Читать книгу Das Erwachen des Phoenix - Harald März - Страница 33
Die letzte Etappe
ОглавлениеDer kalte Wind wehte Erif um die Nase und schlug einmal mehr die Kapuze seines neuen Reisemantels nach hinten. Genervt zog er sie wieder über den Kopf. Es war später Morgen und er war bereits eine Weile auf dem Weg. Aufgewacht war er als es noch dunkel war. Seine Neugier und Aufregung hatten das Weiterschlafen unmöglich gemacht. Nachdem er sich dann dutzende Male in seinem Bett herumgewälzt hatte, hatte er eingesehen, dass es keinen Sinn machte.
Bevor er aufgebrochen war, hatte er noch neuen Proviant und all die anderen Dinge wiederbeschaffen müssen, welche in der Satteltasche seines Hengstes gewesen waren. Erif hatte Glück gehabt. Er hätte beinahe nicht zu hoffen gewagt in diesem kleinen Bauerndorf einen Laden zu finden. Doch gleich hinter dem Gasthof war er fündig geworden.
Auf ein neues Pferd hatte er allerdings verzichten müssen. Er hatte vorgehabt seinen Hengst in Latípac wieder zu verkaufen und sich somit etwas vom Kaufpreis zurückzuholen. Das konnte er nun getrost vergessen. Für ein neues Pferd hätte er zwar genug aufbringen können, doch dann wäre er auf dem Trockenen gesessen. Außerdem benötigte er ohnehin kein Pferd in der Residenzstadt des Hochkönigs.
So kam es, dass Erif nun zu Fuß und mit einem Beutel auf dem Rücken durch den kalten Wind in Richtung Latípac stapfte. Ein unappetitliches Schmatzen begleitete jeden seiner Schritte. Der andauernde Regen der letzten Tage hatte den Boden aufgeweicht und den Weg in die Hauptstadt zu Matsch werden lassen. Das machte das Vorankommen einigermaßen beschwerlich. Am Morgen war es noch erträglich gewesen. Die letzten Herbstnächte waren allesamt ziemlich kalt ausgefallen, was den Boden Gefroren und damit begehbar gemacht hatte. Das dies nicht den ganzen Tag anhalten würde, hatte er vorhergesehen.
Auch mit dem Wind hatte Erif gerechnet. Das gesamte Gebiet um Latípac war gerodet worden um für Ackerfläche Platz zu schaffen. Hinzu kam, dass das Umland vollkommen flach war. Nur an wenigen Stellen gab es leichte Hügel. Das führte speziell im Herbst und Winter dazu, dass starke Winde dieses Land heimsuchten. Wie die Bauern ihre Ernte vor den Stürmen schützten, war Erif ein Rätsel.
Wenigstens verhinderte der Wind das Aufkommen von Nebel. So hatte Erif immer einen guten Blick auf Latípac. Die Stadt war wahrlich von gigantischem Ausmaß. Und sie war nicht mehr fern. Er konnte sogar bereits die Tore der mächtigen Stadtmauer erkennen. Vor Einbruch der Nacht würde er die Stadt erreichen.
Hinter der grauen, mit Zinnen und Wachtürmen bewehrten Stadtmauer lag das Innere der Stadt. Die dicke Stadtmauer selbst hatte, trotz Unterstützung von Magiern und namhaften Baumeistern, Jahre gebraucht, bevor sie fertiggestellt worden war. Die alte Stadtmauer, welche bei einem Wachstum der Stadt immer wieder an verschiedenen Stellen umgebaut und erweitert worden war, hatte einem einzigen, riesigen Ring aus grauem Stein weichen müssen.
Um dies zu bewerkstelligen, war das gesamte Material der alten Stadtmauer wiederverwendet worden. Doch das hatte nicht ansatzweise gereicht. Erif hatte vor Jahren eine Geschichte gehört, wonach nahe von Latípac ein kleiner Berg gestanden haben soll. Der Geschichte nach, hatte der damalige Hochkönig den Berg vollständig abtragen lassen und daraus die Stadtmauer geschaffen. Obendrein hatte er per Gesetz verboten die Stadtmauer anzutasten, was somit einer Begrenzung des Platzes für die Stadt gleichkam. Dadurch sollte sich die Residenzstadt leichter vor feindlichen Angriffen schützen können.
Das hatte dazu geführt, dass innerhalb kurzer Zeit der gesamte Platz innerhalb der Mauern verbaut worden war. Je näher man dem Zentrum kam, desto höher und glamouröser wurden die Gebäude. Bauplatz war hier teuer, denn jeder wollte dem Residenzpalast des Hochkönigs so nahe wie möglich sein. Prestige war eine wichtige Angelegenheit und so schufen sich die Privilegierten ihre eigenen kleinen und ausgefallenen Paläste. Allerdings war dieser Luxus nur jenen vergönnt, die auch das notwendige Gold dazu hatten. Folglich fanden sich im Zentrum die Behausungen der Adeligen und erfolgreichen Kaufmänner. Die Mittel- und Unterschicht wurde an den Rand der Stadt gedrängt. Diese Manifestation des Gefälles zwischen arm und reich, war ein idealer Nährboden für Verbrechen jeglicher Art. Vor allem die äußeren Bezirke hatten den Ruf täglich Schauplatz von Kriminalität zu sein und das trotz der strengen Strafen.
Der Schlusspunkt der Stadt lag jedoch vor den Mauern. Erif konnte auch sie bereits sehen, die aus altem Holz und Stroh notdürftig zusammengezimmerten Baracken. Dies waren die Elendsviertel von Latípac. Hier hausten all die Menschen, welche vom Lande zur Hauptstadt gezogen waren und nun nicht die Mittel hatten um ein Haus im Inneren der Mauer zu erstehen oder sich in ein Zinshaus einzumieten. Das machte sie gezwungenermaßen zu Bettlern und Tagelöhnern. Die Arbeit, welche sie sich von der Nähe zur Stadt erhofft hatten, fanden die wenigsten.
Der Hochkönig ließ die Armensiedlungen regelmäßig räumen und zerstören. Doch die Bewohner zeigten sich hartnäckig und bauten jedes Mal erneut ihre behelfsmäßigen Behausungen vor der grauen Stadtmauer auf.
Erif taten diese traurigen Gestalten leid. Er selbst wusste nur zu gut, was es bedeutete nichts zu essen zu haben und sich jeden Tag aufs Neue zu fragen wie man überleben sollte. Tagtäglich hatte er sich nach seiner Desertierung dieser Frage stellen müssen. Bis zu der verhängnisvollen Nacht in welcher der Phönix freigelassen wurde. Nur einem glücklichen Zufall verdankte er es, dass sein Freund Dneirf ihn gefunden und gesund gepflegt hatte. Von der Güte seines Freundes ganz zu schweigen. Erif mochte sich gar nicht vorzustellen, dass in diesen Behausungen ganze Familien um ihr tägliches Überleben kämpften. Es war ungerecht. Er konnte nicht verstehen, warum der Hochkönig nichts unternahm um diesen Menschen, seinen Untertanen, zu helfen. Ein guter König sollte vor allem für die Schwächsten seines Reiches da sein. Das war jedenfalls Erifs Meinung.
Ein Regentropfen klatschte auf seine Nase und riss ihn aus seinen Gedanken. Das kalte Wasser machte ihm eine Gänsehaut. Mit nach unten gezogenen Mundwinkeln hob er seinen Blick von der Stadt zum wolkenverhangenen Himmel. Wie aus dem Nichts begann es sturzflutartig zu regnen. Das Wetter musste ihn wirklich hassen.
Ein Geräusch erregte Erifs Aufmerksamkeit. Es war ein leises Trommeln. Sein Blick fiel wieder auf die Häuser von Latípac und diesmal auf die mit roten Schindeln gedeckten Dächer. Vor Jahrzehnten hatte ein Großbrand mehr als die halbe Stadt in Asche verwandelt. An diesem Tag war ein weiteres Gesetz verabschiedet worden. Dächer aus Stroh waren fortan bei Strafe verboten. Feuerfeste Materialien waren Pflicht.
Vielleicht bildete Erif es sich nur ein, doch er glaubte die Regentropfen leise auf den Dächern von Latípac trommeln zu hören. Das Geräusch spornte Erif an. Er beschleunigte seine Schritte soweit es ihm ohne im Schlamm auszurutschen möglich war. Seine Hand griff beiläufig zu seiner Kapuze, welche gerade im Begriff gewesen war von einer weiteren Windböe zurückgeschlagen zu werden. Er hatte sein Ziel fest im Visier und nun glaubte er auch die Kuppel des hochköniglichen Palastes sehen zu können. Der größte Teil seiner Reise lag hinter ihm. Bald hatte er es geschafft.