Читать книгу Das Lexikon der uncoolen Dinge - Harry Luck - Страница 6

Filterkaffee

Оглавление

Zugegeben: So ein Kaffeevollautomat mit Cappuccinodüse, Thermoblock-Heizsystem, automatischer Pulvererkennung, digitaler Verkalkungsanzeige, One-Touch-Automatik und LED-Tassenbeleuchtung ist ein imposantes Küchenmobiliar. Doch wenn man bereit ist, für eine Kaffeemaschine mit der Technologie eines Spaceshuttles so viele Scheine wie für einen Gebrauchtwagen hinzulegen, dann bezahlt man buchstäblich einen hohen Preis: Man verzichtet auf den guten alten Filterkaffee.

Ich will hier jetzt nicht über Geschmack reden. Und ich rede auch nicht über die im öffentlichen Dienst verbreiteten monströsen Brühvorrichtungen, in denen eine braune Plörre so lange vor sich hin köchelt, bis sie nach Heizöl schmeckt. Bekanntlich ist der Kaffeekonsum, ähnlich wie die Zigarettenpause, ein Zeremoniell, bei dem die Vorbereitung den wahren Genuss darstellt. Ist es nicht ein einmaliger Vorgang, die Dose mit dem Kaffeepulver zu öffnen, woraufhin eine erste Prise des einzigartigen Dallmayr-Jacobs-Eduscho-Aromas in die Nase steigt, den Melitta-Filter mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger auseinanderzudrücken und mit den wohldosierten Portionen eines Speziallöffels das braune Gold in die Filtertüte zu füllen? (Kenner durchspülen die Filtertüte erst mit Wasser, damit sie den Papiergeschmack verliert.) Nach sanftem Druck leuchtet der transparente Kippschalter rot auf und mahnt noch zur Geduld. Ein faszinierendes Röcheln und Gluckern lässt dann keinen Zweifel mehr daran, dass in wenigen Augenblicken die ersten braunen Tropfen mit einer Temperatur von 92 Grad in der Glaskanne niedergehen werden. Während dieser kostbaren Minuten, vielleicht die schönste Zeit des Tages, erfüllt sich der Raum mit einer einzigartigen Kombination aus Duft von Kaffeearoma und dem hingebungsvollen Blubbern der Maschine.

Anders als eine Tasse Espresso, die so schnell hinuntergekippt ist, wie der Vollautomat sie ausgespuckt hat, bildet die dampfende Kanne den Mittelpunkt der Kaffeetafel und lädt ein zur geselligen Kommunikation: „Oh, ist Ihre Tasse schon leer?“ – „Darf ich nachschenken?“ – „Mit Milch und Zucker!“ - „Möchte noch jemand einen Schluck?“ – Und schließlich: „Soll ich noch eine Kanne kochen?“ Der Filterkaffee auf dem Tisch jedenfalls gewährleistet einen ununterbrochenen Strom von Flüssigkeit und Redefluss und macht das Kaffeetrinken zu einem gesellschaftlichen Kollektivereignis, während die Espressionisten mit ihren Vollidiotautomaten, die auch im Businessanzug einen „Latte to go“ im unsäglichen Pappbecher aus der „Brew Bar“ mitnehmen, die Koffeinzufuhr zu einer egomanischen Selbstbefriedigung degenerieren. Damit eins mal klar ist: Kaffee gehört in Tassen, nicht in Becher!

Verstehen Sie mich nicht falsch: Es ist selbstverständlich ein Zeichen der Völkerverständigung, wenn ich im Urlaub den italienischen Cappuccino, den französischen Café au lait, den türkischen Mocca und den spanischen Cortado genieße, aber umso selbstbewusster und mit einer gesunden Portion Patriotismus dürfen wir Deutschen auch unseren guten, alten Filterkaffee mit Bärenmarke-Kaffeesahne trinken und uns geehrt fühlen, wenn man uns im Touristenhotel in der Toskana mit „deutschem Kaffee“ ein heimatliches Gefühl bieten will – und für einen „deutschen Cappuccino“ zum Filterkaffee eine Dose Sprühsahne reicht.

Das Lexikon der uncoolen Dinge

Подняться наверх