Читать книгу BGB-Schuldrecht Allgemeiner Teil - Harm Peter Westermann - Страница 54
c) Abgrenzung und Folgefragen anhand der Beispielsfälle
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Die Abgrenzung und einige Folgefragen lassen sich anhand von Fall 5 veranschaulichen: Der Regressanspruch der Gebäudeversicherung besteht nur dann, wenn Nachbar N Hauseigentümer E zum Schadensersatz verpflichtet ist. Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch wäre auf § 280 Abs. 1 zu stützen. Allerdings fehlt es schon an einem Schuldverhältnis (hier wohl denkbar in Form eines Auftrags iSd § 662) zwischen E und N. Ihrer Natur nach entspricht die Gartenbewässerung unter Nachbarn sozial üblichen Gefälligkeiten, bei denen es der Interessenlage am ehesten entspricht, kein umfassendes Pflichtenprogramm iSd § 241 anzunehmen. N haftet allerdings aus § 823 Abs. 1. N hat den Tatbestand des § 823 Abs. 1 erfüllt, insbesondere handelte er fahrlässig. Gesetzliche Haftungsbeschränkungen (wie in §§ 521, 599 oder 690 normiert) sind auf die deliktische Haftung bei unentgeltlicher Nachbarschaftshilfe nicht anwendbar, der BGH lehnt insoweit auch eine Analogie ab.[34] In Betracht kommt ein konkludent vereinbarter bzw im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung konstruierter Haftungsausschluss. Dafür ist die Antwort auf folgende hypothetische Frage entscheidend: Hätte E billigerweise zustimmen müssen, wenn N vorab einen Haftungsverzicht gefordert hätte? Der BGH verneint die Frage: Regelmäßig würde der Geschädigte nicht zustimmen, wenn der Schädiger (also hier N) haftpflichtversichert ist. Denn die Entlastung des Haftpflichtversicherers entspreche in der Regel nicht dem Willen der Beteiligten. Davon will der BGH auch bei alltäglichen unentgeltlichen Gefälligkeiten unter Nachbarn nicht abrücken.[35]
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Dieselben Abgrenzungsfragen stellen sich in Fall 6. Auch hier ist eine vertragliche Haftung aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283[36] nur möglich, wenn C gegenüber A und B eine rechtlich bindende Verpflichtung dahingehend übernommen hat, die Lottoscheine in der verabredeten Weise auszufüllen und bei der Annahmestelle einzureichen. Es könnte ein unentgeltlicher Auftrag iSd § 662[37] vorliegen. Das setzt voraus, dass der Abrede ein Rechtsbindungswille zugrunde liegt. Das ist durch Auslegung analog §§ 133, 157 zu ermitteln. Maßgeblich sind dabei die konkreten Einzelfallumstände, die Natur des Geschäfts, die wirtschaftliche Bedeutung der Tätigkeit und die Risiken, die mit ihr verbunden sind. Die Gefahr, dass der beauftragte Spieler gegen die Abrede verstößt, ist hoch: Man kann das Ausfüllen der Lottoscheine wegen anderweitiger Verpflichtungen vergessen oder versehentlich falsche Zahlen ankreuzen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es dadurch zu einem erheblichen Schaden kommt, ist allerdings statistisch gering, weil nur wenige Lottoscheine gewinnen. Wenn jedoch ein solcher Schaden tatsächlich eintritt, kann die Schadenshöhe außergewöhnlich hoch sein und die wirtschaftliche Existenz des beauftragten Spielers gefährden.[38] Deshalb ist mit dem BGH kein Rechtsbindungswille anzunehmen. Es liegt eine bloße Gefälligkeit vor. Ein vertraglicher Schadensersatzanspruch scheidet mangels Schuldverhältnis aus. Auch deliktische Schadensersatzansprüche sind nicht gegeben, weil ein von § 823 Abs. 1 nicht erfasster reiner Vermögensschaden vorliegt. Die Voraussetzungen des § 826 liegen ebenso wenig vor wie die Verletzung eines Schutzgesetzes iSd § 823 Abs. 2.
Freilich kann man mit entsprechender Argumentation auch annehmen, dass der Rechtsbindungswille vorliegt. Hierfür wird teilweise angeführt, dass bei einer entsprechenden ausdrücklichen Erklärung des C, bei Verlust oder Nichtabgabe des Lottoscheins keinesfalls haften zu wollen, A und B ihm den Lottoschein nicht anvertraut hätten. Zudem nimmt ein Lottospieler gerade um der Chance auf den Gewinn willen am Spiel teil.[39] Bejaht man den Rechtsbindungswillen, stellt sich anschließend wiederum die Frage nach dem Haftungsmaßstab. Wie in Fall 5 erläutert, lehnen Rechtsprechung und hM eine Analogie der gesetzlichen Haftungserleichterungen im Falle eines unentgeltlichen Auftrags ab. In Betracht kommt jedoch ein konkludent vereinbarter Haftungsausschluss, der insbesondere auf Grund der geschilderten erhöhten Gefahren des abredewidrigen Verhaltens sowie der drohenden Schadenshöhe naheliegend ist.[40]