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Eine falsche Fährte

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Eriseds Elitesoldaten saßen ab. Bis hierher hatten sie die Spuren aus dem Wald verfolgen können. Die einzelnen Gruppen hatten den Befehl erhalten sich bei dieser Scheune zu sammeln. Die Morgendämmerung war eben angebrochen. Am Horizont waren die ersten Sonnenstrahlen deutlich zu erkennen.

Der Befehlshaber der Soldaten blieb ein paar Schritte vor dem Scheunentor stehen. Irgendjemand hatte mit roter Farbe eine Nachricht auf dem Tor hinterlassen. Bei der roten Farbe handelte es sich vermutlich um Blut. Und „Irgendjemand“ war aller Wahrscheinlichkeit nach der Reiter, dessen Spuren sie verfolgt hatten.

Auf dem Tor stand: Wer die Scheune betritt, der stirbt. Etwas weiter darunter hatte der Verfasser noch etwas in Diebeshand hinzugefügt: Das schwöre ich bei meinen Kindern!

Nachdem er sich vergewissert hatte, dass niemand in der Nähe war, bedeutete der Kommandant zweien seiner Männer die Scheune zu stürmen. Es waren Händler und Jäger. Geduckt pirschten sich die beiden zum Scheunentor vor und zogen währenddessen lautlos ihre Schwerter. Sie postierten sich in Kampfhaltung vor dem Tor. Auf ein unsichtbares Zeichen hin trat Händler das Tor ein. Sowie eine Öffnung geschaffen war, huschte Jäger in die Scheune, dicht gefolgt von Händler.

Der Hauptmann und seine Leute warteten in wachsamer Haltung vor dem Gebäude. Jeder der Männer hatte seine Hand am Griff der verborgenen Schwerter unter ihrer Kleidung.

Wenige Augenblicke später traten die beiden kopfschüttelnd aus der Scheune und verstauten ihre Schwerter unter dem Gewand.

„Niemand drinnen. Sieht auch nicht so aus als wäre in letzter Zeit jemand hier abgestiegen.“

Nachdenklich kratzte der Kommandant sich am Kopf. Sie hatten die Spuren des Reiters bis zur Scheune verfolgt. Ihre Beute hatte die Scheune keinesfalls einfach links liegen gelassen, das machten die Spuren vor dem Gebäude deutlich. Das Blut abzuwaschen hätte vermutlich zu lange gedauert. Alle Flüsse lagen etwa einen halben Tagesritt von hier entfernt. Der Kommandant blickte zum Himmel auf. Vor Kurzem hatte es geregnet. Unser Ziel muss wohl gehofft haben, dass der Regen das Blut abspült. Das konnte nur eines bedeuten.

„Der Kerl hat also seine Spuren in der Scheune verwischt, damit ihn niemand aufspürt. Schade nur, dass er dabei auf seine Wegspur vergessen hat.“

Aufmerksam ging er den Platz vor dem Scheunentor ab und achtete dabei besonders darauf keine Spuren durch seine eigenen zu überdecken. Seine Stirn legte sich in Falten. Hier waren die Spuren von zwei Leuten. Zuerst waren da zwei Stiefelspuren. Es war dasselbe Profil, aber er war sich sicher, dass die Abdrücke von zwei verschiedenen Personen stammten. Auch Pferdespuren führten aus der Scheune.

Die Spuren zu lesen war kompliziert. Nicht nur, dass die Sonne noch nicht aufgegangen war um den Platz ordentlich zu beleuchten, auch das Wetter hatte ihnen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Es hatte die letzten zwei Tage durchgehend geregnet, dass er die Spuren nur einigermaßen deuten konnte, verdankte er seiner harten Ausbildung.

Als er mit seiner Begutachtung fertig war, ergab sich daraus ein Bild, welches ihm gar nicht gefiel. Es gab zwei Spuren, die von der Scheune wegführten. Ihrer Frische nach zu urteilen, dürften die beiden danach nicht mehr wieder gekommen sein. Was das Ganze noch schlimmer machte, war dass sie in zwei komplett unterschiedliche Richtungen führten. Die eine Spur bestand aus Stiefelabdrücken, welche nach Süden führten. Die andere Spur war die eines Pferdes, welche nach Osten führte. In der Zwischenzeit hatte sich die Sonne über den Rand des Horizonts geschoben und erleuchtete das Land in seiner ganzen Pracht.

Der Hauptmann bellte seine Anweisungen. Je früher seine Leute mit der Arbeit begannen, desto eher konnten sie ihre Beute schnappen und zurückkehren. Zeit war bei einer Jagd kostbares Gut.

„Sucht das Gebiet südlich und östlich von hier nach weiteren Spuren ab. Zwei gleichgroße Gruppen. Die Pferde lassen wir hier. Na los, Bewegung.“

Ohne zu Zögern bildeten sich die Gruppen und setzten sich in Bewegung um ihre Befehle zu erledigen. Der Kommandant blieb mit den Pferden beim Sammelpunkt. Vielleicht konnte der Verlauf der Spuren Aufschluss darüber geben, wie die weitere Vorgehensweise auszusehen hatte. Im schlimmsten Fall, müssten sie sich entweder in zwei Gruppen aufteilen oder geschlossen nur einer Spur folgen. Fehler konnte er sich keine erlauben. Der Fürst schätzte es nicht warten zu müssen.

Seine Leute kamen schneller wieder zurück als er gedacht hatte. Zuerst kehrte die Gruppe aus Osten zurück. Ein Mann in den Kleidern eines Gelehrten trat vor um Meldung zu machen.

„Hauptmann, Gruppe Osten meldet sich zurück. Die Spuren führen in gerader Linie weiter. Der Richtung folgend könnte das Ziel des Reiters im Norden von Evif liegen. Die Spur ist zwar gelegentlich unterbrochen, lässt sich aber schnell wiederfinden.“

Der Kommandant nickte knapp.

„Gut gemacht, wegtreten.“

Mit einer zackigen Bewegung drehte sich der Gelehrte um und ließ die Soldaten seiner Gruppe wie befohlen abtreten.

Die Spur des Reiters ließ sich somit also schnell verfolgen. Je nach Tempo, könnten sie ihn noch, bevor eine Woche verging, einholen und stellen. Der Wanderer könnte allerdings bei einer Fehlentscheidung danach über alle Berge sein. Nebenbei wären seine Spuren kaum wiederzufinden, da die Witterung dann ihre Arbeit vollenden konnte. Schon jetzt fiel es gelegentlich schwer die Abdrücke am Boden richtig zuzuordnen. In seine Überlegungen vertieft, strich der Kommandant mit seinem Daumen über die Parierstange seines verborgenen Schwertes. Als er seine Geste bemerkte, nahm er sofort die Hand vom Schwert. Solche Gewohnheiten konnten ihn in der falschen Situation verraten.

Nahezu lautlos glitt die zweite Gruppe zwischen den Bäumen eines kleinen Waldstückes im Süden hervor. Hier hatte Jäger das Kommando übernommen.

„Hauptmann, Gruppe Süden meldet sich zurück. Die Spuren führen andeutungsweiße nach Süden und Südwesten. Sie verlaufen meist durch kleine Waldstücke und verlieren sich bald. Wir waren nicht in der Lage die Abdrücke wiederzufinden.“

„In Ordnung, wegtreten.“

Gerade als der Jäger seine Leute in derselben Manier abtreten lassen wollte, wie auch der Gelehrte bei der Gruppe vorher, hielt der Hauptmann inne. Irgendetwas passte ihm nicht, doch er konnte nicht genau sagen was es war. Ein flüchtiger Blick über seine Einheit brachte die Erleuchtung.

„Da fehlt doch einer. Wo ist Fischer?“

Die Soldaten erstarrten. Jäger und Gelehrter sahen sich abwägend an. In einer ihrer Gruppen musste er gewesen sein. Das bedeutete Strafmaßnahmen für den verantwortlichen Gruppenkommandanten. Doch noch bevor jemand etwas sagen konnte, ließ ein hölzernes Knacken den Hauptmann herumfahren. Aus demselben Waldstück, wo auch die Gruppe Süden hervorgestoßen war, stapfte breitbeinig Fischer. Der Soldat hatte etwas im Schlepptau. Schwungvoll warf Fischer dieses Etwas auf den Boden vor ihm. Beim Aufprall zog es sich wimmernd zusammen.

„Morgen zusammen, während ihr im Dreck herumgekrochen seid, habe ich die echte Arbeit erledigt.“

„Fischer!“

Die Stimme der Hauptmanns hatte einen bedrohlichen Unterton angenommen. Er kochte vor Wut. Nur mit Mühe bewahrte er nach außen hin die Ruhe.

Fischer ignorierte den Kommandanten und zog auf die Beine was er mitgebracht hatte. Vor den Soldaten stand ein hagerer Mann im hohen Alter. Sein Gewand wies ihn als Bauer aus. Die Gesichtszüge zu bestimmen fiel schon weit schwieriger. Das graue Haar war stellenweise von Blut verklebt und das Antlitz des Bauern war von einem stark geschwollenen Auge, sowie einer gebrochenen Nase gezeichnet. Blut und Rotz quollen ihm aus der Nase und verunstaltete sein Gesicht. Untermalt wurde das Debakel in seinem Gesicht von den Tränen, welche ihm aus beiden Augen die Wangen herabliefen und sich mit dem Blut vermischten.

Die Hand am Haar des verängstigten Mannes, begann Fischer mit ihm zu schreien.

„Hör auf zu Flennen und erzähl ihnen was du mir erzählt hast.“

Doch mehr als ein Schluchzen kam nicht zwischen seinen ebenfalls blutenden Lippen hervor. Fischer riss ihn kräftig an den Haaren. Der Bauer schrie auf und versuchte verzweifelt sich zu befreien, doch der Griff des Fischers blieb eisern. Unbeeindruckt wiederholte er seine Aufforderung.

„Los, sags ihnen, oder ich verpasse dir noch eine Abreibung.“

Resignierend ließ der Bauer seine Arme sinken.

„Das ist meine Scheune. Bitte, lasst mich gehen.“

Triumphierend strahlte Fischer dem Hauptmann entgegen. Dieser blieb jedoch unbeeindruckt. Fischer hatte mit dieser Aktion ihre Tarnung auffliegen lassen. Nicht nur, dass er sich selbst enttarnt hatte, nein, er hatte mit seinem Verhalten auch die Gruppe gefährdet. Der Kommandant war der Tollwut nahe. Wie hat es der Kerl bloß in unsere Einheit geschafft?

„Toll gemacht, Fischer. Und wie geht es jetzt weiter? Alleine den Scheunenbesitzer ausfindig gemacht zu haben, bringt uns nämlich kein Stück weiter.“

Der Zynismus in seiner Aussage war beißend. Fischer schienen die Gesichtszüge kurz zu entgleiten, doch er hatte seine Fassung bald wieder.

„Er kann uns sicher sagen, wo die beiden hin sind. Schließlich ist das seine Scheune, wahrscheinlich hat er ihnen selbst sogar Zuflucht angeboten und die Warnung am Tor ist dann vielleicht von ihm. Hab ich recht du Wurm.“

Unter Tränen rang der Bauer um seine Stimme. Ohne es zu bemerken, hatte der Mann sein Wasser nicht mehr halten können und seine Hose beschmutzt. Der Gestank von Urin breitete sich aus. Die Todesangst war unverkennbar.

„Bitte, ich habe gar nichts getan. Ich war ja selbst schon lange nicht mehr hier. Ich brauche die Scheune fast nie. Bitte lasst mich gehen. Zuhause wartet meine kranke Frau auf mich. Sie braucht mich doch.“

Zornig riss Fischer an den Haaren des Bauern und verursachte dadurch eine neue Schreiattacke desselben.

„Hör auf zu lügen, du Schweinehund.“

Wieder riss er ihn an den Haaren. Der Bauer wäre schon zusammengesackt, hätte Fischer ihn nicht an den Haaren dazu gezwungen stehen zu bleiben.

„Es reicht Fischer, er weiß nichts. Lass ihn los“

Fischer wolle es nicht hören und ließ nicht ab von seinem Opfer.

„Von den zwei Leuten hatte einer hellbraune Augen und dunkelbraune Haare. Er war etwa so groß wie ich, jung und dünn. Sag schon wohin ist er verschwunden?“

Der Bauer schrie nur noch.

„Sag es, wo ist er hin? Ist er nach Osten oder nach Süden unterwegs?“

Immer heftiger riss Fischer an den Haaren des Mannes. Ein Teil begann sich bereits mitsamt der Kopfhaut zu lösen. Fischers Stimme schaukelte sich immer weiter auf.

„Hör auf zu schreien und sag was ich wissen will! Osten oder Süden?!“

Nun wurde es dem Hauptmann zu viel. Wenn irgendjemand in der Nähe war und die Schrei des Bauern hörte, würde er mit Sicherheit zu ihnen kommen. Ihre Aufgabe verdiente Geheimhaltung.

„Loslassen, Fischer!“

Bestimmten Schrittes ging der Hauptmann auf Fischer zu. Die Hand bewegte er dabei zu seinem Schwert, welches unter der Kleidung verborgen lag. Nun würde Fischer sterben. Er gefährdete ihre Mission und nebenbei hatte er erneut einen direkten Befehl missachtet.

Noch bevor der Hauptmann Fischer erreichen konnte, zog dieser seinen Dolch und drückte ihn dem Bauern an die Kehle. Seine Stimme wurde gefährlich leise.

„Osten oder Süden. Ich frage nicht noch einmal.“

Abrupt hörte der Bauer auf zu heulen. Sein Gesicht wurde kreidebleich Nur wenige Schritte trennten den Hauptmann und Fischer. Gerade als der Kommandant sein Schwert ziehen wollte, vernahm er es. Ein Flüstern, so leise wie ein Windhauch.

„Süden, er ist nach Süden.“

Der Hauptmann hielt in seiner Bewegung inne. Ein bösartiges Lächeln stahl sich auf die Lippen von Fischer und mischte sich mit Triumph.

„Danke.“

Mit einer schnellen Bewegung öffnete die Schneide des Dolches die Kehle. Die Augen des alten Bauern wurden groß. Ungläubig fuhr er sich mit den Händen an den Hals, wo hellrotes Blut hervorsprudelte. Röchelnd brach er zusammen. Der Todeskampf des Mannes war kurz.

„Seht ihr, er hat es doch gewusst. Nun wissen wir wohin wir müssen. Der Reiter ist unsere Beute.“

Noch nie war es dem Hauptmann schwerer gefallen die Fassung zu bewahren. Dennoch musste er zugeben, dass Fischer soeben den wegweisenden Hinweis erlangt hatte. Genau hier lag das Problem. Durch seinen Erfolg war Fischer unantastbar, denn dieser wog seine Vergehen auf. Würde er ihn jetzt töten, dann würde er den Rückhalt seiner Truppe verlieren. Dies würde zwar nicht sofort, aber schleichend geschehen. An Fischers Mimik konnte er erkennen, dass sich Fischer dieser Umstände bewusst war und darum den Moment auskostete. Mit mahlendem Unterkiefer wandte sich der Kommandant ab.

„Also gut Fischer, du hast deine Aufgabe erledigt. Wir reiten als nach Osten. Aufsitzen, Männer.“

Der Hauptmann drehte Fischer noch einmal den Kopf zu.

„Du bist hier aber noch nicht fertig. Lass die Leiche schnell verschwinden, aber so, dass man sie nicht allzu schnell findet. Verstanden?“

Fischer deutete höhnisch eine Verbeugung an und zerrte danach den Leichnam seines Opfer in den Wald. Die restlichen seiner Leute taten wie Ihnen geheißen wurde. Als sich seine Männer auf den Pferden befanden, bellte er weitere Befehle.

„Wir werden uns nun in Dreiergruppen aufteilen und fächern nach Osten hin auf. Es gelten dieselben Befehle wie bisher. Jäger!“

Der Soldat und ehemalige Gruppenkommandant der Gruppe Süden zuckte kaum merklich zusammen.

„Hier, Hauptmann.“

Mit seinen grünen Augen fixierte ihn der Hauptmann.

„Eine Tagesration ist für dich gestrichen. Du hast Fischer aus deiner Gruppe verloren. Das nächste Mal erwarte ich mehr Aufmerksamkeit, verstanden?“

Jägers Antwort fiel lakonisch aus.

„Jawohl, Hauptmann.“

Mittlerweile war Fischer zurückgekehrt und saß auf. Der Hauptmann hoffte, dass er die Leiche ordentlich versteckt hatte. Zum kontrollieren fehlte ihm die Zeit. Schließlich hatte der Reiter einen Vorsprung, den es aufzuholen galt.

„Gut, Gruppen bilden und aufbrechen.“

Im Augenwinkel konnte der Kommandant Fischer mit seinem selbstgefälligen Grinsen erkennen. Es hieß Ruhe zu bewahren. Seine Gelegenheit würde kommen. Schließlich war es nur eine Frage der Zeit bis zum nächsten Fehlverhalten. Fischer war ein wandelndes Risiko für ihre Aufgabe. Wenn es dann soweit war, würde er kurzen Prozess mit Fischer machen und dieses Mal wirklich.

Ein anderer Gedanke nagte an ihm. Der Bauer hatte vielleicht wirklich nichts von ihrer Zielperson gewusst, unter seiner Todesangst jedoch eine Antwort gegeben in der Hoffnung damit sein Leben retten zu können. Der Kommandant straffte sich. S oder so waren es die einzigen Informationen die ihnen zur Verfügung standen, und danach hatte er entschieden

Die Sonne hatte beinahe ihren Zenit erreicht und strahlte nun von einem wolkenlosen Himmel. Dem Befehl gehorchend, setzten sich die Männer in Bewegung und zersplitterten sich. Was zurückblieb waren einige Hufspuren vor einer Scheune, überzogen von einer Wolke aufgewirbelten Staubs.

Das Erwachen des Phoenix

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