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1. Schuldverhältnis im engeren und im weiteren Sinn

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Wenn § 241 Abs. 1 S. 1 von der Berechtigung des Gläubigers spricht, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern, so nimmt die Norm ebenso wie § 194 Abs. 1 eine spezifische Rechtsposition in den Blick, nämlich den Anspruch des Gläubigers. Mit ihm korreliert die Pflicht des Schuldners, die jeweilige Leistung zu erbringen. Dieser Anspruch und die mit ihm korrelierende Pflicht werden auch als Schuldverhältnis im engeren Sinn bezeichnet.[6]

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Der Begriff des Schuldverhältnisses kann jedoch auch in einem weitergehenden Sinn verwendet werden, der über Anspruch und Pflicht iSd §§ 241 Abs. 1 S. 1 und 194 Abs. 1 hinausgeht: Weder § 241 Abs. 1 S. 1 noch § 194 Abs. 1 bezeichnen weitere Rechte und Pflichten, die sich aus der engen Beziehung von Schuldner und Gläubiger ergeben können. Auf sie weist aber schon § 241 Abs. 2 hin, wonach das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten kann (Schutzpflichten). Wer einen Maler damit beauftragt, die Wand eines Zimmers zu streichen, hat einen Anspruch gegen den Maler, dass er ebendies tut. Aber er hat gem. § 241 Abs. 2 auch ein ganzes Bündel weiterer Rechte: Darauf, dass der Maler die Einrichtungsgegenstände des Zimmers nicht beschädigt oder dass er keine Wertgegenstände klaut und so fort. Der Maler kann auch zur Aufklärung bzgl etwaiger Gesundheitsgefahren verpflichtet sein, die beispielsweise aus dem Einsatz bestimmter Lacke resultieren können.

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Mit dem Schuldverhältnis im weiteren Sinn ist das gesamte komplexe Bündel rechtlicher Relationen gemeint, das aus der konkreten engeren Beziehung zwischen (paradigmatisch) zwei Personen resultiert.

Dazu gehören die von § 241 Abs. 1 S. 1 in den Blick genommenen Forderungsrechte (und die mit ihnen korrelierenden Pflichten), aber dazu gehören vor allem auch die in § 241 Abs. 2 beschriebenen Schutzpflichten. Letztere können auch schon im Vorfeld eines Schuldverhältnisses bestehen (vgl § 311 Abs. 2) und sie enden nicht, wenn die Leistungspflicht iSd § 241 Abs. 1 S. 1 erloschen ist. Beispielsweise kann der Verkäufer eines Backofens gem. § 241 Abs. 2 verpflichtet sein, für eine gewisse Zeit Ersatzteile vorrätig zu halten. Die konkrete Zeitspanne, für die der Verkäufer verpflichtet ist, hängt vom jeweiligen Produkt und seiner üblichen Lebensdauer ab.[7] Er kann auch zur Warnung oder zum Rückruf verpflichtet sein,[8] etwa, wenn er nach der Erfüllung Kenntnis davon erlangt, dass ein Dauerbetrieb des Backofens für mehrere Stunden mit einer erheblichen Explosionsgefahr einhergeht. Relevant ist das vor allem bei technischen oder auch chemischen Produkten.[9] Typische Anwendungsfälle sind etwa Produktbeobachtungspflichten von KFZ-Herstellern.[10]

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Das BGB verwendet den Begriff „Schuldverhältnis“ je nach Regelungskontext sowohl mit der Bedeutung „Schuldverhältnis im weiteren Sinn“ als auch in der Bedeutung von „Schuldverhältnis im engeren Sinn“. Welche Bedeutung vorliegt, ergibt sich im Wege der Auslegung, wobei der jeweilige Regelungsgegenstand und -kontext meist problemlos weiterhelfen. So meint § 362 Abs. 1 nicht das Schuldverhältnis im weiteren Sinne, sondern bloß das Schuldverhältnis im engeren Sinne, wenn er davon spricht, dass das „Schuldverhältnis erlischt, wenn die geschuldete Leistung an den Gläubiger bewirkt wird.“ Andernfalls ließe sich nicht begründen, weshalb es nachwirkende Nebenpflichten und Schutzpflichten (wie etwa zum Produktrückruf oder zur Bereithaltung von Ersatzteilen) auch noch nach Erfüllung gibt. Demgegenüber ist beispielsweise in § 311 Abs. 1 vom Schuldverhältnis im weiteren Sinne die Rede, wenn der Vertrag als regelmäßiges Erfordernis für die Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft bezeichnet wird.

BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil

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