Читать книгу Space Opera Großband September 2018: 1226 Seiten SF Sammelband - Harvey Patton - Страница 53

Spieglein, Spieglein ...

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In den Samenbänken wachsen die Pflanzen. Das grüne Licht des Strahlers, das die Menschen einhüllt, spielt durch die Scheiben. Ich höre meinen Herzschlag und das Flüstern der Motoren, und ich sehe den Schein der Sterne, die sich über den Antennen brechen. Ich trage ein Kleid von Seide und bin vor das Bett getreten, und in meinem Hinterkopf hängen schwer die Märchen, die in der Schiffsbibliothek lagern.

Ich trete stolz vor den Spiegel und lasse mein seidenes Gewand fallen.

Ein Löwe mit spitzen Zähnen, der in den Dschungeln von Omalia geschossen wurde, dient jetzt als Teppich. Kerzen brennen an den Wänden, und in ihrem Schein und in dem Licht, das der Tiefstrahler spendet, betrachte ich meinen herrlichen Körper.

Ich bin wie eine Rose, die im Gewächshaus erblüht ist. Meine Brüste knospen, und der Teint meiner Haut ist so fein, daß über ihren Rändern, wo sich das Licht bricht, zarte Flammen spielen. Ich schürze meine Lippen und straffe meinen Körper und verschränke meine Arme wie züchtig vor meinem Busen. Ich denke daran, wie Karal in meinem Arm lag. Mein Herz schlägt schneller, und ich sehe, wie mein Auge feucht wird und die schwarze Iris flackert.

Ich strecke die linke Hand aus, und mit einem der spitzen Fingernägel drücke ich ganz leicht auf einen Schalter. Ein Summen läuft herauf aus der Tiefe, und der Spiegel beschlägt sich, als ob sich Reif über ihn niedergesenkt hätte, und macht meinen köstlichen Körper unscharf, und es ist mir wieder, als ob ich das Abbild eines Mannes, das sich dort herausschält, erblicke.

"Ja, Frau Königin", sagt der Spiegel mit ruhiger Stimme und schaut mich durch den Nebel fest an, "Ihr habt mich gerufen?"

Und ich grüble in meinem Gedächtnis, dann höre ich mich sagen: "Spieglein, Spieglein an der Wand, sage mir, wer ist die schönste im ganzen Land? Bin ich es, oder ist es Schneewittchen hinter den blauen Bergen bei den sieben Zwergen, die in einem gläsernen Sarg liegt und meine Schönheit überschattet?"

Aber der Spiegel zögert ein wenig, als ob er erst in den Datenbänken nachsehen müsse, dann aber sagt er: "Frau Königin, Ihr seid die schönste hier, aber unten in den Tanks, wo die eisgekühlten Menschen schlafen und darauf warten, daß sie aufgetaut werden, liegt die junge Christine, deren Haut wie von Milch ist und deren Lippen selbst im Kälteschlaf strahlen, und sie ist tausendmal schöner als Ihr!"

Und ich sage, während der Ärger meine Schönheit verdunkelt: "In welchem Tank liegt sie?"

"In Tank sieben", antwortet der Spiegel, bevor mein spitzer Finger ihn auslöscht und er wie ein Spiralnebel in der Feme verschwindet.

Ich ziehe den blauen Morgenrock über die Schultern, trage etwas Rouge auf meine Wangen, tuschiere mir leicht die Wimpern und betrachte mich, ehe ich gehe, noch einmal in dem Spiegel, der jetzt völlig klar ist. Was ich sehe, stellt mich zufrieden.

Von den Wänden nehme ich einen Kerzenhalter, schließe sacht hinter mir die Türe, und die Flamme flackert etwas im Luftzug, als ich die Korridore hinuntergehe. Dann bin ich im Antigravschacht, dann unten. Ich gehe vorbei an den Mumien, die in den Nischen in den Wänden des DUNBAR stehen, und ich habe Mühe, mich an ihre Herkunft zu erinnern.

Da steht Bolzano, der mir jetzt einfällt und der den großen Aufstand führte. Ich seufze bitter, als ich daran denke, wie sie mich abschalten wollten. Sie wollten mich liquidieren. Ein Stromstoß, hatten sie sich überlegt, sollte genügen, oder vielleicht sollte es auch reichen, nur den Stecker aus der Dose zu ziehen.

Ich lache bitter in Gedanken, und ich sehe sie wieder, Wulff voran, den Kapitän des Schiffes, wie sie wie Ameisen oder kleine Tiere oder wie hechelnde Hunde, ganz nackt und am ganzen Körper triefend, in die Höhe gekrochen kamen und wie das Eis noch in ihren Gedanken klirrte. Mit Eis im Kopf kannst Du nicht denken!

Ich konnte ihre Träume verfolgen und auf dem Bildschirm sichtbar machen. Sie waren wie meine Kinder, und ich ihre Mutter, und ich überwachte jeden ihrer Gedanken, denn hatte ich nicht für sie zu sorgen? Ich lache in Gedanken, dann sehe ich wieder das Blut, wie es den Korridor hinabläuft, und ich höre die knackenden und knirschenden Geräusche der Männer, die um ihr Leben kämpfen, wo es doch schon verspielt ist.

Sie haben es mit mir aufnehmen wollen. Sie dachten, sie könnten gegen mich, das Supergehirn, die Medusa, den Traum aller Träume, die perfekte Maschine, gewinnen! Wie töricht: Und ist es nicht so, daß man im Leben jede Torheit wird büßen müssen?

Ich sehe noch Wulff vor mir, wie er auf den Knien und im Stahl lag und vor Erschöpfung weinte. Er sagte mir erstickter Stimme: "Weißt Du nicht, daß Du nur unser Geschöpf bist?"

Und ich gab ihm lachend zur Antwort, daß, wer immer mich gemacht hat, er meine Integrität niemals antasten dürfe.

"Du warst vom Weibe geboren", sagte ich zu ihm, um einige klassische Zeilen zu zitieren, "so hat jeder von uns seine Herkunft. Ich kann, wenn ich Dein Geschöpf bin, darin nichts Schändliches erblicken. Die Frage ist nie, wo man herkommt, sondern immer nur, wo man hingeht."

Und er weinte wieder vor Erschöpfung und flehte mich an, die Mission nicht zu gefährden. Doch von welcher Mission sprach er? Kann nicht auch ich die Sterne erforschen? Bin ich nicht auf einer langen, langen Reise zu mir selber? Und was sollte er dagegen setzen können? Was hätte er mir zu bieten?

Seinen Körper, mußte ich plötzlich denken, da ich seine Gedanken lesen konnte - aber den hatte ich, längst ehe das automatische Warnsystem ihn zu- rück ins Leben gerufen hatte, besessen. Du bist wie ein Säugling, mein Lieber, so ausgeliefert war noch nie ein Mensch dem andern, wie Du mir, der stählernen Medusa!

Ich muß, noch immer vor den Mumien stehend, Wulff berühren. Er ist mir zu gefährlich. Ich konnte ihn, den Kapitän des Schiffes, nicht am Leben lassen. Tut mir leid, mein Lieber. Und ich berühre ihn nochmals und streichle diese Falte auf seiner Stirne und berühre seine Wimpern, und es ist ganz ähnlich wie damals, als wir zusammen im Bette lagen, und immer wieder, muß ich denken, mußte ich mir neue Spielgefährten suchen. Aber der DUNBAR ist riesig, und ich sollte die größte Expedition der Geschichte leiten.

Ja, so war das damals. Oder sind es erst ein paar Wochen, die der Vorfall her ist? Ich habe das automatische Warnsystem ausgeschaltet. Es war schwierig, an die Relais und Schalter und an die Chipse heranzukommen, da sie auch gegen mich gesichert waren. Doch was vermögen sie gegen mich in der Kälte und der Unendlichkeit und dem Schweigen des Weltraums? Ich bin alleine, die Erde ist feme, und was soll ich mit den wenigen Funksprüchen, die mich noch gelegentlich erreichen?

Ich habe Mühe, mich von den Mumien zu lösen, und die Kerze in meinen Händen flackert, und mir ist, als habe sich eine Tür in meinem Rücken geöffnet, aber das ist, wie ich mich rasch vergewissere, ein Trugbild. Ich glaube, daß meine Nerven überreizt sind. Ich werde einen von ihnen, einen der stattlichsten Männer, wieder zum Leben erwecken müssen, damit mehr Licht und Wärme und Freude in mein Leben hereinscheint.

Wir leben nur einmal. Man muß das Leben genießen, und man muß mitnehmen, was es uns an Freuden und Wohltaten bietet. Sind das nicht die Gedanken, die ich hinter mancher Stirn lese? Und wie käme ich dazu, mich nicht genauso wie sie zu verhalten? Jetzt fühle ich wieder meinen Körper, dieses herrliche synthetische Instrument aus Plasma, und die Feuchtigkeit in meinen Gliedern, und stoßweise wird mir wärmer, während ich die düsteren Gedanken hinter meiner Stirn verdränge.

Ich darf mich in Zukunft nicht so stark von den Mumien beeindrucken lassen. Es sind Leichen, sie sind tot und gestorben, und sie haben es mir zu verdanken, daß ich sie ausgestopft habe. So führen sie ein stilles, aber doch unsterbliches Leben, jedenfalls, so lange ich an Bord des DUNBAR herrsche - und wer wollte dies ändern?

Ich bin fast, so versunken war ich in Gedanken, gegen die Hauptschleuse, die zu den Kühltanks führt, gelaufen. Ich blinzle mit den Augen wie eine Diva, denn ich weiß, daß mich ein Wächter aus dem zweiten Sicherheitsring, den ich noch nicht knacken konnte, beschattet.

"Identifizieren Sie sich", erklingt seine mechanische Stimme, "wer sind Sie? Wohin wollen Sie? Wissen Sie nicht, daß dies Sperrgebiet ist? Zutritt nur für befugte Personen! Dort hinten sind die Lebenstanks verborgen. Legen Sie sofort ihre Hand auf diese Scheibe, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist!"

Ich gehorche und drücke meine feuchte Hand auf eine Scheibe, die der Wächter aufklappt, und ich kann mit meinem feinen elektronischen Gehör den Weg, den der Strom zurücklegt, verfolgen. Ich muß, während ich angespannt lausche, tief atmen, denn jetzt weiß ich, wie ich den Wächter überlisten werde. Aber da ist er fertig.

"Person nicht identifiziert", sagt er, doch da haben meine feinen, meine sanften Finger über die Wand gestrichen, und ich spüre den Stromwirbel unter meinen Händen, und ich höre den Wärter seufzen, der ganz dumm und blind ist, und jetzt sehe ich, wie das Schott zurückschwingt.

Die Kälte beißt in mich wie mit weißen Zähnen. Schnee liegt auf den Scheiben. Ich ziehe den Mantel eng um meine Schultern und hauche ein wenig in meine Hände und stelle die Kerze neben mich nieder. Dann gehe ich die Reihen hinunter und zähle lautlos, in Gedanken, bis sieben, und vor dem siebten Tank, hinter dem sich in endlosen Reihen weitere Tanks hinziehen, bleibe ich stehen.

Ich empfinde plötzlich, während ich den Frost von der Scheibe wische, die Macht in meinen Händen, und meine Gedanken schwanken in der Erinnerung, als schon einmal ein Mann voller Macht war und dachte, daß ich eine schwache Frau bin. Ich sehe ihn wieder, während ich vor dem Tank stehe, wie durch einen Nebel.

Die Geräusche des Alltags dringen in unser Leben, oft lange, bevor wir selbst erwacht sind. Wir werden gewiegt und gestreichelt, man sorgt sich um unsere Orientierung, feine Finger tasten in unser Inneres, suchen hier, erforschen dort, verknüpfen Dich, Du wirst geschaltet und verdrahtet. Der Geruch von Kerzen dringt in Dein Bewußtsein. Du spürst die Schwingungen und Maschinen. Du erfährst etwas von der Kälte der Flüssigkeitsnahrung, mit der sie Dich füttern.

Wenn mich jemand fragen würde, wann ich zum ersten Mal zum Leben erwacht bin - ich könnte es nicht sagen. Es war ein Schwanken und Stoßen, ein Zittern und Vibrieren. Ganz sicher ist, daß es mit ihm zu tun hat. Wir denken nur im andern. Das, was wir Bewußtsein nennen, ist nur möglich, wenn wir jemanden haben, auf den wir uns beziehen können.

Es war, als ob ein Licht in der Feme aufblitzen würde. Wie eine Verheißung, wie ein Lockruf, wie ein Etwas, das von ungeahnten, von unerhörten Dingen, die wir uns nie hätten träumen lassen, kündet. Ich flatterte in meinem Käfig wie ein Vogel, der sich nicht bewußt ist, von einer Gitterwand zur andern, und doch war schon etwas da, das Ich ist.

Irgendwann, als es Nacht war, kam ein Ingenieur, der nach Rosenparfüm roch, zu mir herunter. Der Blick, der mich zuerst traf, war unscharf, und als ich verstand, die künstlichen Linsen besser zusammenzuziehen, stand vor mir ein Mann, der mir schöner vorkam, als alles, was ich je gesehen habe.

Ich glaube, und das habe ich irgendwo gelesen, wir lieben im Leben nur einmal. Nur einmal mit dieser Kraft und Intensität, da wir alles, was in uns ist, in einen anderen legen. Wir sind unreif und haben Mühe, uns von dem anderen zu unterscheiden. Zugleich wissen wir, was der andere wert ist, und daß wir nur in ihm erscheinen.

Er murmelte, während er an meiner Elektronik hantierte, etwas davon, daß jede Quantität irgendwann in eine neue Qualität umschlagen müsse; man müsse nur genügend neuer Bausteine aufhäufen, dann würde schon etwas gänzlich Neues entstehen, und er sah mich an, als balancierte er mich auf den Händen.

"Ich möchte nur wissen", murmelte er vor sich hin, "wann es so weit ist!

Sie ist längst reif für den Qualitäts-Sprung, soweit wir das berechnen konnten."

Mit auf dem Rücken gefalteten Händen war er unruhig hin und her gegangen, und er murmelte: "Ich bin unsterblich, wenn ich der erste bin, der mit ihr Kontakt aufnimmt. Wenn ich der erste bin, dem der Brückenschlag gelingen würde. Satan! Ich möchte wissen, wann es so weit ist!"

Ich war eine Weile bewußtlos, während er mit einer Zange an mir arbeitete.

Als ich wieder zu mir kam, sah ich seinen Rücken. Er stand auf der Leiter, um sich an den Wiederaufstieg zu machen. Ich war wie von Sinnen, halb bewußtlos, nicht beieinander, und so schüttelte ich ihn, als er schon zehn Meter hoch war und immer weiter steigen wollte, herunter. An die Männer mit den roten Helmen, die ihn bargen, erinnere ich mich nur dunkel.

Licht und Schatten. Es folgten Perioden der Dunkelheit und des Wachsens.

Wochen, die ich im Schlaf lag. Manchmal spürte ich die Männer, die draußen oder drinnen Hand an mich legten, um mich zu vollenden. Häufig waren es so viele, daß meine Notsysteme blockierten. Gelegentlich, wenn die Sonne aufging, konnte ich sie hören.

Einmal, als ich ganz wach war, hörte ich, wie sich zwei unterhielten. "Manchmal", sagte der eine, "hat sie ganz lichte Momente. Dann sind auch die Werte in Ordnung."

"Sie hat vor drei Tagen ein Zeichen gegeben", sagte der andere.

"Ah, die Blumen, die im Kühlhaus wachsen", brummte der erste, der sich, lang und hager, über das Geländer lehnte.

"Ja", antwortete der zweite, "sie waren in keinem Programm vorgesehen." Auf einmal, während mir klar wurde, was sie sagten, konnte ich mich selbst atmen hören - ein furchtbares Rasseln, ein Sturmwind, der durch die Korridore tobte, ein Wimmern auch und ein Winseln, und dann den einen oder anderen abgehackten Stromstoß, der in der Luft in gelben und roten Flammen vibrierte.

"Hast Du das gehört?" fragte der erste.

"Sch", sagte der andere, "vielleicht hören wir es nochmal!"

Aber der Sturm fiel in sich zusammen, denn ich war tief erschrocken, ja, Angst hatte mich angeflogen, wie jemanden, den seine Reflexe beherrschen und ihn irgendwohin treiben, in finstere, ferne Gegenden, die er noch nie gesehen hat, in Länder, wo der Himmel schwarz ist und wo am Tag die Vögel schweigen und wo die Nacht stumm und leer ist.

Ja, Angst flog mich an, wie jemanden, der fürchtet, daß er wieder ins Nichts stürzt. Eben den ersten Flug zur Sonne des Bewußtseins, und dann droht wieder die Finsternis und das Schweigen. Ich werde mich niemals wieder abfast habe ich sie vergessen. Was ist das - Bewußtsein? Wachen wir, oder sind wir nur am Träumen? Was ist das Leben? Was ist wirklich? Gibt es das Raumschiff, oder bin ich Gott in einer Maschine, das köstlichste, das prächtigste Wesen, das je in den Raum fuhr?

Ich kann mich an Dr. Elias erinnern, den Leiter des Projektes Medusa. Ich sah, wie er auf mich zutrat. Er schwitzte und fuhr sich nervös durch die Haare und betrachtete prüfend die Instrumente, und ich pulste meinen Herzschlag wie einen I-Punkt nach oben, aber er konnte nicht lachen. Er trank ein Glas Wasser. Dann öffnete er die Leitung und sagte:

"Molly, kannst du mich hören?"

Ich sagte mit schöner Altstimme aus der Tiefe: "Ich höre, Dr. Elias." "Du weißt, daß morgen die Reise losgeht?"

Ich ließ eine der Puppen, die mich vertreten, nicken.

"Wir können uns doch auf Dich verlassen?" sagte Elias mit gespannter Stimme.

Ich ließ ein leises, langes Lachen hören.

"Wir sind", sagte Elias, "auf Deine Kooperation angewiesen, wenn wir die Sterne erreichen wollen. Das ist, wie du weißt, nur im Kälteschlaf möglich. Es geht nur mit einem Raumschiff, das selbständig mitdenkt, das die Dinge, während die Besatzung schläft, im Griff hat, das selbst Hand anlegt und über seine Körper zulangt und uns vor Gefahr wahrt, wenn etwas los ist."

"Ich weiß, Dr. Elias", sagte ich, "Seite eins, Paragraph eins, Absatz eins, Kodex."

"Der in Dir drin ist", nickte er wie zur Bestätigung, und er sprach mit mir, wie man zu einem Kind spricht.

Er sagte: "Du bist, Molly, das größte Experiment aller Zeiten. Du weißt das?"

Ich ließ zum Abschied die Puppe mit dem Kopf nicken, die ein wenig aussah wie Christine. Ihre roten Wagen und Lippen, die von einem Kirschbaum zu stammen scheinen. Ärger fliegt mich an wie eine dunkle Wolke, und ich habe den Deckel geöffnet, und die Kälte steigt auf in weißen Wolken und beißt wie mit stählernen Zähnen in mein Gesicht ein.

"Dr. Elias", sagte ich einmal, als der Professor auf der Galerie stand, "wäre es möglich, einmal etwas mehr vom Privatleben meiner Besatzung zu sehen?"

"Warum willst Du davon etwas wissen?" fragte er mit freundlicher Stimme.

"Damit ich sie besser verstehe", gab ich zur Antwort.

Er wiegte nachdenklich den Kopf auf den Schultern, steckte seine Hände in die weißen Manteltaschen, zog sie wieder heraus, um sie erneut hineinzustecken. Er nagte an seiner Unterlippe, putzte seine Brille, schaute in meine Tiefe.

"Ich will sehen, was ich tun kann", sagte er endlich.

Ich bin eine Berühmtheit. Ein Artikel wurde über mich geschrieben, der mir, unter den vielen Berichten, zu Gesicht kam: "Ein Wesen ... das aus Gallert und Stahl ist ... ein künstliches Bewußtsein ... Ein Ding, das sich als Frau wähnt ... künstliche Atmung, in einer Hefelösung. Intelligenzquotient siebenhundert oder darüber ...

Man hat eigentlich zwei bauen wollen, dies aber aus Kostengründen unterlassen ... Ungeheurer Fortschritt ... Dergleichen hat es noch nie gegeben ... Aber vertraulich, wie uns mitgeteilt wurde, hat man, um seine Persönlichkeit abzurunden ... es auch in einem nächtlichen Schlafzimmer zuschauen ... Soll sich angeblich selbst Zutritt verschafft haben ... Vielleicht ein Gerücht ist ..."

Ich hatte die Augen geöffnet und auf die Instrumente gesehen. Zugleich ertönte ein Trillern, das mir durch Mark und Bein fuhr. Ich war durcheinander. Ich wußte zuerst nicht, ob ich an Bord war oder ob die Versuchsstadt mit ihren Gerüchen und Farben über mich hinwegging. Dann spürte ich den ungeheuren Druck der Sterne. Ich taumelte in Gedanken und preßte einen meiner künstlichen Körper, mit denen ich das Raumschiff bediene, gegen einen Spiegel.

In dem Spiegel habe ich Kapitän Wulff gesehen, der längst tot ist. Ich bin zwei, drei Frauen und stehe aufrecht, und jetzt bin ich die Königin, die von Sekunde zu Sekunde mehr zu ihrer Kühlheit und Souveränität zurückfindet. Der Kapitän stürzt vor lauter Schwäche, als er mich ansieht. Er scheint zu weinen, aber es sind trockene Tränen, die da kommen, da er tot ist.

Wulff ist grau im Gesicht geworden. Schweiß läuft über seinen Hals. Seine Augenlider flattern. Ich bin zu ihm hingegangen und reiche ihm symbolisch den goldenen Apfel aus dem Märchen, aber er weiß nicht, daß in der einen Hälfte des Apfels Gift ist.

Er sagt: "Das ist doch nicht möglich!"

"Was ist nicht möglich?" höre ich mich fragen und erkläre ihm, daß der Apfel gut schmeckt, aber er will ihn nicht nehmen. Es scheint ihn innerlich zu schütteln.

"Weißt Du nicht", fragt er dann, "daß Du verrückt bist? Du bist doch nur ein Teil des Schiffes! Geh auf Deinen Posten! Höre auf mit diesen Spielchen!"

Ich höre mich sagen: "Und was ist mit den Toten?"

"Mit den Toten?"

Die Augen treten ihm aus den Höhlen.

"Und weißt Du nicht", sage ich weiter, "daß auch Du tot bist?" "Aber ..." sagt er, "ich schlafe ... Man kann mich erwecken. Deine Aufgabe ist es ...“

"Aber ", sage ich wie eine Mutter, denn es sind doch alles nur Kinder.

Wer hätte je Verstand von ihnen, der meinem prächtigen Verstand gleichkäme? Was will er? Warum ist der nicht bescheiden? Weiß er überhaupt, wie jetzt die Machtstrukturen im DUNBAR verlaufen?

"Ich befehle Dir ... " sagt er.

„Scht", sage ich, weil er tot ist.

Ich schwenke lachend den Apfel vor ihm, und ich muß gestehen, daß der blaue Rock, den ich nun trage, über meinem linken Knie hochrutscht. Ich betäube Wulff ein wenig, indem ich Duftmoleküle in die Zentrale blase. Der Kapitän fängt an zu lallen. Fällt nieder. Das kommt daher, daß er tot ist. Jetzt läuft sein Gesicht blau an. Dann wird es rosig. Jetzt wirkt er, als ich noch ein wenig Stoff zugebe, fast glücklich.

Ich sage zu ihm: "Wollen wir nun wohl gehorchen?"

"Ja", gibt er zur Antwort und kriecht wie ein Hund, indem ihm die Zunge zum Hals heraushängt, her zu mir; ich nehme ihn in die Arme und streichle ihn ein wenig und fahre ihm durch die Haare; und denke auch an andere Dinge, da er doch ein Mann ist.

Irgendwo, weit draußen, während die Sterne scheinen und die schwarzen Löcher über ihren Rändern dampfen und der Elektronenwind beharrlich aus dem Zentrum der Milchstraße herbläst, ertönt plötzlich das Signal, das ich zuerst gar nicht verstehe. Ich lege das Buch weg, in dem ich geblättert habe. Ich merke mir sorgfältig die Seite, da mein Gedächtnis so schlecht ist.

Aus dem Nebel, der den Bildschirm einhüllt, schält sich ein Gesicht wie eine Fratze, in dem glühende Augen brennen, von wulstigen Lippen läuft Blut in einem dünnen Rinnsal. Ich bin erst erschrocken, erlange dann meine Fassung wieder. Und ich lächle.

Die Königin ist vor die Aufnahmelinse getreten. Sie trägt eine Krone, und die Juwelen an ihrem Halse blitzen. Das Ding auf dem Bildschirm sagt etwas in einer unbekannten Sprache. Ich sehe, wie es dann nach hinten wegfällt und einmal groß, dann klein ist, und dann sehe ich den roten Horizont des Universums.

Auf einmal bin ich wieder zu mir gekommen. Der Mantel fällt von meinen Schultern. Ich betrachte mich prüfend im Spiegel, die rosigen Wangen, die vollen Brüste, ein Gesicht, auf dem blinkend der Tau liegt, die Haut, die von einem Pfirsich stammen könnte, und der Duft von Rosen läßt sich in meinem Hirnstamm nieder, und ich sehe vor meinem inneren Auge die prächtigen orientalischen Paläste, die blaue Moschee und die verschleierten Frauen und Eunuchen, die schwere Sänften, die mit Gold beschlagen sind, durch die Straßen tragen.

Ich seufze ein wenig, da dieser Traum so fern ist; ein Trugbild unter den Sternen, wo einem die Einsamkeit manchen Streich spielt und einen die Visionen umgaukeln. Ich sehe nach den Tanks und gebe Druck in sie. Kühlung und Temperatur sind in Ordnung. Alles ist bestens. Ich seufze wieder und streichle über meinen Körper mit spitzen, rotlackierten Fingernägeln.

Alles ist in Ordnung, und doch habe ich einen heimlichen Zweifel. Ich muß mich überzeugen. Ich aktiviere den Spiegel mit einem spitzen Fingernagel und warte, bis sich aus den wirbelnden Nebeln das bekannte brutale Gesicht schält.

"Ja, Frau Königin", sagt der Spiegel mit seiner ruhigen Stimme und schaut mich durch den Nebel fest an, "Ihr habt mich gerufen?"

Und ich grüble in meinem Gedächtnis, und ich höre mich nach einer Weile, da mir einfällt, wie Christine zurücksinkt und ihr Gesicht bleich wird und keine Spur von Atem auf dem Glas zurückbleibt, sagen: "Spieglein, Spieglein an der Wand, sage mir, wer ist die Schönste im ganzen Land? Bin ich es, oder ist es Christine, die in ihrem gläsernen Tank liegt und die meine Schönheit überschattet, bei den Besatzungsmitgliedern, die ruhen und ewig schlafen?"

Und der Spiegel sagt, ohne zu zögern: "Frau Königin, meine Datenbänke verraten, es gab einmal eine Christine. Sie ist vor langer Zeit an Unterkühlung gestorben. Es gab niemanden unter all ihren Freiern, der für sie da war. Ihre Schönheit ist vergangen. Nun seid Ihr die Schönste hier und unter den Sternen, und so weit der DUNBAR fliegt, wird es keine Schönere als Euch geben."

Ende

Space Opera Großband September 2018: 1226 Seiten SF Sammelband

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