Читать книгу Raumschiff Prokyon Band 1-18: Die ganze Serie - Harvey Patton - Страница 55
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ОглавлениеDie Sendhoren hatten längst vergessen, dass sie eigentlich von einem Planeten stammten. Irgendwann, vor unendlich langer Zeit, hatte man ihre Vorfahren in die Wachboje gebracht und mit der Aufgabe betraut, die in ihrer Wandung vorhandenen technischen Anlagen zu betreuen. Sie waren so etwas wie kosmische Ingenieure gewesen.
Einen großen Teil des technischen Wissens besaßen sie auch jetzt noch, nur wandten sie es nicht mehr sinngemäß an. Das Vergessen ihrer Aufgabe lief mit dem ihrer Herkunft parallel.
Für die Sendhoren war Lerving ihre Welt, etwas anderes außer ihr kannten sie nicht. Es gab etwa eine Million von ihnen, und sie hatten sich den in der Wachboje herrschenden Bedingungen restlos angepasst. Auch als sich diese im Lauf der Zeit immer weiter verschlechterten, hatten sie sich zu helfen gewusst.
Früher einmal waren sie von außen her mit allem versorgt worden, was sie brauchten. Das geschah jedoch schon seit Langem nicht mehr, die Boje war ein abgeschlossenes, stagnierendes System. Die darin Lebenden mussten gezwungenermaßen mit den Dingen auskommen, die sie besaßen, und sie zu erhalten trachten.
Das war nicht immer einfach, denn die technischen Anlagen nutzten sich zwangsläufig immer mehr ab. Versagten sie ganz, wurden sie demontiert und die noch brauchbaren Teile an anderer Stelle zur Reparatur anderer Maschinerien verwendet. Das wiederholte sich immer und immer wieder, nach und nach wurden die Sendhoren wahre Meister der Improvisation auf allen technischen Gebieten. Auch in Bezug auf Recycling hätte jede beliebige andere Zivilisation von ihnen eine Menge lernen können.
Das einzige, über das sie ausreichend verfügten, war Energie. Sie waren allseits davon umgeben, wenn auch in starrer, plastischer Form. Die Rückverwandlung geringer Mengen dieses Mediums in einen »lebenden« Zustand war für sie jedoch leicht. Mit diesen Kräften betrieben sie die Anlagen, die ihnen Wärme lieferten, die Atemluft regenerierten, Wasser und Abfallprodukte immer wieder aufbereiteten.
Diese erstarrte Energie war aber gleichzeitig auch ihr Feind! Ständig gingen von ihr unmerkliche Schwingungen aus, führten zu Mutationen oder machten sie steril. Um sich dagegen zu schützen, trugen die Sendhoren fast ihr ganzes Leben lang eine Kleidung aus einem speziellen, absorbierenden Kunststoff. Sie umschloss ihre ganzen, nur etwa fünfzig Zentimeter hohen Körper, nur die fünf kurzen hornigen und unempfindlichen Fortbewegungsorgane nicht.
An all dies hatten sie sich längst gewöhnt; sie waren zu wahren Meistern an Anpassung und Anspruchslosigkeit geworden. Ihr ganzes Leben verlief in einer Monotonie, die nur in sehr langen Abständen durch aufregende Ereignisse unterbrochen wurde.
Das war immer dann, wenn automatisch jene riesigen Maschinen anliefen, die an zwanzig verschiedenen Stellen gleichmäßig über ihre Welt verteilt waren. Dann erfasste Erregung das Volk von Lerving, es wusste aus Erfahrung, dass die Ankunft fremder Wesen bevorstand. Sie erschienen stets mit großen metallenen Fahrzeugen, die genau im Mittelpunkt der Wachboje materialisierten, ohne sich wieder aus ihr befreien zu können.
Sie versuchten es wohl, mussten sich dazu jedoch zwangsläufig der Energiewandung nähern. Dort gerieten sie in den Einflussbereich starker Traktorstrahl-Projektoren, vor denen es kein Entkommen mehr gab. Sie wurden unaufhaltsam angezogen und dann durch ein System von energetischen Leitbahnen in besondere Hohlräume gebracht. Da gleichzeitig ihre eigenen Maschinen lahmgelegt wurden, waren sie von da ab vollkommen hilflos. Die Sendhoren hatten eine neue Beute, und sie gingen damit auf ihre besondere Weise um.
Nun war es endlich wieder einmal soweit!
Die großen Maschinen waren angelaufen, ein silberglänzender metallener Diskus im Mittelpunkt von Lerving aufgetaucht. Aufruhr breitete sich überall aus, viele tausend Sendhoren suchten eiligst die verschiedenen Hohlräume auf. Niemand wusste, wohin sich diese Fremden begeben würden, aber sie mussten kommen! Dann sollten sie so empfangen werden, wie es ihnen gebührte.
Die neuen Ankömmlinge waren jedoch besonders vorsichtig. Eine lange Zeit verging, ohne dass sie irgendwelche Anstalten machten, sich der Wandung der Wachboje zu nähern. Doch die kleinen Wesen warteten geduldig – irgendwann musste es bestimmt geschehen.
Dann löste sich ein kleines Fahrzeug von dem großen Körper und kam auf die Energiewand zu. Die Fremden sandten also Späher aus, und bald registrierten die in jener Gegend lauernden Sendhoren das Auftreffen verschiedener energetischer Impulse. Sie hüteten sich jedoch, sich vorzeitig bemerkbar zu machen. Erst, als der kleine Metallkörper nahe genug herangekommen war, aktivierten sie die Zugstrahlprojektoren.
Der Erfolg war durchaus zufriedenstellend. Das Fahrzeug raste unaufhaltsam auf die Wandung zu, wurde in einen Tunnel gesteuert und von den Leitbahnen erfasst. Die in dieser Region wartenden Sendhoren triumphierten, diesmal war das Glück ihnen hold. Unzählige andere trösteten sich mit der Hoffnung, das große Schiff später in ihren Besitz bringen zu können.
Dann schoss das Fahrzeug in die Halle, wurde von einem starken Prallfeld erfasst und abrupt abgebremst.
Es krachte zu Boden, überschlug sich unter splitternden Geräuschen und blieb dann still liegen. Der Anführer der Sendhoren stieß einen schrillen Pfiff aus, und dann eilten seine Untergebenen von allen Seiten her auf das Beuteobjekt zu.
*
Stöhnend kam Lars Gunnarsson wieder zu sich.
Er schluckte und spürte den süßlichen Geschmack seines eigenen Blutes, zudem hatte er das sichere Gefühl, dass einige seiner Zähne locker waren. Blut tropfte auch aus seiner Nase und lief ihm in die Augen. Sie waren so verklebt, dass er nichts von der Umgebung erkennen konnte, und sein Schädel brummte wie die Bässe einer riesigen Orgel.
»Nur ruhig, alter Knabe! Du lebst ja noch!«
Mühsam langte er in eine Tasche seiner Kombination, holte ein Reinigungstuch hervor und wischte über sein Gesicht. Dann bekam er die Augen auf, blinzelte und sah, dass die Spear auf dem Rücken lag. Unter ihm war eine glatte Glasfläche, die er als eine der Sichtluken des Fahrzeugs erkannte. Neben ihm bildete eine chaotische Ansammlung von herumgeschleuderten losen Gegenständen eine Art von wenig erbaulichem Stillleben.
»Wo ist Luca?«
Er richtete sich langsam auf, ignorierte die bunten Ringe vor den Augen und atmete tief durch. Allmählich wurde ihm besser, und er sah sich nach seinem Gefährten um. Er entdeckte ihn unter den Überresten des kleinen Medoschranks, der sich beim Aufschlag losgerissen und seinen Inhalt verstreut hatte. Der Kybernetiker lag verkrümmt da und regte sich nicht.
»Verdammt, das hat uns wirklich böse erwischt!«, brummte Lars undeutlich und spuckte einen Mundvoll Blut aus. Er erhob sich vollends, unter seinen Füßen knirschten die Scherben mehrerer zerstörter Bildschirme. Der Pilotensitz befand sich genau über ihm, die Anschnallgurte waren herausgesprungen und baumelten rings um seinen Kopf.
»Wie die Anfänger haben wir uns benommen! Dabei hätten wir mit allem rechnen müssen, nachdem keine der Anlagen mehr funktionierte. Hätten wir uns angeschnallt, wäre uns vieles erspart geblieben.«
Er bewegte sich zur Seite, räumte Plastikteile und geborstene Medikamentenbehälter fort und drehte Ladora auf den Rücken. Der Freund war noch ohne Bewusstsein, seine linke Schläfengegend wurde von einer mächtigen Beule geziert. Gunnarsson tastete seine Glieder ab und stellte beruhigt fest, dass offenbar nichts gebrochen war. Er tätschelte Lucas Wangen, erzielte aber damit keinen Erfolg. Dann fiel sein Blick auf eine heil gebliebene Flasche, und ein flüchtiges Lächeln flog über sein Gesicht.
»Archer’s Tears – unser Notvorrat aus dem Medoschrank! Wenn ihm das nicht auf die Beine hilft, muss es schon sehr schlimm um ihn stehen, was ich nicht hoffen will.«
Er löste den Verschluss, nahm selbst einen großen Schluck und spülte damit das restliche Blut aus seinem Mund. Dann füllte er behutsam die Verschlusskappe der Flasche, hob Lucas Kopf an und ließ den Alkohol in seinen halb geöffneten Mund rinnen. Der Erfolg ließ nur wenige Sekunden auf sich warten.
Der Kybernetiker begann zu schlucken, Lars hielt die Flasche an seinen Mund und verabreichte ihm eine weitere Dosis dieser Patentmedizin. Die Augenlider des Bewusstlosen begannen zu flattern, er stöhnte leise und fand dann in die Gegenwart zurück.
»Noch eine Runde, Lars!«, krächzte er, als er das Gesicht des Ingenieurs über sich sah. Dann erst begriff er und richtete sich mit einem Ruck in sitzende Stellung auf.
»Wie siehst du denn aus?«, fragte er bestürzt. »Mira und Polaris, dein Gesicht ist ja voller Blut! Oh – jetzt begreife ich ... Wir haben eine Bruchlandung gebaut, nicht wahr?«
»Wie aus dem Bilderbuch«, bestätigte Lars verkniffen und wies in die Runde. »Das einzige, was in der Spear noch funktioniert, scheint die Beleuchtung zu sein. Das Schlimmste ist aber, dass wir nicht einmal funken können, um die PROKYON von unserem Missgeschick zu unterrichten.«
Luca fluchte leise, griff nach der Flasche und nahm noch einen großen Schluck. »Jetzt fühle ich mich fast schon wieder wie ein Mensch, von meinem Kopfschmerz und einigen kleinen anderen Wehwehchen abgesehen. Komm, wir müssen zusehen, dass wir hier herauskommen und irgendwo einen Schlupfwinkel finden, in dem wir uns verteidigen können. Diejenigen, die uns überrumpelt haben, werden vermutlich bald kommen und versuchen, uns einzukassieren.«
»Ich fürchte, sie sind schon da«, stelle Lars lakonisch fest.
Von draußen drangen durch eine geborstene Sichtluke unidentifizierbare Geräusche in das ramponierte Fahrzeug. Ein Scharren war zu hören, das wie das rasche Trippeln unzähliger kleiner Füße klang. Dazwischen klangen klirrende und klappernde Töne wie von Metall, und über allem lag ein ständiges zwitscherndes Pfeifen in rasch wechselnden Tonhöhen.
Durch die frei gebliebenen Sichtluken waren schattenhafte Bewegungen zu sehen, so flink, dass die beiden Männer keine Einzelheiten erkennen konnten. Der Kybernetiker griff an seine Hüfte, doch die Hand kam leer wieder zurück.
»Mein Handlaser hat sich selbständig gemacht«, knurrte er missmutig. »Deine auch, wie ich sehe – los, wir müssen die Waffen schnellstens finden. Die Unbekannten sind nicht eben zart mit uns umgesprungen, wir müssen auch weiter auf das Schlimmste gefasst sein. Geschossen wird aber natürlich nur, wenn sich keine Verhandlungsbasis zwischen ihnen und uns ergeben sollte.«
Beide beeilten sich, das wüste Durcheinander von mehr oder weniger zerstörten Gegenständen zu durchsuchen, das die vormalige obere Wölbung der Spear bedeckte, die nun zum Boden geworden war. Sie waren voll damit beschäftigt und bemerkten nicht, was sich gleichzeitig hinter ihrem Rücken tat.
Ein tentakelartiger Arm schob sich durch die geborstene Luke, ein zweiter folgte. Dann schwang sich ein Sendhore geräuschlos in das Fahrzeug und machte sofort anderen Platz, die ihm folgten. So war schon ein halbes Dutzend der kleinen Wesen eingedrungen, als die Raumfahrer endlich ihre Strahler gefunden hatten.
Luca wies zur Eingangsschleuse hinüber, von der aus kratzende und polternde Geräusche zu hören waren. »Da kommen unsere Freunde, Alter! Wir wollen sie möglichst würdig empfangen ... verdammt, was ist denn das ...?«
In der Schutzkleidung der Sendhoren hatten sich zahlreiche kleine Öffnungen gebildet. Einige von ihnen gaben die langen Tentakelarme frei, an deren Enden je vier gegenpaarig angeordnete Greifwerkzeuge saßen. Aus anderen schossen nun Strahlen einer weißlichen Flüssigkeit hervor, einer organischen Absonderung der kleinen Räuber. Sie veränderte ihre Konsistenz, sobald sie mit Luft in Berührung kam und bildete nun klebrige Fäden, die sich ringelten und fest um die Körper der beiden Männer wickelten.
In Sekundenschnelle waren Lars und Luca regelrecht eingesponnen. Als sie herumfuhren, um den eingedrungenen Gegnern entgegenzutreten, war es bereits zu spät. Ihre Arme wurden so fest an ihre Körper gepresst, dass sie sich auch bei größter Anstrengung nicht mehr bewegen ließen. Die weißen Fäden verhärteten sich so sehr, dass sie wie solide Kunststoffseile wirkten.
Ladora heulte fast vor Wut und Enttäuschung.
»Sie haben uns glatt überrumpelt!«, knirschte er grimmig. »Überrumpelt und eingewickelt im wahrsten Sinn des Wortes, ohne auch nur einen Versuch zur Verständigung zu machen. Und das passiert ausgerechnet uns, zwei hervorragenden Mitgliedern der glorreichen PROKYON-Crew!«
Gunnarsson verzog das Gesicht und ließ die jetzt ohnehin nutzlose Waffe fallen. Er blieb ruhig und musterte die kleinen Wesen, die nun schrille Pfiffe der Befriedigung hören ließen.
»Diese Winzlinge haben augenscheinlich noch nie von uns gehört«, meinte er lakonisch. »Immerhin haben sie uns nur gefesselt, also scheinen sie doch nicht ausgesprochen bösartig zu sein. Eine seltsame Erscheinungsform sind sie aber jedenfalls, man sieht weder Augen noch sonstige Sinnesorgane, nur die glatte grüne Haut. Wären nicht die eindeutig organischen Arme, könnte man sie für eine Art von Robotern halten.«
»Grüne Giftpilze sind es!«, knurrte der Kybernetiker verbissen. »Einen besseren Ausdruck dafür kann es bei ihrer Körperform kaum geben. Da – eben brechen sie die Luftschleuse auf! Sie werden unsere schöne Spear noch vollständig ruinieren.«
»Wahrlich, das fürchte ich auch«, gab Lars zu. »Allerdings ist sie schon jetzt in einem Zustand, in dem sie ohnehin nicht mehr fliegen könnte. Bedauerlich, dass wir keinen Translator bei uns haben, eine Verständigung dürfte also unmöglich sein.«
»Verständigung – mit Giftpilzen?«, fragte Luca gallig. Hastig machte er einige Schritte rückwärts, als sich die Sendhoren den beiden Menschen näherten und ihre Arme nach ihnen ausstreckten. Er stolperte über irgendwelche Trümmer und schlug lang hin, da er mit den gefesselten Armen keine Möglichkeit hatte, sein Gleichgewicht zu wahren. Im nächsten Moment umschlangen ihn zahlreiche Fangarme, hoben ihn an und schoben ihn auf die zertrümmerte Luke zu.
Mit dem Kopf voran wurde er ins Freie geschafft und dort wieder auf die Beine gestellt. Wenig später folgte ihm der Bordingenieur, vom triumphierenden Pfeifen der kleinen Wesen begleitet. Andere hatten inzwischen die Schleuse aufgesprengt, ergossen sich ins Innere der Spear und begutachteten ihre Einrichtung.
Während Ladora fast pausenlos leise fluchte, sah sich Lars aufmerksam in der großen gewölbten Halle um. Er wurde enttäuscht, denn es gab nicht viel zu sehen.
Große achteckige Tiefstrahler übergossen den Hohlraum mit hellem gelblichem Licht. Er war annähernd rund, durchmaß etwa dreihundert Meter, der höchste Punkt der Decke lag schätzungsweise achtzig bis hundert Meter über dem Niveau des glatten Bodens. Am anderen Ende dieser Kaverne gab es zwei Tunnel ähnlich dem, durch den das Boot herein befördert worden war.
Etwa hundert der »grünen Giftpilze« – der Ingenieur übernahm die spontan von Luca geprägte Bezeichnung – wimmelten um die Spear herum. Ein Teil von ihnen kletterte ins Boot, andere verließen es wieder, und ständig war zwischen ihnen ein Meinungsaustausch mit Pfeiflauten aller Tonhöhen im Gange. Einige kastenförmige kubische Aggregate von etwa zwei Meter Kantenlänge wurden mit summenden Elektromotoren herangesteuert und rings um das Fahrzeug in Stellung gebracht.
»Was mögen die Burschen vorhaben?«, fragte Ladora misstrauisch. Lars zuckte mit den Schultern, soweit das bei seiner Fesselung möglich war.
»Sie tun vermutlich genau das, was wir ebenfalls mit einem uns fremden Fahrzeug anstellen würden. Technische Tests, Materialprüfungen und so weiter. Trotz ihrer Kleinheit scheinen sie in technischer Hinsicht sehr beschlagen zu sein. Ich frage mich nur, wie sie in diese Energieblase gelangt sein mögen, die doch offenbar nach allen Seiten hin abgeschlossen ist.«
»Andere Sorgen hast du nicht?«, erkundigte sich Luca mürrisch. »Ich frage mich, wie wir ihnen entwischen und zum Schiff zurückgelangen können! Taff dürfte sich inzwischen Sorgen um uns machen, und Min Jian-Ksu wird zu toben beginnen, wenn er erfährt, dass wir wieder auf eigene Faust gehandelt haben.«
Der Ingenieur schwieg und bemerkte, dass sämtliche Sendhoren nun die Spear verließen. Sie gruppierten sich um die Aggregate, an deren Vorderseiten sich Klappen öffneten. Fremdartige Kontrollen wurden sichtbar, verschiedenfarbige Lampen begannen hektisch zu flackern. Dann ertönte ein helles Singen, grellweiße Lichtbahnen schossen aus den Geräten und trafen das Boot. Gedankenschnell fraßen sie sich durch das Metall des Druckkörpers, und dann schrie Luca in heller Panik auf.
»Nein – nein – nein! Lars, die Giftpilze zerschneiden die Spear, als wäre sie Schrott ...«
Er behielt Recht.
Es verging nicht mehr als eine halbe Stunde, dann war von dem Boot nur noch ein Haufen annähernd gleichgroßer Teile übrig. Die Schneidaggregate wurden wieder abgeschaltet, und dafür gingen nun Dutzende von Sendhoren mit mechanischen Geräten ans Werk. Andere begannen damit, ihre Beute zu begutachten und je nach ihrer Beschaffenheit auf verschiedene Haufen zu sortieren.
Lars schüttelte den Kopf.
»Sie benehmen sich tatsächlich, als wären sie professionelle Schrotthändler aus alten Tagen. Zudem bin ich sicher, dass sie so etwas nicht zum ersten Mal tun, dafür arbeiten sie viel zu routiniert. Sie scheinen sich darauf spezialisiert zu haben, alle Raumschiffe auszuschlachten, die in diese Falle geraten.«
»Sehr schön«, bemerkte der Kybernetiker bissig. »Wenn ich mir nur in Gedanken vorstelle, dass sie mit unserer schönen PROKYON X genauso verfahren, wird mir regelrecht schlecht.«
»Das dürfte nicht ganz so einfach sein«, tröstete Gunnarsson ihn. »Der Kreuzer ist ein wesentlich dickerer Brocken und besitzt genügend Waffen, um die Grünen abzuwehren. Außerdem dürfte Taff sich hüten, ihnen in die Falle zu gehen wie wir.«
»Meinst du?«, fragte Luca gedehnt. »Er wird hineintappen, ob er will oder nicht, das steht für mich schon jetzt fest! Schließlich ist er nicht der Mann, der uns einfach im Stich lässt – er wird auf die Suche nach uns gehen, und schon ist es passiert ...«
»Vermutlich hast du Recht«, gab der Ingenieur bedrückt zu. Dann schwiegen beide und sahen weiter den kleinen grünen Wesen zu, die eifrig dabei waren, ihr Zerstörungswerk zu vollenden. Vorerst kümmerten sie sich nicht um die Menschen, die sie etwa fünfzig Meter seitlich einfach abgestellt hatten. Sie wussten, dass diese nicht daran denken konnten, zu fliehen, solange sie derart gefesselt waren.
»Da kommt etwas«, sagte Ladora plötzlich und deutete mit dem Kopf zu einem der beiden Tunnel im Hintergrund. Dort kam ein großer länglicher Körper in Sicht und schwebte fast geräuschlos in die Halle. Er hatte die Form eines Weberschiffchens, war ungefähr dreißig Meter lang und im Mittelteil etwa sieben Meter breit. Im vorderen Drittel befand sich ein kleiner Aufbau, auf dem fünf Sendhoren standen, die offenbar das Fahrzeug steuerten. Es sank zwischen den Männern und den Überresten der Spear langsam zu Boden, und Lars betrachtete es mit fachlichem Interesse.
»Dieses Gefährt bewegt sich offenbar mit Hilfe von gesteuerten Magnetfeldern fort«, erklärte er. »Eine Art von Magnetbarke also, die in den Leitbahnen der Energiewand eine beträchtliche Schnelligkeit erreichen kann. Diese grünen Giftpilze verfügen über eine erstaunlich hochentwickelte Technik, die ihnen eigentlich gar nicht zuzutrauen wäre.«
»Denen traue ich alles zu«, knurrte Luca erbittert. »Sieh nur: Sie laden Behälter aus und fangen an, den Spear-Schrott darin zu verstauen, alle Materialien fein säuberlich getrennt. Ob sie überhaupt ahnen mögen, welche komplizierten Anlagen und beträchtlichen Werte sie zerstört haben?«
»Der Wert oder Unwert aller Dinge ist relativ, wie alles im Leben«, sagte Lars ruhig. »Die Winzlinge würden, schon aufgrund ihres seltsamen Körperbaus, mit einem intakten Boot wohl kaum etwas anzufangen wissen. Als Schrott, den sie für ihre Zwecke verwenden können, scheint es ihnen von größerem Nutzen zu sein. Das alles ist jetzt aber ziemlich unwichtig. Ich frage mich dafür, welches Schicksal sie uns wohl zugedacht haben mögen. Sie kümmern sich überhaupt nicht mehr um uns.«
»Irrtum!«, berichtigte der Freund und wies mit dem Kopf auf sechs Sendhoren, die sich ihnen von der Seite her näherten. »Verdammt – sie bringen Schneidwerkzeuge mit, Lars! Ob sie etwa vorhaben, uns ebenfalls in Einzelteile zu zerlegen?«
»Das würde den Teilen nicht sehr gut bekommen«, meinte Gunnarsson und verlor einen guten Teil seiner Ruhe. »Wir sollten aber nicht gleich das Schlimmste befürchten. Ich glaube eher, dass sie nur unsere Fesseln zerschneiden wollen, damit sie uns besser von hier wegbringen können.«
Er irrte sich gründlich.
Je zwei der »Pilzköpfe« stellten sich neben ihm und Luca auf. Dann schnellten ihre Tentakelarme vor und umklammerten die Beine der Raumfahrer so fest, dass sie sich nicht von der Stelle rühren konnten. Die beiden restlichen bauten sich vor ihnen auf und betasteten ihre Kombinationen eingehend. Schrille Pfiffe wurden gewechselt, dann zuckten zwei scharfe Klingen hoch und schlitzten die Kleidungsstücke von den Beinen bis zur Brust hoch auf!
Die beiden Männer versuchten, sich zu wehren, aber die Tentakelarme hielten sie unerbittlich fest. Luca schrie und fluchte, doch die Sendhoren achteten überhaupt nicht darauf.
Sie waren daran gewöhnt, alles irgendwie nutzbringend zu verwerten, was ihnen als Beute zufiel – auch lebende Wesen!