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WIR LEBEN IN EINER PROGNOSTISCH VERSEUCHTEN ZEIT
ОглавлениеAm Ende stehen wir da und sind unsicher, welche Meinung über eine Wetter-App nun die richtigere ist. Welche Prognose ist die validere? Wir können sicher sein, dass wir uns nicht sicher sein können. Wir sind prognostisch verseucht, permanent von Prognosen umgeben und können die Zukunft gerade deswegen kaum noch deuten. Dabei ist es genau das, was uns alle Prognosetools so innig versprechen: Zukunft zu deuten, den besseren Weg für uns zu finden, die richtige Versicherung abzuschließen, das Wahlergebnis vorherzusagen – vielleicht den Partner fürs Leben zu entdecken. Alle diese Prognosen kämpfen um unsere Aufmerksamkeit für Zukunft. Ich kann verstehen, dass sich viele Menschen zurücksehnen in eine Zeit, in der das alles noch keine Rolle gespielt hat.
Bis vor Kurzem gab es keine Wetter-Apps und auch keine Maps auf dem Smartphone, die die beste Route von A nach B prognostizierten. Vor dem 19. Jahrhundert gab es keine Wachstumsraten, Wahlumfragen oder Prognosen für die Entwicklung des BIP. Bis zum 18. Jahrhundert war man im Großen und Ganzen davon ausgegangen, dass die Welt sich nach einer göttlichen Vorhersehung entwickle. Dass man sich als Individuum Gedanken über die Zukunft gemacht hat, war die Ausnahme. Dies war wenigen Vordenkern vorbehalten. Heute ist die Zukunft zu unserem Alltag geworden. Wir alle brauchen einen kompetenten Umgang mit der Zukunft, sonst landen wir im Dickicht von Prognosen und sind überfordert mit deren Interpretation.