Читать книгу Ein Mal noch! - Harry Flatt-Heckert - Страница 10
Achtes Kapitel
ОглавлениеIch bemerkte nicht, dass Sarah ins Zimmer kam. Sie hatte wohl lange überlegt, ob sie das überhaupt machen konnte, oder ob sie mich jetzt einfach in Ruhe lassen sollte. Musste. Sie wusste, dass sie mir im Moment wahrscheinlich nicht würde helfen können, befürchtete auch, dass ich ihre Nähe jetzt vielleicht gar nicht haben wollte. Aber sie brauchte meine Hilfe, sie brauchte meine Nähe. Sie hielt es nicht mehr aus. Sie ging leise zur Tür des Arbeitszimmers, in dem immer noch Albinonis Adagio in einer Endlosschleife vor sich hin weinte, zögerte noch einen Moment, fasste sich ein Herz und öffnete vorsichtig die Tür. Ganz leise trat sie ein. Sie schloss die Tür genauso leise hinter sich, wie sie sie geöffnet hatte und dann stand sie da in meinem Arbeitszimmer. Ich lag auf dem Teppich. Albinoni hatte mich zu Boden gestreckt. Sie sah mich an. Sie spürte einen gewaltigen Stich im Herzen und es war ihr, als müsse sie an diesem Anblick selbst zugrunde gehen.
Erst als sie sich neben mich auf den Boden setzte, und mir ihre Hand auf die Schulter legte, nahm ich sie wahr. Ich zuckte zusammen, holte erschreckt Luft, blieb aber liegen. Sarah streichelte mich sanft. Ich atmete schwer. Meine Augen waren geschlossen. „Mark.“ Sarah versuchte ganz sanft, mich anzusprechen. „Mark…, Schatz…, bitte…“ Ich seufzte tief. „Bitte…, lass mich.“ Ich versuchte, mich noch kleiner zu machen, zog die Knie noch weiter an. Sarah saß schweigend neben mir. Nach einer gefühlten Ewigkeit flüsterte ich: „Bitte, lass mich. Ich will allein sein.“ Sie beugte sich über mich, streichelte meinen Kopf und sagte: „Ich weiß..., ich weiß. Aber ich, Mark…, ich will nicht allein sein. Ich brauche Hilfe.“ Ich atmete jetzt ganz ruhig. Nach einem Moment sagte sie: „Ich brauche deine Hilfe.“ Ich sah sie vorsichtig an. „Und die Kinder auch. Wir müssen mit den Kindern reden.“
Ich lag weiter da, Sarahs Hand ruhte auf meiner Schulter. Irgendwann sagte ich mit sehr leiser und ruhiger Stimme: „Wie sollen wir das denn machen?!“ Ich sagte das so, dass Sarah keine Antwort darauf geben konnte. Es steckte so ein sarkastischer, fast verächtlicher Unterton darin.
Wie sagt man sowas? Wie sagt man seinen Kindern, dass ihr Vater sterben wird? Weit vor der Zeit. In einer Zeit, in der sie ihren Vater eigentlich noch dringend brauchen, um richtig erwachsen werden zu können. Richtig erwachsen. Wie sagt man sowas? Paula würde vielleicht noch irgendwie damit klarkommen. Sie stand schon sehr gut aufgestellt in ihrem Leben. Hatte ihren Beruf, hatte vor allem ihren Thore. Natürlich würde sie schockiert sein, aber sie würde damit leben können. Aber Ben? Ben war noch so sehr auf mich fixiert. Ben würde völlig ausflippen. Ich war Bens Vorbild. Er sah mir auch unglaublich ähnlich. Wir hatten eine ganz besondere Nähe zueinander. Immer schon. Das hatte schon fast symbiotische Züge. Sarah dachte manchmal, dass Ben sich von mir dringend emanzipieren müsste und war deshalb eigentlich froh, dass er nach Prag ging. Manchmal schafft räumliche Distanz auch etwas emotionale Distanz. Das täte Ben sicherlich gut, dachte sie. Und mir auch, denn ich klammerte bei Ben ganz schön. Viel mehr als bei Paula. Für Ben wäre die Nachricht eine Katastrophe, davon war sie überzeugt.
„Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung.“, seufzte sie. Sie sah mich an. Sie wusste ja nicht mal, wie sie selbst damit umgehen sollte.