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Pauschalurlaub in Deutschland

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Urlaub soll der Erholung dienen, das steht schon so im Arbeitsrecht. Wer also nach dem täglichen Überlebenskampf im Büro auch noch seine Ferienzeit damit zubringen will, gegen Moskitos, korrupte Kellner oder radebrechende Fremdenführer und Taxifahrer zu kämpfen, der soll doch einen Individualurlaub mit Zelt und Rucksack machen – sich danach aber nicht beklagen, wenn die Erholung auf der abenteuerlichen Survivaltour auf der Strecke bleibt.

Was zeichnet denn Urlaub und Entspannung aus? Man muss sich um nichts kümmern, bekommt alles hinterhergetragen, trifft nur Menschen, die einem wohlgesinnt sind und die gleiche Sprache sprechen, und ein rotes Bändchen am Handgelenk legitimiert zum unbeschränkten Verzehr von Speisen und Getränken, die man gefahrlos konsumieren kann, weil der deutsche Magen an sie gewöhnt ist und Montezumas Rachegelüste erst gar keine Chance zur Entfaltung bekommen. Wer möchte schon seine hart verdienten Urlaubstage mit Lebensmittelvergiftung im Hotelzimmer verbringen und auf den „Global Doctor“ warten. Schweinsbraten und Kaiserschmarren schmecken schließlich weltweit gleich gut - und da weiß man, was man hat. In Australien warnen Schilder davor, dass Frauen während der Menstruation nicht ins Wasser gehen sollen, um keine Haie anzulocken. Und in Thailand gibt es Quallen, deren Gift ausreicht hundert Menschen zu töten. Kein Witz.

Das erste Abenteuer eines sogenannten Individualurlaubs beginnt ja bereits mit dem Weg zum Flughafen und allen damit verbundenen Gefahren, sich am Terminal zu verirren, den Check-in-Schalter nicht zu finden oder den Flieger zu verpassen, weil man mit dem Auto im Stau steht. Da ist es doch viel komfortabler, sich vom klimatisierten Reisebus in Wurmannsquick oder Radevormwald vor der Haustür abholen zu lassen und sein Schicksal in die kompetenten Hände von vielsprachigen, hochgebildeten Alleinunterhaltern zu legen: Der hochgestreckte Regenschirm in der Hand verleiht ihnen ähnliche Autorität wie die Verkehrskelle einem Polizisten und der Bischofsstab einem Oberhirten. Sie kennen nicht nur alle Insider-Geheimtipps, die in keinem Baedecker oder einem meist englischsprachigen Lonely-Planet-Reiseführer stehen. Sie führen einen zielsicher zu Teppich-Basaren und Schmuck-Werkstätten, wo unschlagbare Schnäppchenangebote locken – inklusive günstigem Versand in die Heimat. Und sie verhindern, dass man auf betrügerische Straßenhändler hereinfällt, die einem ein T-Shirt mit der in fremder Sprache gedruckten Aufschrift verkaufen: „Ich bin ein Tourist, bitte rauben Sie mich aus!“

Warum soll man sich freiwillig in die Situation begeben, auf einer griechischen Insel die Orientierung zu verlieren, weil man kein einziges Straßenschild entziffern kann? Warum soll man sich freiwillig größeren Gefahren aussetzen als einem Sonnenbrand am hoteleigenen Strand oder einer unerwarteten Begegnung mit den Kegelbrüdern aus der Heimat?

Natürlich muss es nicht immer eine von vorn bis hinten durchorganisierte All-inclusive-Neckermann-Reise sein. Es gibt auch eine Form von Individualurlaub, die keine Wünsche offen lässt und auch für Flugangst- und Tsunami-Paranoiker hundertprozentig geeignet ist: Ferien auf dem Bauernhof im Bayerischen Wald mit täglich frischer Milch und Frühstücksei. Das wird auch nach fünfundzwanzig Jahren nicht langweilig, wenn irgendwann die Kinder mit ihren Kindern auf demselben Hof im Kuhstall spielen, und man weiß immer, welche Briefmarke man auf die Ansichtskarte an die Daheimgebliebenen zu kleben hat. Und mal ehrlich: Schweinsbraten und Kaiserschmarren schmecken doch immer noch zu Hause am besten.

Das Lexikon der uncoolen Dinge

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