Читать книгу Das Lexikon der uncoolen Dinge - Harry Luck - Страница 16

Korrekte Rechtschreibung

Оглавление

Freiheit ist bekanntlich auch immer die Freiheit des Andersdenkenden. Die Gedanken sind frei – aber sie sind keiner Orthografie unterworfen, weshalb Freiheit und Anarchie nicht für den schriftlichen Kommunikationsprozess gelten. Auch Kommaregeln haben ihren Sinn, weil sie für Klarheit sorgen und sogar Beziehungen und Leben retten können, wie die Sätze „Komm essen wir(,) Opa“ und „Was(,) willst du schon wieder?“ beweisen. Missverständnisse aufgrund falscher Schreibweise etwa bei ss/ß treten bekanntlich – und nicht nur – in Mass(ß)en auf. Wer einem anderes weismachen will, der macht nichts weiß, wenn er nicht die Wände streichen möchte. Es hat sich leider selbst in den gebildetsten Kreisen noch nicht herumgesprochen, dass das Wort „kein“ in „keinster“ Weise steigerbar ist und „hältst“ nicht von Hals, sondern von Halten kommt. Den Deppen-Apostroph wollen wir nicht bei „Susi’s Textilservice“ sehen, wo man „steht’s zu Diensten“ ist und die Wäsche „morgen’s gebracht und abend’s“ gemacht ist. Aber auch öffentliche Schreibweisen wie „Nudel’n“ oder „Hand’y“ sind schon gesehen und fotografiert worden, ohne dass der Verursacher der Körperverletzung bezichtigt werden konnte. Nur in Ausnahmefällen wie beim bereits erwähnten „Konnopke’s Imbiß“ kann aus Gründen der Tradition ein Auge zugedrückt werden.

Doch wer im Alltag auf die Einhaltung der Regeln pocht – und es gar wagt, andere gutmütig auf Verstöße hinzuweisen –, wird im besten Fall als Spießer, schlimmstenfalls als Rechtschreibnazi beschimpft. Beim Spieleabend wird man schnell zum Spielverderber, wenn man sich den Hinweis nicht verkneifen kann, dass der Schriftzug „Mensch ärger Dich nicht“ auf dem Originalspiel drei Fehler enthält. Doch Nazis sind Menschenverächter, während Rechtschreiber Menschenfreunde sind, weil sie ihren Lesern gegenüber Respekt ausdrücken, indem sie sich Mühe mit ihren Worten geben, so wie man im zwischenmenschlichen Umgang auch selbstverständlich „bitte“ und „danke“ sagt. Außerdem nehmen sie sich Zeit, die freundlichen/lieben oder einfach nur vielen Grüße auszuschreiben, anstatt dem Empfänger ein seelenloses „mfG“, „LG“, „VG“ oder ähnliches Kurzangebundenes hinzuschmieren.

und auch wenn das betätigen der umschalttaste im zehn-finger-system den kleinen finger stark beansprucht, macht die großschreibung einen text lesefreundlich und lässt ihn nicht aussehen wie ein bekennerschreiben der rote armee fraktion.

Wie sonst will man den Unterschied deutlich machen zwischen „Der Gefangene floh“ und „Der gefangene Floh“? Auch die Sätze „Er hat Liebe Genossen“ oder „Helft den armen Vögeln“ entwickeln durch Groß- und Kleinschreibung eine gewisse Varianz in der Bedeutung.

Selbst wenn das dicke gelbe Buch seit der Rechtschreibreform nicht mehr offiziell „maßgeblich in allen Zweifelsfällen“ ist und das Bundesverfassungsgericht höchstrichterlich entschieden hat, dass im Privatleben jeder schreiben darf, wie er lustig ist, so bleibt der Duden mit seinen rund hundertfünfunddreißigtausend Stichwörtern doch immer noch die höchste Instanz für alle, die es nicht anficht, von einem unwissenden Banausen als „Spiesser“ beschimpft zu werden.

Zugegeben hatten in der Schule diejenigen mit den meisten Fehlern im Diktat gewöhnlich die schärfsten Mädchen an ihrer Seite, die ihre schlechten Noten auch noch besonders cool fanden. Doch mal ehrlich: Wer möchte schon mit einer Frau dauerhaft zusammen sein, die sagt: „Da werden Sie geholfen“ oder „besser als wie man denkt“? Selbst Dieter Bohlen hatte bereits nach vier Wochen Ehe genug von Verona Feldbusch und ging juristisch gegen ihre Behauptung vor: „Hier wurde mir verprügelt.“ Danach hat sich der Poptitan bekanntlich nur noch mit hochbegabten Intelligenzbestien liiert – wenn sie nicht in „Gaby’s Frisierstube“ gelandet sind.

Das Lexikon der uncoolen Dinge

Подняться наверх