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Flammentanz

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Das Wasser plätscherte und kräuselte sich sanft am Bug des Kahns. Es war kurz nach Mittag und Erif betrachtete gedankenversunken die Landschaft, wie sie langsam an ihm vorbeizog. Nachdem er am Morgen losgeritten war, hatte er gegen Mittag ein Dorf mit einer Anlegestelle am Revir erreicht. Zufällig hatte an diesem Tag ein alter Lastkahn angelegt und verlud das Korn des ansässigen Bauern. Später fand er heraus, dass der kleine Kahn das Korn der Flussdörfer kaufte und danach gesammelt an einen Händler verkaufte, welcher die Ware wiederum nach Latípac brachte um dort mit der Bäckerzunft ein Geschäft zu machen.

Auf die Frage hin ob noch ein Platz für ihn und sein Pferd Platz frei sei, hatte ihn der Kapitän freudig aufgenommen. Der Mann und seine drei Söhne waren meistens unter sich und schätzten die Gesellschaft eines Reisenden. Nebenbei hatte Erif auch durch die Finger blicken lassen, dass er Geld hatte um für den Transport zu bezahlen.

Für ihn war es eine günstige Gelegenheit. Einerseits wollte er seinem Fuchs eine Verschnaufpause gönnen und andererseits konnte er über Nacht an Bord bleiben. Somit brauchte er die Nacht nicht im Felde verbringen und müsste obendrein auch kein Lagerfeuer entzünden. Die Erscheinung der gewaltigen Stichflamme, welche er heraufbeschworen hatte um das letzte Feuer zu entzünden, saß ihm noch in den Knochen. Seine Feuersteine reichten nur leider nicht aus um die frischen Äste der Bäume in der Ebene in Brand zu stecken.

Erif hob seinen Kopf und blickte mit zusammengekniffenen Augen gegen die Sonne. Seltsamerweise blendete ihn das Licht des Himmelkörpers nicht. Eine weitere Sache über die er sich während seiner Reise noch den Kopf zerbrechen konnte. Er konnte sich bereits denken seit wann ihm das Sonnenlicht nichts mehr ausmachte.

Unter dem Himmel zogen nur hier und da ein paar Wolken gemächlich ihrer Wege. Ansonsten war es ein strahlend schöner Tag. Der Sommer schien mit gutem Wetter auszuklingen. Ein Schatten glitt über ihn hinweg. Einsam und verlassen zog ein Bussard am Himmel seine Kreise. Gelegentlich hallte sein Ruf hinab zu seinem Beobachter.

Seufzend senkte Erif den Kopf wieder. Er konnte es nicht erklären, aber Dribs Anwesenheit fehlte ihm tatsächlich. Es war wie die Zeit nach seiner Desertierung bei den Söldnern. Er reiste alleine und das ließ ihn manchmal leicht melancholisch werden. Dies war einer dieser Momente. Erif fühlte sich einsam. Gerne hätte er mit dem Feuerfalken über verschiedene Dinge gesprochen. Vermutlich hätte Drib viele seiner Fragen zurückgewiesen, aber es gab sicher auch einiges worüber sie sich unterhalten hätten können. Zum Beispiel wie die Feuerfalken lebten und was sie von den Menschen hielten.

Seine Gedanken schweiften zu Dneirf. Auch seine Gesellschaft vermisste er. Dneirf war immerhin sein einziger, wahrer Freund. Allerdings musste Erif auch zugeben, dass er nicht viele Menschen näher kannte. Ein Nachteil davon, immer auf Reisen zu sein, wenngleich auch seine Vergangenheit eine Rolle spielte. Erif schüttelte den Kopf und drängte schmerzhafte Erinnerungen in die dunkelsten Ecken seiner Gedanken. Ob Dneirf bereits im Söldnerlager war? Vielleicht war er auch wieder unterwegs um sich eines neuen Auftrages anzunehmen.

Ein Klaps auf die Schulter zerrte Erif aus seinen Gedanken. Der Kapitän gesellte sich zu ihm und lehnte sich neben Erif an die Reling. Sein weißgraues Haar umrahmte ein faltiges Gesicht, welches von Bartstoppeln derselben Farbe überzogen war. Der Mann war kleiner als Erif und trug einen kleinen Bauch vor sich her, der sorgsam unter seinem vergilbten weißen Hemd verborgen lag.

Wie Erif zuvor besah er sich des Himmels. Das Sonnenlicht zwang ihn dazu seine Augen mit der Hand abzuschirmen.

„Ah, was für ein wunderbarer Tag. Genau so wie er am Ende des Sommers sein sollte.“

Erif wusste nicht so recht was er darauf antworten sollte. Über das Wetter zu reden, fand er ziemlich trivial, also entschied er sich für ein zustimmendes Brummen. Der Kapitän deutete den Fluss hinauf.

„Morgen Nachmittag legen wir im nächsten Dorf an. Dann müsst Ihr leider gehen. Damit wir die nächste Ladung aufnehmen können, brauchen wir den Platz wo euer Pferd gerade steht.“

„Kein Problem. So war es ja abgemacht und kein Grund für diese übertriebene Höflichkeit. Ich bin schließlich kein Adeliger oder dergleichen.“

Lächelnd nickte der Kapitän. Der Kahn fuhr flussaufwärts. Um das zu bewerkstelligen bediente sich der Kapitän mehrerer Zugpferde, welche mit Seilen am Schiff befestigt waren. Sie liefen auf Treppelpfaden an den Ufern des Revir und zogen ihre Last beharrlich flussaufwärts. Das dies überhaupt möglich war, verdankten der Kapitän und seiner Söhne der schwachen Strömung des Flusses. Der Revir war ein zahmer Strom.

„Warum willst du eigentlich nach Latípac. Natürlich ist es eine schöne Stadt mit vielen Möglichkeiten, aber man erzählt sich, dass es nirgendwo sonst so viel Abschaum gibt. Du weißt schon, Mörder, Betrüger, Diebe und all sowas. Man sagt nur die Reichen und Adeligen finden ihr Glück in Latípac und sie erbauen es auf Kosten der Armen.“

Der alte Mann hatte nicht unrecht. Auch Erif hatte die Geschichten über das Elend in der Residenzstadt des Hochkönigs gehört. Doch es war für ihn trotzdem wichtig dorthin zu gelangen. Die Antworten auf all seine Fragen warteten in der Bibliothek von Latípac.

„Sagen wir ich suche etwas, dass ich nur in Latípac finden kann. Etwas, das mit Zauberei zu tun hat und mir seitdem Fragen aufgibt.“

Der Kapitän lehnte sich zu Erif hinüber. Seine Stimme nahm einen verschwörerischen Tonfall an.

„Und das wäre?“

Die Neugier stand dem Mann ins Gesicht geschrieben. Erif lächelte.

„Das möchte ich lieber für mich behalten. Wenn ich es dir sage, würdest du mich hier und jetzt für wahnsinnig erklären oder für einen Lügner. Es ist dennoch sehr wichtig für mich herauszufinden was dahinter steckt.“

Enttäuscht verzog der Kapitän seine Miene und ließ sich wieder zurück an die Reling.

„Na gut, dann eben nicht. Ich muss ja nicht alles wissen. Du hast von Zauberei gesprochen. Bist du denn einer dieser Wandermagier?“

Gerade als Erif verneinen wollte, stockte er. Ein Wandermagier, war ein Zauberer, der die Welt erkundete auf der Suche nach den Geheimnissen der Magie oder anderen einfacheren Dingen. Im Grunde genommen, traf das auf ihn zu. Er hatte zwar seine Ausbildung an der Magierakademie in Cigam nicht abgeschlossen, doch er glaubte nicht, dass ein Wandermagier einen Abschluss benötigte. Wandermagier wurden schließlich als das unterste Glied in der Gesellschaft der Magier angesehen.

„Ich glaube ich bin etwas in der Art, ja.“

Begeistert klatschte der Kapitän in die Hände. In diesem Augenblick kam ihm der alte Mann ganz wie ein kleiner Junge vor.

„Wirklich? Ich habe noch nie einen waschechten Zauberer zu Gesicht bekommen. Kannst du uns einen kleinen Zauber vorführen?“

Erif wurde kreidebleich. Er wollte nicht zaubern. Seine magischen Kräfte waren in einem Zustand in welchem er sie nicht kontrollieren konnte. Was wenn er den Kahn mitsamt den Leuten auf ihnen in Asche verwandelte. Das Bild der brennenden Räuberbande blitzte in seinen Gedanken auf. Großartig. Genau das hatte er jetzt gebraucht.

„Nein…weißt du…ich fühle mich heute nicht so gut. Außerdem bin ich ein schlechter Magier.“

Einen elenderen Versuch sich aus seiner Lage herauszureden, hätte er wohl nicht starten können. Die überschwängliche Freude des Kapitäns schien er damit jedenfalls nicht eingedämmt zu haben.

„Bitte, es muss ja nichts großes sein, nur ein kleiner Trick. Vielleicht einen Strauch wachsen lassen oder eine Wolke machen. Weißt du, als kleiner Junge wollte ich auch immer Zaubern lernen. Ich hatte jedoch nie die Chance dazu. Hey, Jungs. Kommt mal her. Unser Freund hier will uns einen kleinen Zaubertrick vorführen.“

Der alte Kapitän winkte seine drei Söhne heran, welche verschiedene Arbeiten am Kahn erledigten. Mit ähnlicher Begeisterung wie ihr Vater stürmten sie heran. Begierig dem Schauspiel beizuwohnen. Na toll. Da kam er nicht mehr heraus. Die Kinder hatten alle braunes Haar und glichen in ihren Gesichtszügen stark ihrem Vater. Nicht mehr allzu lange und sie würden das Mannesalter erreichen…wenn er keinen Fehler machte.

Erif schluckte. Er musste dafür sorgen nur einen kleinen Teil seiner Energie einzusetzen. Allerdings war bei seiner derzeitigen magischen Verfassung auch schon ein kleiner Teil seiner Kraft in der Lage das Schiff zu verwüsten.

„Gut, kommt her.“

Zur Sicherheit streckte er die Hände mit der Handfläche nach oben Richtung Fluss hinaus. Ob es im Ernstfall etwas bringen würde, wusste er nicht. Konzentriert versuchte Erif seine Zweifel beiseite zu wischen und griff nach seiner Magie. Sofort spürte er die Energien durch seinen Körper stürmen. Es war ein berauschendes Gefühl, doch er durfte nicht den Fokus verlieren. Bedächtig verringerte er die Menge an Magie und konzentrierte sich auf den Zauber. Er wollte versuchen eine kleine Energiekugel zwischen seinen Händen leuchten zu lassen. Gebannt starrten seine vier Zuschauer auf seine Hände. Plötzlich bildete sich ein kleiner feuriger Funken zwischen seinen Händen. Er hielt den Atem an. Sofort zog Erif alle Energie aus dem Zauber. Der Funke verlosch. Es herrschte Stille. Eine Lichtkugel hätte es werden sollen, kein Feuerfunke.

Einer der Jungen wurde ungeduldig.

„War das schon alles?“

Der Kapitän hob beschwichtigend die Hände.

„Nein, nein, da kommt sicher noch mehr. Lasst ihn sich konzentrieren, Jungs.“

Mit einem tiefen Luftzug begann Erif erneut. Doch statt der leuchtenden Kugel entstand erneut der Funke. Er mühte sich ab den Funken in eine strahlende Kugel zu transformieren. Doch Stattdessen formte sich der Funke zu einer kleinen Flamme. Sie begann zu tanzen. Ein weiterer Funke entstand und schon bald hatte auch er sich in eine kleine Flamme verwandelt, die munter in den Tanz einstimmte.

Verblüfft betrachtete Erif das Schauspiel, welches er gerade erschuf. Den Kapitän und seine drei Kinder hatte er ausgeblendet. Ein weiterer Funken kämpfte darum zu entstehen und Erif leitete ihm gezielt Energie zu und formte ihn mit seinen Gedanken. Er fühlte sich als wäre er im Einklang mit seinen magischen Energien. Sein Geist war klar und erfüllt von der Schönheit des Feuers und der Magie selbst.

Ein weiterer Funke entstand, dann ein weiterer und noch einer. Immer mehr Funken ließ er entstehen und bildete sie zu kleinen, wundervollen Flammen. Die Flammen tanzten in harmonischem, wunderbarem Einklang und hatten schon längst den Bereich zwischen Erifs Händen verlassen. Sie drehten sich, kreisten um einander, bewegten sich manchmal langsam, manchmal wieder impulsiv und schnell. Die kleinen Tänzer wirkten wie lebendige Wesen.

Staunend beobachteten die vier Zuschauer den Tanz der Flammen. Mittlerweile hatte Erif aufgehört weitere Funken zu erschaffen, da ohnehin die Anzahl an Flammen beinahe unüberschaubar für sein Auge war. Doch er hatte zu jeder der kleinen Flammen ein geistiges Band geknüpft. Er brauchte sie nicht zu sehen, er fühlte sie. Nach einer Weile beschloss er, dass es genug war. Sein reiner Wille löste das Muster der Flammen und führte sie zu einem großen Feuerball zusammen. Kreiselnd dirigierte Erif den feurigen Ball unter Einsatz seiner Hände und seines Willens zum Himmel hinauf wo er am Ende einfach verpuffte.

Als er die Hände sinken ließ, fühlte er sich tief entspannt. Kurz überprüfte er seinen Vorrat an magischer Energie. Das kleine Spektakel hatte ihn kaum Kraft gekostet. Das überraschte ihn kaum, angesichts der Schlichtheit des Zaubers. Was ihn dagegen verwunderte war, dass er das Feuer zum Teil mit seinen Gedanken anstatt mit Laut oder Geste gesteuert hatte. Ein Blick zur Seite bot ihm ein äußerst erheiterndes Bild. Der Kapitän und seine Söhne starrten gemeinsam und mit offenem Mund in den Himmel.

„DAS war es.“

Die Vier begannen begeistert zu applaudieren. Nachdem der Kapitän den Beifall für genug empfand, scheuchte er seine Söhne wieder an die Arbeit. Erif atmete tief durch und dankte den Göttern, dass er bei dem Schauspiel nicht das Schiff abgefackelt hatte. Nachdenklich ließ er den Blick über das Wasser des Revirs sinken. Diese Harmonie und der Einklang mit seinen magischen Kräften waren neu für Erif. Er hatte das Gefühl gehabt, als kontrollierte er alles ohne die Magie zu zwingen und als würden ihm zahlreiche Möglichkeiten offenstehen seine Energien einzusetzen. Sie waren wie fest verschlossene Türen, bei denen er durch das Schlüsselloch gespäht hatte. Er fühlte, dass er sie öffnen konnte. Die Frage war nur wie. Seine Gedanken schweiften zurück zu den Schreien der Banditenhorde. Ihm fröstelte. Vielleicht sollten diese Türen besser versperrt bleiben.

Seufzend richtete er den Blick zum Himmel. Die Sonne neigte sich dem Horizont zu und tauchte den Himmel in ein abendliches Orange. Trotz dem Flammentanz, den er soeben gewoben hatte, traute er seinen Fähigkeiten nicht. Nach wie vor würde er für die nächste Zeit versuchen ohne Magie auszukommen. Sein Beschluss stand fest. Erst nachdem er den geheimnisvollen Schleier, welcher den Phönix umgab, lichten konnte, würde er wissen, was mit ihm geschehen war. Davon war er fest überzeugt.

Wieder riss ihn der Kapitän mit einem Klaps auf die Schulter aus seinen Gedanken.

„Na das nenn ich ja mal eine Vorstellung. Sowas sieht man nicht alle Tage. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich etwas neidisch bin. Weißt du, als Kind wollte ich auch unbedingt Zauberer werden, aber meine Eltern konnten es sich nicht leisten, mich auf eine Magierschule zu schicken. Außerdem musste ich schon als Kind auf unserem Hof arbeiten. Ich kann froh sein überhaupt schreiben gelernt zu haben. Mein Vater konnte das nämlich nicht. Auch meine Mutter hat da ein paar Schwierigkeiten damit gehabt…“

Erif nickte höflich und unterbrach den Kapitän selten. Der Mann hatte bei ihrem ersten Treffen bereits angedeutet nicht viel Gesellschaft zu Gesicht zu bekommen. Während der Kapitän seine gesamte Lebensgeschichte vor Erif ausbreitete, senkte sich langsam die Nacht über das Land. Die Kinder des Kapitäns hatten Laternen auf dem kleinen Deck entzündet und trugen Höcker und einen kleinen Holztisch aus dem Laderaum. Der Kapitän bedeute Erif sich zu setzen, ohne sich dabei in seinem Redefluss stören zu lassen.

Langsam wurde es mühsam dem alten Mann zu folgen. Immer wieder schweiften Erifs Gedanken ab. In der Zwischenzeit richteten die Söhne das Abendmahl an. Sie verteilten runde Bretter und kleine Messer auf dem Tisch und platzierten in der Mitte des Tisches, ebenfalls auf einem Holzbrett, einen Berg an Essen. Erif lief das Wasser im Munde zusammen. Sowie der Geruch des Essens in seine Nase stieg, begann sich der Hunger zu melden. Auf dem Brett lagen Brote, verschiedene Käse- und Wurstsorten, Gemüse, als auch herrlich duftendes Fleisch. Der Kapitän grinste.

„Na los, haut rein.“

Alle langten fast gleichzeitig nach den Speisen. Es stellte sich eine angenehme Ruhe ein, welche nur vom gelegentlichen Schmatzen seiner Gastgeber durchbrochen wurde. Erif störte sich nicht daran und machte sich genüsslich über das Essen her. Nachdem der schlimmste Hunger besänftigt war, wurden neue Gespräche geführt. Diesmal redeten auch die drei Söhne des Kapitäns mit. Vor allem interessierten sie sich für Erifs Leben und wo er gelernt hatte zu Zaubern. Bereitwillig beantwortete Erif ihre Frage, wobei er jedoch alle Ereignisse, welche mit dem Phönix in Verbindung standen oder ihm besonders unangenehm waren, verschwieg. Manche Dinge sollte man besser für sich behalten. Am Ende hätten sie ihm vielleicht ohnehin nicht geglaubt. Schließlich hatte nicht einmal er von ähnlichen Wesen in der heutigen Zeit gehört.

Als sie mit dem Essen fertig waren und noch eine ganze Weile über die verschiedensten Dinge des Lebens geredet hatten, begann sich die Müdigkeit unter der Gruppe bemerkbar zu machen. Einer der Söhne führte Erif unter Deck in den Laderaum und wies ihm den Weg zu seinem Nachtquartier. Erifs Schlafplatz war wenig beeindruckend. Er bestand aus einem Haufen Stroh und einer Decke. Für ihn war es jedoch ausreichend. Er hatte schon so oft auf Stroh oder Erde geschlafen, dass er sich fast schon daran gewöhnt hatte. Gähnend verabschiedete sich der Kapitänssohn und hinterließ Erif noch eine kleine Laterne. Nahe seiner Schlafstätte waren die Boxen aufgebaut. Sein alter Hengst schnaubte freudig als er ihn erkannte.

Erif schlenderte mit einem lauten Gähnen zu seinem Gaul hinüber. Der Kapitänssohn musste ihn wohl angesteckt haben. Er tätschelte den Kopf des Tieres und fuhr ihm durch die Mähne. Der Fuchs blähte entspannt seine Nüstern. Die Kerze in der Laterne warf tanzende Schatten an die Wände des kleinen Laderaumes. Das Korn war bis zur Decke des Laderaumes aufgestapelt. Nur noch wenig Platz war für Erif und sein Pferd übrig. Das dämmrige Licht der kleinen Laterne gab Erif den Rest.

Müde schritt er zu seinem Strohhaufen und legte sich zur Ruhe. Bevor er einschlief, schaffte er es noch die Kerze in der Laterne auszublasen. Bei dem Geruch des Strohs fühlte er sich an die Zeit in der Scheune mit Dneirf erinnert. Dann holte ihn der Schlaf.

Die Nacht verlief traumlos für Erif. Als er am nächsten Morgen das Deck wieder betrat, herrschte schon reges Treiben. Die Sonne stand bereits am wolkenlosen Himmel. Seine Gastgeber widmeten sich voll und ganz ihren Arbeiten. Der Kapitän besserte gerade ein Stück an der Reling aus, als er Erif bemerkte. Mit einem strahlenden Lächeln winkte er Erif heran und deutete auf den kleinen Tisch, der noch vom Vorabend an Deck stand.

„Morgen. Wenn du Hunger hast, dann bedien dich. Wir haben dir noch was übrig gelassen.“

Erif bedankte sich und ging zu Tisch. Das Frühstück bestand im Grunde aus den Resten der Nacht davor. Ob sie das Essen wohl über Nacht an Deck gelassen hatten? Zögerlich kostete Erif ein Stück Käse und biss in das Brot. Das Brot war hart, doch der Käse schmeckte nach wie vor vorzüglich. Wenn kümmerte es schon, ob die Speisen die Nacht an Deck verbracht hatten. Da ihm das Essen vom Vortag noch im Bauch lag, fiel das Frühstück eher bescheiden aus.

Nachdem er mit dem Essen fertig war, gesellte er sich zum Kapitän. Der Mann hämmerte Nägel in die Reling.

„Und? Wie war die Nacht.“

„Ich kann mich nicht beklagen.“

Der Kapitän hob den Blick und ließ ihn den Flussverlauf entlang schweifen. Das nächste Dorf kam in Sicht. Die Siedlung war größer, als die jene, die Erif bisher passiert hatte. Erif konnte in der Ferne die Bauern auf ihren Feldern arbeiten sehen. Es schien als würden sie den letzten Rest der Ernte einholen.

„Bald kommen wir in die nächste Stadt. Dann brauche ich auch das letzte bisschen Platz im Laderaum.“

Erif nickte. Das hieß für ihn sich wieder in den Sattel zu schwingen. Den Rest seiner Reise würde er zu Pferde hinter sich bringen.

„Tut mir ja leid, ich hätte dich gerne noch ein Stück mitgenommen, aber so wars abgemacht.“

Erif winkte ab.

„Abgemacht ist abgemacht. Ich würde euch gerne etwas für die Mühen geben, die ich euch bereitet habe. Womit wärst du denn einverstanden?“

Der Kapitän schüttelte den Kopf.

„Danke, aber deine Gesellschaft hat uns sehr gefreut und war Lohn genug. Natürlich leisten meine Söhne und ich uns hier auch gegenseitig Gesellschaft, aber wenn man solange zusammenlebt, weiß man irgendwann nicht mehr worüber man reden soll.“

Erif war dankbar für die Großzügigkeit des alten Mannes, doch er hatte auch ein schlechtes Gewissen. Er mochte das Gefühl nicht andere ausgenutzt zu haben.

„Bist du sicher? Das Essen war gut und die Nacht war angenehm. Ich würde euch wirklich gerne etwas geben.“

Wieder schüttelte der Kapitän den Kopf.

„Nein, ist wirklich nicht nötig. Außerdem,“ fügte der Mann mit einem Augenzwinkern hinzu,“ hatten wir das Glück in den Genuss deiner Zauberei zu kommen. Das werden wir so schnell nicht vergessen.“

Der Kapitän hielt mit dem Hämmern inne und richtete das Werkzeug auf Erif.

„Also müssten wir eigentlich dir etwas dafür bezahlen. Sowas sieht man schließlich nicht alle Tage.“

Erif fühlte sich geschmeichelt. Er mochte es wenn er anderen eine Freude bereiten konnte, selbst wenn er die tanzenden Flammen nur auf das Drängen seiner Gastgeber erschaffen hatte.

„Na gut, sagen wir die Schuld ist beglichen.“

Grinsend nickte der Kapitän.

„Genau so sehe ich es auch.“

Der Mann widmete sich wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Erif ging zum Bug des Kahns um sich die ferne Stadt etwas genauer anzusehen. Hinter ihm wurde das Gehämmer von einem lauten Fluchen unterbrochen.

„Autsch, verflixt, du elendes…“

Der Kapitän hatte wohl diesmal einen Fingernagel erwischt.

Gegen Mittag liefen sie in der Stadt ein. Die Bauern warteten bereits mit ihren Knechten und den mit Korn vollbeladenen Karren auf dem einzigen Anlegesteg der Siedlung. Erif fragt ob er noch kurz bleiben sollte um zu helfen, doch der Kapitän und seine Söhne verneinten. Schließlich verabschiedeten sie sich und Erif ging mit seinem Pferd von Bord. Er frischte noch seinen Reiseproviant auf und verspeiste in der örtlichen Taverne eine Kleinigkeit zu Mittag bevor er aufbrach.

Das Erwachen des Phoenix

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