Gestaltigkeit) des Endothelin-Systems
Ganz gleich, ob angeboren oder erworben, das Reaktionsmuster „MIGRÄNE“ kann bei entsprechend disponierten Menschen durch eine ganze Reihe äußerer Faktoren wie auch von Nahrungs- und Genussmitteln ausgelöst werden.
Mögliche Migräne-Auslöser
Stress – Distress
Emotionale Überlastungen und Fehlreaktionen
Physische und/oder psychische Überlastung
Spezielle Wetterlagen und rascher Wetterwechsel
Änderung des individuellen Bio-Rhythmus
Menstruation (und Menstruationsveränderungen) + Kontrazeptiva
Hunger/langes Fasten + Diätfehler
Kaffee-, Alkohol-, Nikotin-Entzug
Alkoholkonsum (bes. Rotwein und Sekt) + Nikotin(über)konsum
Zahlreiche Nahrungsmittel + Nahrungsmittelzusätze
(bzw. die darin enthaltenen Substanzen – bes. Glutamat und Aspartam)
Entspannungsphasen
(bes. Urlaubs-Beginn oder -Ende und Wochenenden/Feiertage)
Einige neuere Erkenntnisse zur Ätiologie von primären Kopfschmerzen wie Migräne & Co. und vermehrtem Vorkommen sollen nunmehr noch kurz angerissen werden.
Alle diese Untersuchungen und Berichte sind erst ab Mitte Februar 2010 in Fachpublikationen veröffentlicht worden.
Zuerst soll zitiert werden aus einer Arbeit von L.C. Rains et al. (Current Treatment Options in neurology, 19.02.2010), das Thema der Untersuchung: „Schlaf und primärer Kopfschmerz“:
… „Primärer Kopfschmerz wurde mit einer ganzen Reihe an Schlaf-Störungen in Verbindung gebracht, die das Kopfschmerz-Management beeinflussen könnten. … Auszuschließen waren Schlaf-Apnoe-Kopfschmerzen bei Patienten mit beginnendem Kopfschmerz und höherem Risiko für eine „primäre Kopfschmerz-Diagnose“ (Cluster, hypnische, chronische Migräne und chronischer Spannungskopfschmerz). … Schlaflosigkeit stellt bei Patienten mit Migräne und Spannungs-Kopfschmerz die häufigste Schlafstörung dar, wie von 50 bis 75 % der Klinikpatienten berichtet wird. Unter chronischer Migräne oder Spannungs-Kopfschmerz leidende Patienten könnten von einem veränderten Schlafverhalten (BSM – Behavioral Sleep Modification) profitieren. Eine pharmakologische Therapie müsste von Fall zu Fall verschieden ausfallen. Die Therapie mit Hypnotika, Anxiolytika oder sedativen Antidepressiva zur Behandlung von Schlaflosigkeit müsste dabei auf das jeweilige Muster der Symptome zugeschnitten werden.
Individuen mit chronischem Kopfschmerz sind einem höheren Risiko für psychiatrische Störungen ausgesetzt. Eine Beurteilung nach Depression und Angst ist gerechtfertigt, wenn entweder Schlaflosigkeit oder Hypersomnie vorliegt. Psychiatrische Symptome nehmen Einfluss auf die Auswahl sedativer, anregender oder neutraler pharmakologischer Wirkstoffe für Kopfschmerz.
Alle Kopfschmerzpatienten, insbesondere mit episodischer Migräne und Spannungskopfschmerz, könnten von der Berücksichtigung von Schlafvariablen beim Management der Auslösefaktoren profitieren.“ …
Die Mitte Februar 2010 publizierte Arbeit von M.E. Bigal et al (Neurologie) „Migräne und kardiovaskuläre Erkrankungen“ (Populations-basierte Studie) geht der Frage nach Zusammenhängen zwischen Migräne mit und ohne Aura mit Myokardinfarkt, Schlaganfall und Gefäßspasmen (Claudicatio/Vasospasmen) nach.
Auszugsweise zitiere ich:
… „Bei Migränepatienten wurden häufiger Diabetes, Hypertonie und hohes Cholesterin diagnostiziert als bei den Kontrollen. Das Risiko war bei MA (= Migräne mit Aura) am höchsten, blieb bei MO (= Migräne ohne Aura) geringer erhöht. Die Werte des Framingham-Score und des PROCAM-Scores (s.u.) waren bei MO und MA signifikant höher als bei den Kontrollen. Nach Adjustierung (Geschlecht, Alter, körperliche Behinderung, Behandlung, CVRF = Cardio-Vaskuläre Risiko-Faktoren) blieb Migräne signifikant mit Myokard-Infarkt, Schlaganfall und Klaudikation (Claudicatio/Durchblutungsstörungen) assoziiert.
Das Ergebnis der Studie zeigt, dass Migräne sowohl mit als auch ohne Aura mit kardiovaskulären Krankheiten (CVD) und mit Risikofaktoren für CVD assoziiert ist.“ …
[Framingham-Score = Berechnung des 10-Jahres-Risikos, einen Schlaganfall zu erleiden – PROCAM-Score = Berechnung des 10-Jahres-Risikos, einen Myokard-Infarkt zu erleiden]