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Migräne-„Formen“

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Heute differenzieren Kopfschmerzspezialisten verschiedene Migräne-‚Formen‘:

Migräne ohne Aura (Vorwarnzeichen)

Migräne mit Aura („Migraine accompagnée”)

Migraine sans migraine (Migräne ohne Migräne = Aura ohne Kopfschmerzen)

Vestibuläre (= Raum zwischen Zahnreihen und Lippen) Migräne

Hemiplegische (= mit halbseitiger Lähmung verbundene) Migräne

Basiläre (pathologische Veränderungen im Übergang Halswirbelsäule und Schädel) Migräne

Ophthalmische Migräne (‚Augen-Migräne‘)

Digestive Migräne

Menstruelle Migräne

Abdominelle Migräne (‚Bauch-Migräne‘)

Chronische Migräne

(Laut der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft/IHS ist eine Migräne chronisch, wenn an 15 und mehr Tagen pro Monat (über mehr als drei Monate hinweg) Kopfschmerzen auftreten. Außerdem müssen in diesem Zeitraum an acht oder mehr Tagen die Kriterien einer Migräne ohne Aura oder mit Aura erfüllt sein)

Locked-in-Syndrom

(vereinzelt kommt diese schwerste Verlaufsform vor = vollständige Bewegungslosigkeit bei wachem Bewusstsein und dazu selten noch vertikale Augenbewegungen – Dauer ca. 2-30 min. Zumeist sind dabei sowohl die Aura- wie die eigentlichen Migräne-Symptome beidseitig vorhanden! [inwieweit die A. basilaris als Namensgeberin beteiligt ist, ist noch nicht eindeutig geklärt].

Familiäre hemiplegische Migräne (FHM – d.i. eine Migräne mit Aura bei positiver Familienanamnese, wobei die Aura üblicherweise eine variabel ausgeprägte Halbseiten-Gesichtslähmung beinhaltet – Typ 1 = FMH1: Mutationen im Gen CACNA1A [Calcium Voltage-Gated Channel Subunit Alpha1 A, d.i. ein Protein zur Kodierung von Genen] sind die häufigste Ursache; zu finden bei ca. der Hälfte aller Patienten und bei bis zu 90% der Migräniker mit begleitenden cerebellären (das Kleinhirn betreffend wie z.B. Atrophie des Kleinhirn-Wurms (Vernis cerebelli = Vernis-Atrophie) – Typ 2 = FMH2: wird verursacht durch gen-Mutationen im Gen ATP1A2 [das Enzym ATPase transportierendes Alpha-2-Polypeptid] – Typ 3 = FMH3 = sie wird verursacht durch Mutationen im Gen SCN1A [es liegt auf dem Chromosom 2q24 und kodiert für einen spannungsabhängigen Natriumkanal (Sodium channel protein type 1 subunit alpha)] – zusammengefasst: Die FHM ist mit genetischen Defekten/Mutationen auf den Chromosomen 1-2-19 assoziiert)

01 Migräne ohne Aura

Die Migräne ohne Aura – auch genannt „Einfache Migräne“ – ist die häufigste Form von Migräne. Sie macht von den Migräne-Formen den ‚Löwenanteil‘ mit rund 9,5 Millionen Betroffenen (ca. 53%) aus.

Typisch sind attacken- bzw. anfalls-artig auftretende, einseitige Kopfschmerzen von mittlerer bis starker Intensität.

Die pulsierenden Schmerzen verstärken sich durch körperliche Aktivität und sind von Übelkeit aber auch Licht- und Lärm-Empfindlichkeit begleitet.

Die Kopfschmerzattacken können bis zu 72 Stunden anhalten.

02 Migräne mit Aura – Migraine accompagnée

Bei etwa 25-30% der Migräne-Patienten mit Aura – diese Migräne-Form wird auch bezeichnet als „Klassische Migräne“ – treten vor der Kopfschmerz-Phase bestimmte neurologische Symptome auf.

Diese Symptome bezeichnen Mediziner zusammenfassend als Aura [übrigens: der Name „Aura“ geht zurück auf die griech. Göttin der Morgenröte „Aurora“ – daher werden die Aura/Prodromi auch genannt „Morgenröte der Migräne“].

Diese Form der Migräne nennt man auch Migräne accompagnée (von franz. accompagner = begleiten).

Typische Aura-Symptome sind

- Sehstörungen (Lichtblitze, Flimmern, Sehen von gezackten Linien, Licht-Scheue)

- Sprachschwierigkeiten/Sprachprobleme

- Lärm-Empfindlichkeit

- Missempfindungen der Haut

- Schwindel

- Unwohlsein/Übelkeit/Brechreiz

Meist halten diese Beschwerden etwa eine halbe bis eine Stunde lang an und verschwinden dann wieder vollständig.

Die Ursache ist wahrscheinlich eine vorübergehende Minderdurchblutung bestimmter Gehirnareale, die durch einen Gefäßkrampf entsteht.

! Wichtig !

Körperliche Aktivitäten verstärken die Aura-Symptome

Eine Zwischennotiz:

Aura oder …

… Transitorisch Ischämische Attacke/TIA

… Prolongiertes Reversibles Ischämisches Neurologisches Defizit/PRIND

… inkompletter/kompletter Schlaganfall/Hirnschlag ???

Für ‚Nicht-Fachleute‘ (kein Seitenhieb, aber ‚Tatsache‘: auch für manche Fachleute) sind die Symptome/Anzeichen, die in der „Aura-Phase‘ auftreten (können), von einem akuten zerebro-vaskulären Ereignis nur schwer zu unterscheiden.

Ein bzw. das (mit-)entscheidende Differenzierungs-Kriterium ist, dass die Migräne-Aura eher schleichend beginnt und langsam an Intensität zunimmt.

Im Gegensatz dazu tritt in aller Regel ein akutes zerebro-vaskuläres Ereignis – TIA, PRIND, Hirnschlag – plötzlich ein. Wobei festzuhalten ist, dass sich Schlaganfälle in nicht wenigen Fällen auch durch eine „Aura“ ‚ankündigen‘ können.

Bildgebende Verfahren wie eine zerbrale Computertomographie/CT oder eine zerebrale Magnetresonanztomographie/MRT (Kernspintomographie) sichern die Diagnose.

Zurück zur Migräne.

03 Migraine sans Migraine – Migräne ohne Migräne

‚Migräne ohne Migräne‘

oder auch ‚Isolierte Migräne-Aura‘

Es klingt paradox, kommt aber gar nicht selten vor:

Migräne-Attacken ohne den typischen Kopfschmerz. Betroffene entwickeln sogen. isolierte Vorwarnzeichen. Häufig wird die Erkrankung nicht richtig diagnostiziert und zum Beispiel als Schlaganfall fehlinterpretiert.

Von den 25-30% der Betroffenen, die unter Migräne mit Aura leiden, entwickeln etwa 10-15% von Zeit zu Zeit solche isolierten Auren.

Selten käme es vor, - so Prof. Dr. Andreas Straube (Neurologe, Neurolog. Klinik der Ludwig-Maximilian-Universität. München und Vizepräsident der Deutschen Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft e.V.), dass Betroffene ausschließlich isolierte Auren entwickeln. Diese Sonderformen der Migräne treten vor allem in höherem Alter auf, so Prof. Straube.

04 Vestibuläre Migräne – „Schwindel-Migräne“

d.i. eine Sonderform der Migräne. Sie geht einher mit plötzlich einsetzenden Drehschwindel-Attacken; v.a. mit Übelkeit und Erbrechen. Der Schwindel kann im Vorfeld – als Aura – des Migräne-Kopfschmerzes auftreten, aber auch simultan mit diesem und seltener auch danach.

Übrigens:

Früher – mehr als heute – auch bezeichnet mit ‚Morbus Ménière‘.

Ca. 1% der deutschen Bevölkerung ist von einer vestibulären Migräne betroffen, also rund 800.000 Menschen.

05 Digestive Migräne – ‚Verdauungs-Migräne‘ / ‚Bauch-Migräne‘

Synonym: Abdominelle Migräne

Fakten sind:

Es bestehen ‚enge Zusammenhänge‘ zwischen Darmbakterien, Leber und Migräne.

Der Zusammenhang zwischen Migräne und Störungen des Gastrointestinal-Trakts wurde in zwei Richtungen nachgewiesen:

1. Migräne-Patienten weisen häufig gastrointestinale Beschwerden auf;

2. Personen mit Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts leiden häufiger an Migräne als Personen in entsprechenden Kontroll-Gruppen.

Eine wichtige Rolle kommt dem Pfortaderkreislauf () zu:

Das Blut aus dem gesamten Magen-Darm-Trakt wird über die Pfortader (Vena portae) zunächst der Leber zur Entgiftung zugeführt. Über ein großes Blutgefäß wird das Blut weiter ins Herz und über die Hauptschlagader weiter in den Kopf geleitet. So werden dem Gehirn die im Darm aufgenommenen Nährstoffe zugeführt. Allerdings können auf diesem Weg auch Giftstoffe ins Gehirn gelangen: Nämlich immer dann, wenn sie in der Leber nicht schnell genug abgebaut werden können.

Eine erhöhte Menge an Giftstoffen wird vor allem dann aufgenommen, wenn die Darm-Barriere („Undichte Darmwand“ – ‚Leaky Gut Syndrom‘) in ihrer Funktion gestört ist:

Unsere heutige, oft ungesunde Lebensweise, beeinflusst unseren Darm und seine lebenswichtigen Darmbakterien äußerst negativ.

Als ‚Vorgriff‘ auf die spätere Therapie:

Daher ist es so wichtig wie unerläßlich für ein „intaktes Inneres Milieu“ () zu sorgen, um auf diese Weise positiv auf Migräne & Co. einzuwirken!

06 Hemiplegische Migräne (HM) – Migräne mit motorischer Aura

Hier zitiere ich auszugsweise aus Publikationen bzw. der Original-Leitlinie von Dr. Anne Ducros und Dr. Gaëloe Comte (Orphanet, 2010):

… „d.i. eine seltene Migränen-Variante mit motorischer Aura (Migräne, die von einer vorübergehenden motorischen Schwäche begleitet wird). Anhand der Familiengeschichte unterscheidet man zwischen Patienten mit familiärer hemiplegischer Migräne (FHM) (mindestens 1 Verwandter ersten oder zweiten Grades mit den gleichen Anfällen) und Patienten mit sporadischer hemiplegischer Migräne (SHM), bei denen keine Verwandten betroffen sind. …“ (Ende Zitierung)

Die typischen Anfälle von HM sind durch eine motorische Schwäche gekennzeichnet, die immer mit mindestens einem weiteren Aura-Symptom verbunden ist; am häufigsten sind Sensibilitäts-, Seh- und Sprachstörungen.

Häufig treten auch die Symptome der Migräne vom sogen. Basilaris-Typ auf: Schwindel, Instabilität, Tinnitus.

Schwere Anfälle von HM können bei der FHM wie bei der SHM auftreten; sie sind gekennzeichnet durch anhaltende motorische Schwäche, Verwirrtheit oder komatöse Zustände, Fieber und epileptische Anfälle. Zwischen zwei HM-Anfällen sind 80-90% der Patienten asymptomatisch.

In 10-20% der Fälle kann das klinische Bild dauerhafte cerebelläre Symptome (okulärer Nystagmus/unkontrollierbare rhythmische Augen-Bewegungen, Ataxie/Störungen im Bewegungsapparat, Dysarthrie/organisch bedingte Sprachstörung, speziell Störung der Lautbildung infolge mangelhafter Koordination der Sprechwerkzeuge), seltener Epilepsie und Minderbegabung einschließen.

07 Basiläre Migräne – Basilaris-Migräne

d.i. eine seltene, kompliziete Form der Migräne mit Aura, einhergehend mit Funktionsstörungen des Hirnstamms (Truncus cerebri) aufgrund von Durchblutungsstörungen im Bereich der Arteria (A.) Basilaris (Basilar-Arterie, sie entsteht aus der Vereinigung der beiden Wirbelarterien im Übergang zwischen der Medulla oblongata/Verlängertem Mark und dem Pons/Brücke. Sie versorgt mit ihren Ästen die dorsalen Anteile des Großhirns, das Kleinhirn, das Innenohr und den Pons).

Typische Symptome sind:

Sobald Patienten an einer Aura leiden, kommt es generell zu neurologischen Ausfällen oder Reizungen, die von den kortikalen (die Großhirnrinde betreffenden) Arealen im Gehirn ausgehen.

08 Ophthalmische Migräne – ‚Augen-Migräne‘

Damit werden in der Medizin vorrübergehende, beiderseitige Seh-Störungen, die von Kopfschmerzen begleitet sein können.

Wichtig:

Hiervon abzugrenzen ist die äußerst seltene „Retinale Migräne“. Dabei handelt es sich stets um eine einseitige Sehstörung.

Die Symptome treten plötzlich auf und halten meist einige Minuten (oft 5-10 min, selten länger als 30-60 min) an.

Häufig sind jüngere Erwachsene betroffen.

Zu den häufig beobachteten Erscheinungen, die vom Patienten als bedrohlich erlebt werden, zählen:

Filmmern (Szintillationen), auch bei geschlossenen Augen möglich,

partielle Gesichtsfeldausfälle (Skotom)

Flimmern + Gesichtsfeldausfall (Flimmerskotom)

durchsichtige Seh-Girlanden in verschiedenen Farben

Lichtblitze (wie Blick in die Sonne)

ggfls. Kopfschmerzen, mitunter auch erst im Anschluss an die Seh-Störungen auftretend

ggfls. Schwindel

sehr selten Augenmuskellähmung (Ophthalmoplegische Migräne, bei Kindern)

Als Ursache einer geht man von einer zeitweisen spastisch-atonischen Zirkulationsstörung im Bereich der Sehrinde (Strömungsgebiet der Arteria cerebri posterior/Hintere Gehirn-Schlagader) aus.

Die Ursachen und die Pathophysiologie der Augenmigräne sind nicht ausreichend geklärt.

Als gefährdende Faktoren werden unter anderem Stress, grelles blitzendes Licht, Hormonschwankungen bei Frauen (prämenstruell, orale Kontrazeptiva), Alkoholkonsum, Hunger-Zeiten, Wetterumschwung und Inhaltsstoffe in bestimmten Nahrungsmitteln oder Medikamenten (z.B. Rotwein, Süßstoffe, Schokolade, Käse, Nüsse, Milch, Fleisch, Natriumglutamat, etc) vermutet.

09 Menstruelle Migräne

d.s. Migräne-Beschwerden, die während der Periode oder auch kurz vor einer Periode auftreten.

Eine menstruelle Migräne unterscheidet sich in ihren Symptomen nicht von anderen Migräneattacken – also Kopfschmerzen, Übelkeit und in manchen Fällen Aura-Symptome wie blitzende Lichter oder blinde Flecken.

Was eine menstruelle Migräne von der regulären Migräne unterscheidet, ist der Trigger (Auslöser).

Sie wird von den Hormonen ausgelöst, die vom Menstruationszyklus beeinflusst werden.

Daher kommt auch der Begriff ‚hormonelle Migräne’.

Eine Menstruelle Migräne wird nach Meinung der Experten entweder durch einen Östrogen-Abfall oder durch die Freisetzung von Prostaglandinen (chemische Verbindungen die sich ähnlich wie Hormone verhalten) ausgelöst.

Zuletzt noch:

10 Familiäre/Sporadische Hemiplegische Migräne

Bei der Familiären Hemiplegischen Migräne (FHM) handelt es sich um eine seltene Migräne-Form, verlaufend mit Aura.

Typische HM-Anfälle sind gekennzeichnet durch Muskelschwäche und eine Aura mit sensiblen, visuellen und sprachlichen Störungen. Bei bis zu 70% der Patienten treten Symptome vom Basilaris-Typ auf.

Patienten mit mindestens 1 Verwandten I. oder II. Grades, der Migräne mit Aura und Muskelschwäche manifestiert, werden der Familiären hemiplegischen Migräne (FHM) zugeordnet. Patienten ohne eine solche Familiengeschichte der Sporadischen hemiplegischen Migräne (SHM).

Bei beiden HM-Formen sind schwere Attacken mit längerdauernder Hemiplegie (Halbseitenlähmung), Muskelschwäche, Verwirrtheit bis komatösen Zuständen, Fieber, epileptischen Anfällen möglich. Weiter fakultative Symptome/Defizite sind auch dauerhafte zerebelläre Symptome (Kleinhirn-Symptome) wie Nystagmus, Ataxie, Dysarthrie. Seltener kommt es zusätzlich zu epileptischen Krampf-Anfällen unterschiedlicher Epilepsie-Typen und auch zu Minderbegabung.

Die Hemiplegische Migräne (HM) ist eine seltene Migräneform, mit Aura und Muskelschwäche während der Aura. Die Prävalenz der HM ist 1:10.000, mit gleichen Anteilen FHM und SHM.

Die FHM wird autosomal-dominant vererbt. Als Ursache wurden bisher Mutationen in drei Genen gefunden, die für Komponenten von Ionenkanälen kodieren: CACNA1A (Chromosom 19p13, FHM1, Kalziumkanal), ATP1A2 (Chromosom 1q21-q23, FHM2, Na+K+-Transporter) und SCNA1 (Chromosom 2q24, FHM3, Natriumkanal).

Die Prognose ist in der Regel gut.

Nach dieser ‚Migräne-Differenzierung‘ (Migräne-Formen) nun zu Angaben, die aller Migräne-Formen betreffen.

Migräne & Co.

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